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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 15.1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.22227#0029

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i6

MODERNE KUNST.

seinem blasierten kritischen Wesen und gereizten Antipathien nur zu immer
verbisseneren Entgegnungen reizen würde und brach daher die Unterhaltung ab.

„Wir können,“ sagte er mit feinem Lächeln sich erhebend, „nun ruhig auf-
brechen. Der Himmel hat sich wieder gelichtet, im Westen bricht die Sonne
schon wieder durch. Das kann heute ein herrliches Alpenglühen geben,“ setzte
er ablenkend hinzu, „das wir nicht versäumen dürfen.“

Sie verliessen die Hütte und genossen nach kurzem Steigen durch die vom
Regen wunderbar geklärte Luft eine prachtvolle Rundsicht über Thal und Firnen.

, Der Rat, der mit dem erfahrenen Auge des Naturkenners den Wandel des
gewohnten Schauspiels verfolgte, deutete seinem Begleiter mit erhobenem Stock
bald nach dieser, bald nach jener Berggruppe, auf alle die Phasen der sich fol-
genden Beleuchtungserscheinungen hinweisend, welche die Sonnenuntergänge
der Hochwelt begleiten. Es gelang ihm in der That, den Professor aus seiner
träumerischen, in sich befangenen Indolenz aufzuscheuchen und zu einem auf-
merksamen und dankbaren Mitbeobachter zu machen.

Sie hatten die Thalsohle jetzt durchschritten. Das lichtbesonnte Gewirr der
Zacken und Zinken unterhalb der Firnen verschwand bereits im Abendnebel.

Die Blicke der Wanderer wandten sich den Eiszinnen der Gletscher zu,
die wie von Purpurglut überflutet erschienen. Das prachtvollste Alpenglühen
entwickelte sich von Minute zu Minute berauschender Der Rat wies mit einer
entzückten Andacht von Kuppe zu Kuppe, und auch Ruthard wurde von der
geheimnisvollen Erregung, die sich der ganzen Natur bemächtigt zu haben schien,
mit ergriffen. Rasch erstiegen sie die Hotelterrasse.

„Sehen Sie, sehen Sie nur!“ rief der Rat aufgeregt nach den Eiszinnen der
Gletscher hinweisend, die jetzt wie von rotflüssigem Golde zu tropfen schienen.

Eine Gruppe von Hotelgästen, die vor einigen Minuten auf den Ruf des
Wirtes unter die Bäume auf der Terrasse geeilt waren, stand dort in erwartungs-
voller Erregung und von staunender Bewunderung gebannt. Einzelne lebhaft

gestikulierend, andere das schnell ersterbende zauberhafte Schauspiel mit hastigen
Ausrufen begleitend.

Der Professor und der Rat weilten noch vor der Treppe und verfolgten
das magische Farbenspiel in allen seinen berückenden Einzelheiten.

„Und dort, sehen Sie, dort!“ rief jetzt der Rat lebhaft mit einer Wendung
nach links und zeigte auf die über dem breiten Rücken der Widdernalp ruhende
Sonne, die wie eine riesige, dunkelglühende Kohle vor ihren Blicken versank.

Der Professor antwortete zerstreut. Er konnte sich von dem Anblick einer
vollen, junonischen Frauenschönheit nicht losreissen, die sich ihm in jener Gruppe
von Schauenden auf der Terrasse zeigte, einem hochgewachsenen Mädchen, das mit
dem Ausdruck eines trunkenen Entzückens in die verglühende Gebirgspracht
hinausstarrte. ErTglaubte kaum je vornehmere Formen und vor allem eine
vollere Flechtenpracht bewundert zu haben, wie jene aschblonde, die in quellen-
der Kraft in einen matt glänzenden Knoten zusammengeschlungen, das rosige
Mädchenhaupt krönte.

„In zehn Sekunden ist alles vorüber!“ rief der Rat ungeduldig. „Sehen Sie
nur dort den sflbergrauen Duft aus der Tiefe immer höher steigen!“ wandte er
sich aufs neue seinem Nachbar zu, der ihm längst nicht mehr folgte.

„Onkel,1 antwortete, von dem Rufe des Alten aufgeweckt, eine helle
Mädchenstimme, in der noch die Begeisterung an dem Erlebten nachzitterte.
Der Rat wandte sich jenem schönen Mädchen zu, das Ruthard soeben be-
wunderte, und das jetzt leichtfüssig auf den Alten zuschritt. Der Professor trat
beinahe befangen vor der königlichen Erscheinung zurück.

„O, Onkel, war das eine Herrlichkeit!“ rief Edith ergriffen. Der Rat nahm
seihe Nichte zärtlich in seinen Arm und zog sie a'n sich. Ganz hingenommen von
dem Schönheitswunder lehnte das Mädchen an der Schulter des Alten, während
der Künstler in den Linien der Silhouette schwelgte, welche die Gruppe dieses un-
gleichen Paares, von der scheidenden Glut umloht, vor ihm bildete. [Fortsetzung foi«t |


se pe

[uf seinem farbenfreudigen Bilde hat A. v. Courten eine amüsante „Strand-
idylle“ dargestellt. Die neapolitanische Früchteverkäuferin bedroht das
Missgeschick von zwei Seiten; einmal will der störrische Kerl von einem Esel,
weil er vor der Brandung scheut, nicht vorwärts, und dann sind ihre schönen
Apfelsinen im Begriffe, davonzurollen. Die flotte Reiterin kommt aber darum
nicht aus dem Gleichgewichte; zieht lächelnd mit der Rechten den Zügel straff,
während die Linke die gefährdeten Früchte im Korbe festhält. — Für den
Maler bot sich in dem Anblicke eine willkommene Gelegenheit, einen frischen
und lebhaften Farbenakkord zu vereinigen, der auch in unserer Reproduktion
auf das Beste zur Geltung kommt.

0\

lit seinem Gemälde „Liebesfrühling“ hat F Vinea ein höchst an-

mutiges Werk geschaffen. Vor dem jungen Paare liegt die Welt im Blüten-
meere; Rosen ranken sich über ihren Pfad und sie sehen die Erde nur von
Amoretten bevölkert; alles Hässliche ist aus ihrer Welt verbannt, so wie sie
selbst mit ihrer Person den Frühling symbolisieren könnten. — „Die Tänzerin“
von L. Görome ist ein prächtiges Kunstwerk moderner französischer Plastik.
Die leichte Grazie und zierliche Anmut, die so oft den Französinnen nach-
gerühmt wird, hat sich in der bildenden Kunst seit langer Zeit am liebsten
in den kleinen figürlichen Gruppen ausgesprochen, welche für die französische
Bildhauerkunst so bezeichnend sind. Die grosse Meisterschaft Geromes, im
besonderen seine Vorliebe für Pikanterie und seine malerische Behandlungs-
weise der Plastik wird durch die entzückende Tänzerin aufs neue bewiesen.

«Wie im Vorjahre veröffentlichte bemalte Künstlerpalette fand im
Publikum einen so grossen Anklang, dass die Herstellung eines Pendants dazu
ratsam erschien. Herr Prof. H. Sperling hat mit künstlerischer Meisterschaft
eine neue humoristische Tierscene geschaffen, deren Bedeutung dem Besucher
sofort klar wird. Die neue Palette „Entsetzt“ wird in derselben originellen
und dauerhaften Ausstattung hergestellt; sie bildet zu der bereits erschienenen

Palette „Entwischt“ ein prächtiges Gegenstück, ist aber auch allein ein brillanter
Wand- und Zimmerschmuck. — A. Herings ergreifendes Bild „Verkündigung
des Todesurteils an die II Schillschen Offiziere“ lässt uns einen Blick
thun in die Zeit der tiefsten Schmach unseres Vaterlandes. Von den Offizieren,
die mit Major Schill in patriotischer Begeisterung gegen Napoleon gezogen
waren, wurden nach dem unglücklichen Gefecht in der Stadt Stralsund 11 ge-
fangen nach Wesel geschleppt. Bis zum September 1809 harrten sie dort in
ihrem Gewahrsam immer noch auf Begnadigung; aber ihr Schicksal war besiegelt,
schon ehe der Richter sein letztes Wort gesprochen hatte. Ihre Gräber wurden
schon gegraben, ehe das Todesurteil über sie noch ausgesprochen war. Die für
ihr Vaterland so heiss schlagenden jugendlichen Herzen durften nicht weiter
leben, sie sollten den Verrätertod erleiden. Es gewährt einen unsagbar trau-
rigen, tiefschmerzlichen Anblick, die jugendlich-schlanken Jünglingsgestalten zu

lild cf.

betrachten, die nicht in Verzweiflung, sondern in stummer Trauer, in stiller
Ergebung die Verkündigung ihres Todesurteiles anhören. — Das künstlerisch
und inhaltlich äusserst wertvolle Bild ist übrigens als Kupfergravure im Formate
von 46 cm : 64 cm in Rieh. Bongs Kunstverlag erschienen. Die Abonnenten
unseres Blattes erhalten es zum Vorzugspreise von 4 Mark, während der Preis
im Kunsthandel 30 Mark beträgt.

^)cm Sieger in den olympischen Spielen blühte bekanntlich der
höchste Ruhm. Ein Kranz, geflochten aus den Zweigen des heiligen wilden
Oelbaumes, die von einem Knaben, dessen beide Eltern noch lebten, mit goldenem
Messer abgeschnitten sein mussten, wurde ihm im Tempel des Zeus von einem
Hellanodiken auf das Haupt gesetzt. Auch ein Palmenzweig wurde ihm über-
reicht. Der Sieger durfte sich in dem heiligen Hain eine Statue setzen lassen;
Siegesmahle wurden zu seinen Ehren gehalten; die gefeiertsten Dichter verherr-
lichten ihn in ihren Gesängen; von seiner Vaterstadt wurde er in feierlichem
Triumphzuge eingeholt. So galt den Hellenen ein olympischer Kranz als der
Gipfel menschlicher Glückseligkeit. Auf seinem Bilde hat F M. Bennett dar-
gestellt, wie der Renner Ladas, im Begriite nach diesem Kleinod zu greifen,
vor Aufregung plötzlich tot hinsinkt; eine Scene, bei deren Betrachtung man sich
schmerzlichster Rührung nicht erwehren kann.

)ass auch im gerühmten Lande des Dollars für Schauspielerinnen Schön-
heit der beste Geleitsbrief ist, der mindestens ebenso viel wiegt, als hervor-
ragendes Talent, beweisen aufs neue die in diesem Hefte veröffentlichten Por
träts amerikanischer Schauspielerinnen Eine der interessantesten und
schönsten amerikanischen Bühnenkünstlerinnen ist Miss Julia Marlowe; haupt
sächlich in Shakespeare-Rollen hat sie grösste Erfolge geerntet. Auch in England,
wo sie herstammt, ist ihr das Glück treu geblieben, als sie vor einiger Zeit zu
einem grösseren Gastspiel herüberkam Ebenfalls eine Engländerin ist die
schöne Maria Mannering, die seit ihrem Auftreten in „Die Prinzess und der
Schmetterling“ zu den erfolgreichsten amerikanischen Bühnengrössen zählt. Sie ist
die Gattin von James K. Hackett, dem Autor des genannten Werkes. Die reizende
Miss Edna May feierte Triumphe in dem englischen Singspiele „The Belle of New-
York“, das in New-York und auch in London unzählige Male über die Bretter ging.
In Rollen heitersten Genres ist Miss Maria Georges vom Glücke des Erfolges be
günstigt worden; sie darf den brillantesten Soubretten Amerikas beigezählt werden.

Jjt^er immer behauptet, die moderne Technik mit ihren angeblich phantasie-
losen Einrichtungen zerstöre das ästhetische Gefühl und biete keine Objekte für die
Kunstdarstellung, der befindet sich im Irrtum. Wer H. Bohrdts Bild von dem
deutschen Linienschiffe „Kaiser Wilhelm II.“ aufmerksam betrachtet, wird das
ästhetische Moment im Anblick dieses dampfenden Eisenkolosses, der fauchend die
Fluten teilt, weder Wind noch Wellen zu fürchten braucht, sehr wohl heraus finden.
 
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