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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 15.1902

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Freiberg, Günther: Unvorsichtig: Humoreske
DOI Artikel:
Heigel, Karl von: Brummells Glück und Ende, [5]: Roman
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https://doi.org/10.11588/diglit.22227#0574

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268

MODERNE KUNST.

Maritschel war längst in hysterisches Weinen ausgebrochen: „Mein Mann
wird sich von mir scheiden lassen, es wird einen Skandalprozess geben,
in allen Zeitungen wird’s stehen! Und Du wirst quittieren müssen! Besser
ist’s ich stürz mich hinunter! lieber den Hals brechen, als d’ Schand!“
Er hielt sie fest umklammert, sie aber krazte ihn, stiess ihn von sich,
warf es ihm bitter vor, sie zum Unrecht verleitet zu haben. Sie hasste ihn.

Dabei ward es nach Mitternacht empfindlich kalt. Unten erlosch die
feenhafte Illumination ... Es schien dem Leutnant,, als betete Marie
unter unaufhaltsamen Thränen. *— — — — — — — — — — —

Nun kam die Feuerwehr und hielt Sprungtücher in Bereitschaft.
Aber weder das verwirrte Pärchen, noch die vereinzelten Insassen der
übrigen Waggons entschlossen sich, Gebrauch davon zu machen. Und
widerum Hoffen und Harren . . Endlich gegen drei Uhr morgens, machte
sich ein Ruck fühlbar und — es ging zur ebenen Erde leise hinab.

Todesangst in den Herzen traten die jungen Leutchen den langen
Rückweg nach der Josefstadt an . . . nirgends eine Nachtdroschke!

„Dazu das Pech,“ grollte Jaromir, dem Marie wie Blei am Arme

hing, „dass man in diesem blödsinnigen Wien keinen Hausschlüssel hat,
sondern dem Flegel, dem Hausmeister, preisgegeben ist!“

„Na ja, das ist’s eben,“ fiel die frostzitternde Cousine ein . . . „Nun
bleib’ da an der Ecke zurück, dass keiner Dich sieht. Gott, die Mutter
hat sich aus Angst vielleicht schon das Leben genommen! — Geh' nach
einer Weile am Hause vorüber, weisst? Ist Edi daheim, so bin ich ver-
loren. Siehst Du mich aber am Fenster winken —“ Sie konnte vor Er-
regung nicht weiter und riss sich los.

Das Hausthor öffnete sich und verschlang die halb Ohnmächtige. Für
den verzweifelten Jaromir folgten sechs bis acht höllenbange Minuten.
„Ob Edi hinter den geschlossenen Läden mein armes Herzei erwürgt?!“
Da — himmlische Musik — klirrt ein Fenster und ein Zettelchen
fliegt herab. Mit bebenden Pulsen liest der bestrafte Unvorsichtige beim
Schein seiner angezündeten Cigarre:

„Mutter in Krämpfen, sonst alles gut. Edi telegraphierte, dass er
zwei Tage länger ausbleibt. Wir erwarten Dich morgen punkt ein
Uhr zu Tische, lieber Lumpazi.“-„Hurrahü“ — —‘— — - —

-3~-S=~

Roman von Karl von Heigel.

[Fortsetzung.]

ich bin ausser mir“, sagte Lady Perceval zu ihrem Besuch, Lord Towns-
hend, aber sie sagte es sehr frostig und gelassen. „Louisa nimmt von
meinem ,Entweder — oder1 das ,Oder‘ an, ja, sie besteht auf schnellster Abreise
nach Italien. Und nun muss ich wohl oder übel meine Drohung wahrmachen.

[Nachdruck verboten.]

Wie unangenehm! Im Süden ist es schon sehr heiss und das Leben in Gast-
höfen mir jederzeit verhasst. Ich hatte schon als Kind einen Widerwillen
gegen weite Reisen.“

Das Herz that dem Manne zum Brechen weh, obwohl er so gelassen wie
die Dame schien. „Das heisst also, Lady Louisa
weist mich ab?!“

„Das sage ich nicht, das glaub' ich nicht, aber —
Ich stehe vor einem Rätsel. Seit einigen Tagen ist
Louisa einsilbig, tief traurig. Ich fürchte, dass sie
an Schlaflosigkeit leidet. Ein junges Mädchen, ich
bitte Sie!“

Lord Townshend drehte verlegen seinen Hut.
„Vielleicht — vielleicht hat Lady Louisa eine heim-
liche Neigung.“

„Louisa ist zu aufrichtig, zu — Sie kennen sie
ja — zu freisinnig, um mir ihre Wahl zu verschweigen.
Dennoch — Wir Mütter sind zu beklagen. Wir hüten
unsere Kinder als unsern besten Schatz. Sie wachsen
auf, und von Tag zu Tag entdecken wir, dass uns
geheimnisvolle, aber unüberwindliche Einflüsse ent-
gegenarbeiten. Die Mädchen sind lieb und gut, den-
noch so anders, als wir gehofft hatten. Sie sind
nicht mehr unser, lange bevor sie uns verlassen.“
Eine Pause trat ein. Dann sagte Lady Perceval so
kühl wie immer: „Etwas geht in Louisa vor . . .
sie wünscht mit Ihnen zu sprechen, unter vier
Augen .... Ich werde sie rufen.“

„Wünscht mich zu sehen! will mit mir sprechen!
Es ist keine gute Vorbedeutung, dass mich diese
Nachricht erschreckt!“

„Wie kann ein Mann wie Sie mutlos sein! Sie
besitzen alle Eigenschaften um das beste Mädchen
sowohl zu bestechen wie zu verdienen.“

„Ach, Mylady, mit solchen Händen, solchem
Fuss besticht man keine junge Dame.“

„Sie sind ein Riese. Wollen Sie die Hände und
Füsse eines Zwergs? Und dann, Louisa hasst das
Dandytum. Schon dass Sie kein Stutzer sind, wie
der junge Adelige in der Regel, rechnet Ihnen Louisa
hoch an. Am Ende war ihr sonderbares Benehmen
nur die Unruhe vor dieser Unterredung . . , Zer-
brechen wir uns nicht den Kopf! In zwei Minuten
ist Louisa hier.“

Der „Riese“ war zum ersten Mal in seinem
Leben nervös. Was wird er hören? Die Reden der
Mutter sollten ihn auf einen schlimmen Ausgang
vorbereiten. Louisa will England verlassen, um den
unbequemen Freier loszuwerden.

So ist es. Ach, die Ungewissheit war eine
Folter, doch gegen die bittere Wahrheit war sie
süss. Du hast dir ein langes Leben an der Seite

Ferdinand Keller: Landschaft mit Centaur.
 
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