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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 15.1902

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Happrich, Victor: Vom Ballett
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https://doi.org/10.11588/diglit.22227#0296

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Von Victor Happrich.

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ine bunte, wundersame Welt, welcher unsere
qj juiuer entnommen sind, bewohnt von einer eigenen
Klasse von Menschenkindern, dem Corps de Ballett. Damit
ist eigentlich alles gesagt, denn genau schildern lässt sie sich
kaum, diese Welt des Scheines und des Flitters, deren fröh-
liche heitere Bewohner sich die Sorgen dieser Erde wegzu-
tanzen pflegen, und denen Kummer und Gram nicht länger
währt, als der Hauch des Windes. Wohl manchem Künstler
ist es gelungen, die interessanten Gestalten, sowohl im
Probierkostüm als auch im Trikot, festzuhalten, und, wie
unsere Bilder zeigen, in klassischen „Attitüden“ und „Ara-
besken“ darzustellen, indessen ist es eigentlich noch keinem Schrift-
steller geglückt, das Corps de Ballett vom Theater und Cirkus ganz
richtig mit allen Schminken und allem Puder zu schildern; er
sei denn selbst auch gleichzeitig Ballettmeister gewesen, wie z. B.
der geniale August Siems, der, ehemals Hofballettmeister an dem
Darmstädter lloftheater, seine hochinteressanten Erfahrungen auch
litterarisch zu verwerten gewusst hat. Sorglosigkeit, leichter Sinn
und wirkliche Passion für den Tanz sind die Eigenschaften, welche
der Psychologe wohl bei jeder Tänzerin finden dürfte, jenes
Gemisch von Eitelkeit und kindlichem Frohsinn, welche häufig mit
einer gehörigen Dosis Ehrgeiz verbunden sind. Dabei ist die
Schule, welche die Jüngerinnen der leichtgeschürzten Muse
zu durchlaufen haben, keine leichte, mühelose. Im Probiersaal
ziehen sich eiserne Stangen an den Wänden entlang; sie sind


notwendig, denn sie dienen den Händen als Haltepunkt beim h
Drehen und Biegen des Rumpfes und Kopfes, beim Strecken '
und Heben der Beine, welche ja beim Ballet die Sprache
bedeuten. Ist doch das ganze Ballett nichts weiter als ein
getanztes Drama, dessen Inhalt den Ausdruck sinnlicher
Gefühle bildet. Meist sind es lyrische, idyllische und histo-
rische Stoffe, welche den Gegenstand der Handlung bilden,
sind doch die Anfänge des Balletts in den pantomimischen
Opfertänzen des klassischen Altertums, ja selbst in den
Kriegstänzen uncivilisierter Menschen zu suchen. Unser
modernes Ballett natürlich ist spezifisch italienischen Ur-
sprungs; es entstand im 16. Jahrhundert an den italienischen
Fürstenhöfen und kam von Italien nach Frankreich, wo eine neue
französische Schule begründet wurde. Noch heute unterscheidet
man eine italienische und französische Schule, allerdings sind fast
alle Ballettmeister der heutigen Generation, welche sich einen
Namen gemacht haben, wie z. B. Saracco, Massani, Pratesi,
Mazzantini, Severini u. s. w., Italiener von Geburt, welche meistens
an der Scala in Mailand ihre Studien gemacht haben. Mailand
ist auch heute noch als die Wiege des modernen Balletts anzu-
sehen. Natürlich ist der französische Einfluss nicht zu verkennen,
denn die Pariser Oper ist, gleich dem Petersburger Ballett, seit
langen Jahren als eine Kunststätte anzusehen, an welcher dem
Ballet eine besondere Pflege zu teil wird. Welcher Beliebt-
heit sich das Ballett besonders in früherer Zeit erfreute, ist

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