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Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 31.1932

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Szokolay, Béla von: Mietwohnungen und Möbel von Ludwig Kozma, Budapest
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MIETWOHNUNGEN UN» MÖBEL
TON EUDWIG KOZMA, BUDAPEST
Mit 19 Abbildungen und 2 Grundrissen. Besprochen von Bela v. Szokolay, Budapest

Nach der Konjunktur der Nachkriegsjahre stehen die Architekten
in Ungarn wie im Auslande vor völlig neuen Problemen. Nicht
nur der Wandel der Zeiten hat seine wieder einmal neuen Gesichts-
punkte mitgebracht, nicht nur neue Aspekte der alten Dinge be-
dingen neue Harmonien, verlangen nach neuen Stilen: diesmal ist
es eine grundlegende Umwälzung der gesamten Lebensformen,
deren neue Forderungen neue Aufgaben, neue Konstruktionen und
neue Formen schaffen.
Vor kurzer Zeit noch gehörte die Inneneinrichtung einer Miet-
wohnung nicht zu den Aufgaben des Schaffenden. Es war keine
„künstlerische Aufgabe“, es sei denn, es handelte sich um die ge-
schmackvolle Anordnung gegebener Möbel. Heute ist es zur Auf-
gabe der Begabtesten geworden.
An der schaffenden Kultur des Architekten Ludwig Kozma haftet
die Problemempfindlichkeit des Künstlers: das ist der Ursprung
der eigenartigen Sicherheit seiner Konzeption. Das am meisten ins
Auge springende Merkmal seiner Mietswohnungeinrichtungen ist die
Verwendung leicht und vielfach miteinander kombinierbarer Möbel-
einheiten. Die Einrichtung ist solcherart nicht nur dem Wohnungs-
wechsel, sondern auch der Persönlichkeit des Inhabers gefügig.
Die Möbel sind auf eine Weise angeordnet, die den Raum-
eindruck heben und die restlose Wirtschaftlichkeit der Raum-
ausnützung sichern. Die Schränke bestehen aus kleinen Einheiten
und sind auf jeder denkbaren Wandfläche gut anzubringen. Diese
Anordnung bildet in geistreicher Weise einen Ersatz für die ver-
schiedenen Möbeleinzelstücke: Schreibtisch, Telefontisch, Likör-
schrank, Toilettentisch, Notenschrank usw. Der übrige Teil der
Einrichtung (fast durchwegs Einzelmöbel) sind Abstell-, Sitz- und
Liegemöglichkeiten.
Im Damenzimmer der Dreizimmerwohnung steht die Reihe der
Schleiflackschränke an der Wand. Links von der Liegestätte, im
Hintergrund des Zimmers, stehen die höheren, dem Fenster zu die
kommodeartigen Schränke, Wäsche, Schuhe, Hüte usw. enthal-
tend. Vor dem Fenster der Toilettentisch, dessen aufklappbare

Platte den Spiegel birgt (S. 519). Die Sitz- und Liegemöbel sind ein-
fache, bequeme Konstruktionen, mit verschieden abgetönter blauer
Musterung bezogen: mit dem Blau des Teppichs und dem Bananen-
gelb des Schleiflackes ein heiterer Akkord.
Das ist auch der Plan des Herrenzimmers mit den Reihenschrän-
ken und den federnden Armstühlen massiver Formgebung. Der
Speisetisch steht vor dem Ecksofa, daneben das bewegliche Servier-
tischchen. Gegenüber an der Wand die Anrichte, mit der völlig
verglasten, nur im Drehgestell metallenen Vitrine.
Am besten manifestieren sich die Vorteile der aus selbständig
beweglichen Grundelementen aufgebauten Reihenmöbel an der Dis-
position und Ausführung der abgebildeten Einraumwohnung. Hinter
der Eckbank des Speisetisches ist der Heizkörper, oben mit perfo-
rierter Platte bedeckt, unten mit Frischluftzufuhr. Neben der
Bank: Kamin, darüber eingebaute Vitrine, auf der andern Seite
führt die angeschlossene Schrankreihe zur Schrankwand der Fenster-
seite. Das querstehende Schränkchen für Noten und Bücher gibt
die Verbindung mit dem Klavier ab. Gegenüber dem Klavier die
mit den Fußenden aneinander gebrachten Schlafstellen zwischen
zwei Vorhängen. Hinter denselben Ankleide- und Turnraum, sodann
das Badezimmer, ebenfalls durch Vorhang abgeteilt. Die ganze
Wohnung ist ein einziger Raum, mit der Ruhe und Bequemlichkeit
der großen Ausmaße und doch der harmonischen Geschlossenheit
der Linien, die Raumteile ganz verschiedener Funktion mitein-
ander glücklich verbunden.
Die Einrichtung des, Bücher- und Musikalienladens des „Bühnen-
Magazins“ (Szinhäzi Eiet) zeigt die gleiche Logik der Konzeption
bei sehr verchiedenen Funktionen. Vor dem Schranke alter Jahr-
gänge Verkaufspult der Künstlerbildnisse, gegenüber Bücherregale.
Nebenan, vor der Grammophonabteilung, zentral angebrachte Kasse,
Klavier, Bank und Galerienaufgang. All dies in Form, Farbe,
Material und Linie völlig einheitlich und von einem inneren Gleich-
gewicht der Konstruktion getragen. Das gibt den Innenräumen
Ludwig Kozmas den Ausdruck freier Ruhe.
Und das scheint die


wesentliche Aufgabe des
Künstlers unserer Zeit zu
sein: durch die Ausge-
glichenheit und Beherr-
schung der Formgebung
und der Konstruktion den
Ton des Behagens anzu-
schlagen, dort, wo Minder-
begabte uns die Last
der Arbeit fühlen lassen.

Zimmer der Dame

in einer Mietwohnung
Zebranoholz, Stuhlbezug
blauer Samt

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