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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 15.1902

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Stiehler, Arthur: Weihnachts-Stimmungen: Plauderei
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https://doi.org/10.11588/diglit.22227#0182

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73

MODERNE KUNST.

Plauderei von Arthur Stiehlert

Illustration von E. Cucuel.

[Nachdruck verboten.]

freuc^eY°^e Weihnachtszeit! Da senkst dich wieder auf Stadt
und Land herab! Nun strahlt dein Licht! Nun flimmert dein
Glanz! Verzaubert wie im Märchen liegt die Stadt!

Wohl hastet auch heute AU und Jung über Plätze und Strassen, wohl
geizt auch jetzt jeder mit seiner Zeit, drängt alles durcheinander, wogt
die Menge auf und ab, aus und ein wie sonst - aber es leuchtet ein
heimlicher Zauber aus den Augen, es huscht ein leiser verklärender
Schein hehrer Freude über das Antlitz: zur fröhlichen seligen Weih- A.
nachtszeit kaufen wir nicht ein, um selbst zu gewinnen, o nein: wir jpf.
wollen unsern Lieben Freude und Ueberraschung bereiten;

MODERNE KUNST.

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Pakete sehen §dll,‘ die* sie heimbringt. „Wie hübsch sie ge-
worden ist *— acli und sie weiss es ja''noch garnicht, dass ihr
geliebter Assessor bei Papa um ihre. Hand angehalten hat —
erst am heiligen Abend soll sie es erfahren.“ — — — — —
„Sieh da, dort wandelst auch du, poesieumflosscncr, stets
willkommener . Geldbriefträger.' Was wäre Weihnachten ohne
dich! du mammonspendender Böte sorgender Väter, splendider Chefs,
freundlicher Onkel und Tanten! Bist du doch die Hauptgestalt in allen
Studenten- und Leutnantsträumen! Sei doppelt gegrüsst mit lichtum-
flossenem Grusse am Feste der Freude!" — — — — — — — — — —
Immer neue Gestalten ziehen vorüber — die Köchin drüben von
Justizrats, „richtig ne Janz“ hat sie noch erwischt — o ein Karpfen
schwankt ihr im Netze und was sonst noch ihr Korb birgt? Nicht zu
sagen — aber gut davon zu essen, Mit dem Burschen vom Herrn Ober-
Leutnant drüben verträgt sie sich sonst nicht; aber heute, da es auf
Weihnachten geht, sieht sie ihn mit ganz andern Augen an. ,,Es ist doch
’n höllisch strammer Kerl, der Justaff, und wenn er wieder ans gnädige
Fräulein, was bringt vom Herrn Ober soll er . mal rinn in die Küche !
Der Mann muss mit seine Zunge1 probieren, dass ne Köchin von ne feine
Familie zu die Jaumenkünstlerinnen jerechnet wird!“

Wie fremd erschien uns noch gestern die junge Frau, der wir be-
gegneten und heute, da sie mit dem Christbäumchen auf der Achsel nach
Hause kommt, — ist es doch als wären wir alte Bekannte! Das Tannen-
grün erscheint uns als Symbol der Zugehörigkeit zu einer grossen Familie.

Und wer kann all den Weihnachtsjubel ausdenken, der das Kinder-
gemüt erfüllt — die schauernde Erwartungsfreude, die fröhliche Neugier!

Wo könnte das Licht der Christnachtkerzen heller wiederscheinen
als im Spiegel der Unschuld, im klaren Kinderauge, das keine Sorge ver-
schleiert, kein wilder Gedanke trübt!

Selig sind, die mit dem Grau des Alters auf dem' Haupte noch ebenso
innig einstimmen können in das alte herzige Liedchen von der fröhlichen,
seligen, gnadenbringenden Weihnachtszeit!

Und je härter der Kampf im Leben wird, je realer die Pflicht des
Tages auf die Menschen losstürmt, umsomehr werden sie sich freuen auf
die hehren Tage seliger Weibnachtsfreude, auf die stille, heilige Nacht.

deine
gels-Bot-
schaft vom
Frieden auf Erden und
vom Wohlgefallen, das
allen Menschen zu teil werden soll.
Dort wandelt sie an uns vorüber, die
lange Reihe der Weihnachtskäufer. Der
Herr Papa, der sonst nicht gern das
kleinste Paketchen trägt, heut machts
ihm gar nichts, mit dem Schaukelpferde
unterm Arme nach Hause zu kommen.
Wenn sein bausbackiger Bubi am heiligen
Abend nicht auf dem Braunen schaukelte,
würde ihm vielleicht das ganze Fest verdorben sein.

„Ach schicken Sie mir doch zum Feste einen Ihrer Baum-
kuchen — aber bitte von den besten“ hatte die Frau Rc-
gicrungsrat ins Telephon gerufen. - Da ist er schon auf dem
Wege, der Austräger des Hofmundbäckers — sein Kuchen
duftet und sein Gewand konkurriert erfolgreich mit dem
blendenden Weiss des frischgefallenen Weihnachtsschnees.

„Aber Mama, warum fragst Du nur immer so genau,
wohin ich gehe? Du bist ja die beste, liebste Mama auf der
Welt, aber jetzt um Weihnachten darfst Du nicht immer so
genau fragen.“ Lächelnd schaut Mama ihrer Acltcsten nach
und lächelnd wird beobachtet, wie schnell sie bei der Rück-
kehr in ihrem Zimmer verschwindet, damit niemand die vielen
 
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