II
immungcn.
ß
osa
Poppe.
g)Tas Berliner Schauspielhaus besitzt unter seinen darstellerischen Kräften
Tg zwei künstlerische Prachtgestalten, die für die Trilogie des „Goldenen Vliess“,
wie für die der „Nibelungen“ eigens geschaffen
erscheinen. Ich denke an Matkowkvs Jason und
Siegfried, an Rosa Poppes Medea und Kriemhilde.
Als unsere Medea, Kriemhilde und Judith
vor elf Jahren an das Berliner Königliche Schau-
spielhaus kam, brachte sie Jugend und Schönheit,
ein prächtiges Organ und eine Fülle starken
Temperamentes mit. Noch fehlte es ihr an Reife
und Ueberlegung, an weiser Oekonomie, durch
Kunst und Technik zu meistern, was ihr die Natur
in die Wiege gelegt hatte. Ihr starkes Temperament
ging ungezügelt mit ihr durch, und wenn Rosa Poppe
nicht im ersten Akt sich fast verausgabt hatte, und
während des letzten nicht atemlos dem Ende zujagte,
glaubte sie sich nicht genug gethan zu haben.
In diesem Stadium heftigster Verausgabung
befand sie sich zum guten Teile noch, als sie vor
Jahren zum ersten Male die Medea ohne die beiden
voraufgehenden Abteilungen des „Goldenen Vliess“,
den „Gastfreund“ und „Die Argonauten“, spielte.
Während der ersten Abende raste sie, von
ihrem Temperament, von ihrem Furor zügellos
vorwärts getrieben, durch die Tragödie, ohne an
einen allmähligen Aufstieg, an einen Halt zu denken.
Halbtot gelangte sie ans Ende.
Am dritten oder vierten Abend hielten ihre
Kräfte für dieses Tempo nicht mehr Stand. Sie
fühlte sich matt, und „der Not gehorchend, nicht
dem eigenen Triebe“ fing Rosa Poppe zagend und
bangend an, mit ihren Kräften hauszuhalten, sie für
die grossen Momente aufzusparen. Und siehe da,
von Leuten, die ihr’s gut meinten und sich auf ihre
Kunst verstanden, wurde ihr gesagt: „So reif wie Rosa Poppe
heute hast Du die Medea noch nicht gespielt. Heute erst warst Du ganz auf der
Höhe.“ Erst nach und nach gab dieser Zufallserfolg der Künstlerin zu denken.
Nach und nach arbeitete sich bewusst heraus, was unbewusst, sie auf eine höhere,
reifere Stufe zu erheben begonnen hatte. Mehr und mehr legte sich die über-
stürzte Hast. Immer klarer, ausgereifter, zielbewusster wurde Rosa Poppe, was
sie heute ist, eine ausgezeichnete Künstlerin, die in dem düsteren Ernst, in der
herben Entschlossenheit, in der flammenden Leidenschaft Grillparzerscher und
Hebbelscher Gestalten ihren Höhepunkt gefunden hat.
Als erstes stand die Medea fertig da, und doch sollte die Künstlerin gerade
mit der Medea eine herbe Enttäuschung erleben.
Vor etwa sieben Jahren zu einem Gastspiel an die Wiener Burg geladen, gab
- [Nachdruck verboten.]
man ihr schon im voraus den wohlgemeinten Rat, dem Rufe bei Lebzeiten der
Wolter überhaupt nicht zu folgen, in jedem Falle aber die Medea aus dem
Reisekoffer herauszulassen. An eine erste Wolterrolle dürfe niemand anders
sich wagen, sollte nicht von vornherein ein Schiffbruch beschlossene Sache
sein. Im Vertrauen auf ihre Jugend, ihre Kunst,
auf ihre Erfolge gerade in der Rolle der Medea,
schlug Rosa Poppe die Warnungen in den Wind.
Bald aber sollte sie schaudernd selbst erfahren,
dass ihre Warner nur allzu Recht gehabt, und mit
den Alten der Burg nicht gut Kirschen essen sei.
Heut haben wir keine grosse Wolter mehr, die den
Tragödinnen den Weg zur Burg verlegt, dennoch
bleibt für manches Fach die Warnungstafel aufge-
richtet: „Voi che entrate, lasciate ogni speranza“.
Rosa Poppe mag die Enttäuschung schmerzlich
berührt haben, der fruchtlose Kampf mag ihr schwer
angekommen sein, sie hat ihn überwunden, aber
wie jeder ehrliche, niemals rastende Künstler hat
Rosa Poppe auch heute noch Stunden der Entmuti-
gung, der Enttäuschung, der Erbitterung gegen all
das unliebsame Beiwerk, das unzertrennlich von
dieser persönlichsten aller Künste ist und bleibt.
Trotz aller Erfolge steigen oft heisse Wünsche
in ihr auf, der Bühne zu entsagen, in einem fried-
lich schönen Privatleben unterzutauchen. Aber
diese Wünsche kommen für kurze Zeit, und schei-
den für lange wieder, und jedes Mal, wenn der
schönen Künstlerin ein persönliches Glück geboten
wird, weist sie es ohne Besinnen von sich, da in
jedem einzelnen Falle das Aufgeben ihres Künstler-
tums auf dem Spiel steht. Liebe, Ehe und echte
Kunstübung können nun einmal keinen gedeihlichen
Pakt schliessen. Die eine ist die geborene Feindin
der anderen, die eine hemmt die andere, aber sie
fördert sie nicht, wie viel Sophistereien man über
diesen Punkt auch zum besten geben mag. Das
als „Sappho". Glück der Liebe und Ehe kann nur mit der Be-
schränkung oder dem vollen Aufgeben der künstlerischen Existenz des Weibes
erkauft werden, das volle Sichausleben der Künstlerin, nur mit dem Glück der
Liebe. Tausende von Versuchen das Gegenteil zu beweisen, werden angestellt,
beinahe alle enden sie mit dem gleichen Resultat.
Zu den wenigen Frauen, die sich dieses Umstandes ohne jede beschönigende
Illusion, ohne ihn zuvor erst an sich selbst erprobt zu haben, voll bewusst sind, ge-
hört Rosa Poppe. Ihr Temperament mag ihr so manchen Lebenskampf nicht eben
leicht gemacht haben, noch leicht machen, ihr künstlerischer Ernst aber hat sie bis-
her alle Klippen umschiffen lassen, die ihre Künstlerschaft mit Gefahr bedrohten.
Bis heute ist sie dem Eide treu geblieben, den sie auf ihre Fahne schwur: Gar-
nicht oder Ganz. Was morgen sein wird? „Nichts verschwöre der Mensch.“ D. D.
f-. 2ick-2dc/(. -Sä!
D rei Perlen der kunstgewerblichen Abteilung
der Pariser Weltausstellung führen wir heute im
Bilde unseren Lesern vor Augen. Sie entstammen
drei verschiedenen Ländern und drei verschiedenen
Gruppen, und wer sich bemüht, sie auf dem Riesen-
terrain. der Ausstellung aufzusuchen, der muss den
ganzen Raum von der Invaliden-Esplanade bis zum
Marsfeld durchmessen. In der deutschen Kunst-
gewerbehalle ist die entzückende Schöpfung des Nürn-
berger Bildhauers Oppel, die Porzellanvase mit dem
lüsternen Faun und der träumenden Nymphe zur Auf-
stellung gelangt, gemeinsam mit anderen Prachtstücken
der bayerischen Industrie. Im vierten Bande des beim
Deutschen Verlagshause Bong & Co., Berlin, erschienenen
Prachtwerkes: Hans Kraemer, „Das XIX. Jahrhundert
in Wort und Bild“ findet sich übrigens eine hochinter-
essante Zusammenstellung der von den Deutschen
kunstgewerblichen Gegenstände. Der in Linien und
Farben durchaus modern gehaltene Frauenkopf aus Fayence, das originelle
Petschaft, das eine Zierde jedes Damenschreibtisches bilden wird, wird im
offiziellen Repräsentationsgebäude der italienischen Regierung auf dem Quai
d’Orsay von der Firma Salvini zum Verkauf gestellt. Das dritte Stück endlich,
Modernes Petschaft von der
Pariser Weltausstellung 1900.
in Paris ausgestellten
die entzückend modellierte Pariser Medaille von Daniel-Dupuv, bildet einen
Teil der imposanten Ausstellung der berühmtesten staatlichen Prägeanstalt,
der französischen Staats-
münze, die das Verdienst
für sich in Anspruch
nehmen kann, für die
Modelle zur Ausprägung
aller Geldsorten, die
ersten zeitgenössischen
Meister der Plastik heran-
gezogen und damit in
grösstem Maassstabe ver-
edelnd auf den Geschmack
der Menge eingewirkt zu
haben. Zeugen der Blüte
des modernen Kunst-
gewerbes sind sicherlich
alle drei Schaustücke. K.
Der grosse Elefant
des Barnum - Bailey-
schen Riesen-Cirkus
E. Thiel: Auf den Zähnen des Elefanten.
Aus dem Barnum-Baileyschen Cirkus.
immungcn.
ß
osa
Poppe.
g)Tas Berliner Schauspielhaus besitzt unter seinen darstellerischen Kräften
Tg zwei künstlerische Prachtgestalten, die für die Trilogie des „Goldenen Vliess“,
wie für die der „Nibelungen“ eigens geschaffen
erscheinen. Ich denke an Matkowkvs Jason und
Siegfried, an Rosa Poppes Medea und Kriemhilde.
Als unsere Medea, Kriemhilde und Judith
vor elf Jahren an das Berliner Königliche Schau-
spielhaus kam, brachte sie Jugend und Schönheit,
ein prächtiges Organ und eine Fülle starken
Temperamentes mit. Noch fehlte es ihr an Reife
und Ueberlegung, an weiser Oekonomie, durch
Kunst und Technik zu meistern, was ihr die Natur
in die Wiege gelegt hatte. Ihr starkes Temperament
ging ungezügelt mit ihr durch, und wenn Rosa Poppe
nicht im ersten Akt sich fast verausgabt hatte, und
während des letzten nicht atemlos dem Ende zujagte,
glaubte sie sich nicht genug gethan zu haben.
In diesem Stadium heftigster Verausgabung
befand sie sich zum guten Teile noch, als sie vor
Jahren zum ersten Male die Medea ohne die beiden
voraufgehenden Abteilungen des „Goldenen Vliess“,
den „Gastfreund“ und „Die Argonauten“, spielte.
Während der ersten Abende raste sie, von
ihrem Temperament, von ihrem Furor zügellos
vorwärts getrieben, durch die Tragödie, ohne an
einen allmähligen Aufstieg, an einen Halt zu denken.
Halbtot gelangte sie ans Ende.
Am dritten oder vierten Abend hielten ihre
Kräfte für dieses Tempo nicht mehr Stand. Sie
fühlte sich matt, und „der Not gehorchend, nicht
dem eigenen Triebe“ fing Rosa Poppe zagend und
bangend an, mit ihren Kräften hauszuhalten, sie für
die grossen Momente aufzusparen. Und siehe da,
von Leuten, die ihr’s gut meinten und sich auf ihre
Kunst verstanden, wurde ihr gesagt: „So reif wie Rosa Poppe
heute hast Du die Medea noch nicht gespielt. Heute erst warst Du ganz auf der
Höhe.“ Erst nach und nach gab dieser Zufallserfolg der Künstlerin zu denken.
Nach und nach arbeitete sich bewusst heraus, was unbewusst, sie auf eine höhere,
reifere Stufe zu erheben begonnen hatte. Mehr und mehr legte sich die über-
stürzte Hast. Immer klarer, ausgereifter, zielbewusster wurde Rosa Poppe, was
sie heute ist, eine ausgezeichnete Künstlerin, die in dem düsteren Ernst, in der
herben Entschlossenheit, in der flammenden Leidenschaft Grillparzerscher und
Hebbelscher Gestalten ihren Höhepunkt gefunden hat.
Als erstes stand die Medea fertig da, und doch sollte die Künstlerin gerade
mit der Medea eine herbe Enttäuschung erleben.
Vor etwa sieben Jahren zu einem Gastspiel an die Wiener Burg geladen, gab
- [Nachdruck verboten.]
man ihr schon im voraus den wohlgemeinten Rat, dem Rufe bei Lebzeiten der
Wolter überhaupt nicht zu folgen, in jedem Falle aber die Medea aus dem
Reisekoffer herauszulassen. An eine erste Wolterrolle dürfe niemand anders
sich wagen, sollte nicht von vornherein ein Schiffbruch beschlossene Sache
sein. Im Vertrauen auf ihre Jugend, ihre Kunst,
auf ihre Erfolge gerade in der Rolle der Medea,
schlug Rosa Poppe die Warnungen in den Wind.
Bald aber sollte sie schaudernd selbst erfahren,
dass ihre Warner nur allzu Recht gehabt, und mit
den Alten der Burg nicht gut Kirschen essen sei.
Heut haben wir keine grosse Wolter mehr, die den
Tragödinnen den Weg zur Burg verlegt, dennoch
bleibt für manches Fach die Warnungstafel aufge-
richtet: „Voi che entrate, lasciate ogni speranza“.
Rosa Poppe mag die Enttäuschung schmerzlich
berührt haben, der fruchtlose Kampf mag ihr schwer
angekommen sein, sie hat ihn überwunden, aber
wie jeder ehrliche, niemals rastende Künstler hat
Rosa Poppe auch heute noch Stunden der Entmuti-
gung, der Enttäuschung, der Erbitterung gegen all
das unliebsame Beiwerk, das unzertrennlich von
dieser persönlichsten aller Künste ist und bleibt.
Trotz aller Erfolge steigen oft heisse Wünsche
in ihr auf, der Bühne zu entsagen, in einem fried-
lich schönen Privatleben unterzutauchen. Aber
diese Wünsche kommen für kurze Zeit, und schei-
den für lange wieder, und jedes Mal, wenn der
schönen Künstlerin ein persönliches Glück geboten
wird, weist sie es ohne Besinnen von sich, da in
jedem einzelnen Falle das Aufgeben ihres Künstler-
tums auf dem Spiel steht. Liebe, Ehe und echte
Kunstübung können nun einmal keinen gedeihlichen
Pakt schliessen. Die eine ist die geborene Feindin
der anderen, die eine hemmt die andere, aber sie
fördert sie nicht, wie viel Sophistereien man über
diesen Punkt auch zum besten geben mag. Das
als „Sappho". Glück der Liebe und Ehe kann nur mit der Be-
schränkung oder dem vollen Aufgeben der künstlerischen Existenz des Weibes
erkauft werden, das volle Sichausleben der Künstlerin, nur mit dem Glück der
Liebe. Tausende von Versuchen das Gegenteil zu beweisen, werden angestellt,
beinahe alle enden sie mit dem gleichen Resultat.
Zu den wenigen Frauen, die sich dieses Umstandes ohne jede beschönigende
Illusion, ohne ihn zuvor erst an sich selbst erprobt zu haben, voll bewusst sind, ge-
hört Rosa Poppe. Ihr Temperament mag ihr so manchen Lebenskampf nicht eben
leicht gemacht haben, noch leicht machen, ihr künstlerischer Ernst aber hat sie bis-
her alle Klippen umschiffen lassen, die ihre Künstlerschaft mit Gefahr bedrohten.
Bis heute ist sie dem Eide treu geblieben, den sie auf ihre Fahne schwur: Gar-
nicht oder Ganz. Was morgen sein wird? „Nichts verschwöre der Mensch.“ D. D.
f-. 2ick-2dc/(. -Sä!
D rei Perlen der kunstgewerblichen Abteilung
der Pariser Weltausstellung führen wir heute im
Bilde unseren Lesern vor Augen. Sie entstammen
drei verschiedenen Ländern und drei verschiedenen
Gruppen, und wer sich bemüht, sie auf dem Riesen-
terrain. der Ausstellung aufzusuchen, der muss den
ganzen Raum von der Invaliden-Esplanade bis zum
Marsfeld durchmessen. In der deutschen Kunst-
gewerbehalle ist die entzückende Schöpfung des Nürn-
berger Bildhauers Oppel, die Porzellanvase mit dem
lüsternen Faun und der träumenden Nymphe zur Auf-
stellung gelangt, gemeinsam mit anderen Prachtstücken
der bayerischen Industrie. Im vierten Bande des beim
Deutschen Verlagshause Bong & Co., Berlin, erschienenen
Prachtwerkes: Hans Kraemer, „Das XIX. Jahrhundert
in Wort und Bild“ findet sich übrigens eine hochinter-
essante Zusammenstellung der von den Deutschen
kunstgewerblichen Gegenstände. Der in Linien und
Farben durchaus modern gehaltene Frauenkopf aus Fayence, das originelle
Petschaft, das eine Zierde jedes Damenschreibtisches bilden wird, wird im
offiziellen Repräsentationsgebäude der italienischen Regierung auf dem Quai
d’Orsay von der Firma Salvini zum Verkauf gestellt. Das dritte Stück endlich,
Modernes Petschaft von der
Pariser Weltausstellung 1900.
in Paris ausgestellten
die entzückend modellierte Pariser Medaille von Daniel-Dupuv, bildet einen
Teil der imposanten Ausstellung der berühmtesten staatlichen Prägeanstalt,
der französischen Staats-
münze, die das Verdienst
für sich in Anspruch
nehmen kann, für die
Modelle zur Ausprägung
aller Geldsorten, die
ersten zeitgenössischen
Meister der Plastik heran-
gezogen und damit in
grösstem Maassstabe ver-
edelnd auf den Geschmack
der Menge eingewirkt zu
haben. Zeugen der Blüte
des modernen Kunst-
gewerbes sind sicherlich
alle drei Schaustücke. K.
Der grosse Elefant
des Barnum - Bailey-
schen Riesen-Cirkus
E. Thiel: Auf den Zähnen des Elefanten.
Aus dem Barnum-Baileyschen Cirkus.