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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 15.1902

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Bliß, Paul: Die Rotbunte: Humoreske
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https://doi.org/10.11588/diglit.22227#0253

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118

ofßunfe.

IG

Humoreske von Paul Bliss.

ommerzienrat Rebus hatte Geburtstag. Und der Maler Wolfram war
einigermaassen in Verlegenheit, was er dem Herrn Kommerzienrat zum
Geburtstag schenken sollte; zwar würde man kaum auf eine Gabe von
ihm rechnen, das wusste der junge Maler, denn es war ja offenes Geheimnis,
dass er stets in Geldverlegenheit war, — dennoch aber fühlte Wolfram die
Pflicht, etwas zu schenken; er ging nun nahezu ein Jahr bei Rebus aus und ein,
wurde zu allen Festen geladen und bei jedem grösseren Arrangement mit zu
Rate gezogen, und ausserdem verdankte er dem Kommerzienrat auch noch
viele kleine und sogar grössere Ge-
fälligkeiten, so dass er nun wirklich
ein inneres Bedürfnis fühlte, seinem
Gönner eine unerwartete Freude zu
bereiten.

Aber womit? Kosten durfte es
natürlich nicht viel, am liebsten gar
nichts. Er sann und sann, aber er
fand nichts Passendes. Endlich durch-
stöberte er den Vorrat seiner unver-
kauften Bilder und da fand er denn
ganz zu unterst eine Leinewand, die
ihm eine seiner liebsten Arbeiten war
und die auch zweifellos als eins seiner
besten Bilder gelten konnte. Es war
eine rotbunte Kuh auf saftig grüner
Wiese, mit einem ganz hellblauen
Himmel im Hintergrund. Dies Bild
hatte er vor einem Jahre ausgestellt,
die Kritik hatte es einstimmig gelobt
und trotzdem hatte sich kein Käufer
dafür gefunden; nun stand es im
Atelier und „schimmelte“.

Dies, sein Lieblingsbild, seine
„Rotbunte“, wie er es benannt hatte,
wollte er dem Kommerzienrat zum
Geburtstage bescheren.

Er wischte es sorgfältig ab,
reinigte den Rahmen mit Tuch und
Bürste, nahm es, stieg in eine Droschke
zweiter Güte und fuhr zu seinem
Gönner.

Herr Kommerzienrat Rebus, als
er das unerwartete Angebinde sah,
war äusserst erstaunt darüber, machte
aber ein freundliches Gesicht und
sagte mit verbindlichem Hände-
druck: „Sehr hübsch, lieber Wolfram!
wirklich sehr fein! und reizend
von Ihnen, dass Sie an mich gedacht
haben!“

Als aber das kommerzienrätliche
Ehepaar allein war, sah Rebus seine
Frau an und fragte: „Nun ist Dir
schon so was vorgekommen? Mir
so’ne Kuh zu schenken! als ob ich ein Viehhändler wäre! ganz unglaublich, wie?“

Madame zuckte die Schultern und meinte leichthin: „Stell’s doch auf’n
Boden.“

„Ich werd’ mich wohl genieren, was! an die Wand kommt’s gewiss nicht!“
dabei schob er das unglückliche Bild in die Ecke und richtete seine Aufmerk-
samkeit auf die anderen wertvolleren Geschenke.

Als am Abend des Geburtstagsfestes der Maler nach seinem Bilde suchte,
war er enttäuscht, denn er fand es nirgends hängen.

Dagegen sagte die Frau des Hauses zu ihm mit nicht misszuverstehendem
Lächeln: „Sie haben ganz entschiedenes Talent als Tiermaler, bester Herr
Wolfram, sie sollten doch mal ein Plakat für irgend so’ne Tierschau oder Mast-
viehausstellung machen.“

Darauf replizierte der Maler schlagfertig: „Verbindlichsten Dank, gnädige
Frau! Sie haben in solchen Dingen ja auch so ein scharfes und maassgebendes
Urteil.“

Und da klappte die Gnädige ihr langgestieltes Lorgnon ziemlich ungnädig
zu, und liess ihn stehen.

Von dem Tage an gab der Maler Wolfram seinen Verkehr auf beim Herrn
Kommerzienrat Rebus.

Das Kneipzimmer im Dessauer Künstlerhause.

Ungefähr ein Vierteljahr später hatte der Akademieprofessor August
von Sperner Geburtstag.

Rebus war ein Bekannter des Professors, und um ihm eine Freude zu machen,
packte er die „Rotbunte“, nachdem sie vorher peinlich gereinigt war vom Staub
des Bodens, ein und sandte sie seinem professorliehen Freunde mit den besten
Grüssen und Gratulationen zu.

„Gott sei Dank, dass wir den Schmarren los sind!“ meinte Madame
Rebus, „er stand mir auch stets im Wege da oben.“

Der Herr Gemahl aber sagte mit
pfiffigem Lächeln: „Und ich bin billig
zu einem Geschenk gekommen.“

Als Herr Professor August von
Sperner das Angebinde seines
Freundes sah, fing er dermaassen
an zu fluchen, dass seine Angehörigen
ausser sich waren.

„Aber Mann! Mann! ich bitte
Dich!“ bat seine Gattin.

„Herrgottsdonnerwetter ja! es ist
doch wahr!“ eiferte der wütende alte
Herr weiter, „wie kann sich denn der
Protz erlauben, mir so einen elenden
Schinken zu versetzen!“

Der Herr Professor war nämlich
ein enragierter Feind der sogenannten
„neuen Schule“.

„Der Lump, der elende, muss
doch wissen, dass ich diese neu-
modischen Schmierereien nicht aus-
stehen kann! das sieht ja aus wie
’ne Beleidigung! — Aber von heute
ab wird der Verkehr mit diesem Geld-
protzen abgebrochen! das bitte ich
mir aus, verstanden! — So, und nun
schafft mir das Mistzeug da aus
den Augen, aber so, dass ich es nie
wiedersehe!“

Und von Stund’ an ruhte die
„Rotbunte“ wieder in stiller dunkler
Bodenkammer.

Als der Winter da war, begann
die Zeit der Bazare und Wohlthätig-
keitslotterien; und da werden denn
bekanntlich die Herren Künstler von
allen Seiten um Spenden ersucht.

So erging auch an den Herrn
Professor die Bitte, dass er dem
grossen Bazar für den Frauenverein
einige von seinen Skizzen oder Zeich-
nungen spenden möge.

Wütend gab der alte Herr ein
paar Blätter heraus, die an den Vor-
stand geschickt werden sollten; Frau
Professor aber benutzte diese Gelegenheit, das missliebige Bild los zu werden,
und schickte auch die ,jRotbunte“ mit auf den Bazar, ohne dass der Gatte
etwas davon erfuhr.

So hing also vierzehn Tage später das viel geschmähte Bild in den Räumen
des Kultusministeriums, in denen der grosse Bazar abgehalten wurde.

Ein elegantes Publikum drängte sich in den Sälen, — denn es gehört ja zum
guten Ton, dass sich alles, was zur „Gesellschaft“ zählt, an diesem Tage hier
sehen lässt, — man zahlt seinen Obolus beim Eintritt, kauft ein paar Nichtigkeiten,
zahlt enorme Preise dafür, und so hat man der Wohlthätigkeit Genüge gethan.

, Natürlich fehlten auch Herr und Frau Kommerzienrat Rebus nicht bei dieser
Toilettenentfaltung.

Als die Gnädige so musternd durch die Säle ging, bemerkte sie an der einen
Wand auch die „Rotbunte“. Sie lächelte, stiess ihren Gatten an, und deutete
auf das Bild.

Und Rebus hielt sich schnell das Tuch vor den Mund, um nicht laut los.
zu lachen.

Natürlich fand sich kein Käufer für das Bild. Deshalb kam es in die-
Lotterie, und wurde sogar einer von den Hauptgewinnen.

Der glückliche Gewinner war ein junger Buchhalter.
 
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