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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 15.1902

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Heigel, Karl von: Brummells Glück und Ende, [8]: Roman
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3J3

Äpammells Älück und finde.

Roman von Karl von Heigel.

J. Vierthaler: Mädchenstatuette.

[Fortsetzung.]

g(Äch verlor meinen französischen Koch
Qp nicht gern,“ meinte Brummell, „doch
schon im Herbst hoffe ich Ihnen — nein,
auf die Hoffnung, Sie bei mir wiederzu-
sehen, muss ich ja verzichten. Und die
guten Freunde sind beinahe so selten
wie die guten Köche. Ich begreife recht
wohl — die Ungnade des Prinzregenten
wäre für Sie ein härterer Schlag als
für mich.“

„Das will ich nicht sagen,“ entgegnote
Tickeil, „doch mein angeborener Takt,
mein Zartgefühl —“

„Kein Wort weiter! wir scheiden
als die Alten, im Herzen die Alten!“
„Mein teurer Brummell!“

„Mein teuerster Tickell!“

Schuft! knirschte der Beau hinter
dem scheidenden Kameraden. Mit ver-
düsterter Stirn ging er im Zimmer auf
und ab, bis sein Kammerdiener zurück-
kam. „Wo ist der Pudel?“

„In meinem Zimmer eingesperrt.
Soll ich ihn herauslassen?“

„Ja — Nein! — das arme Vieh! Ich
habe Ihr Wort, Robinson: Sie bringen
Wiek morgen zur Wilson. Sie wird ihm
eine gute Herrin sein.“

„Ich glaube auch.“

„Und morgen mittag, Punkt zwölf,
keine Minute früher, begeben Sie sich zu
meinem Rechtsanwalt. Er hat bis dahin
die Schlüssel, meine Aufträge — er wird Ihnen alles Nötige sagen. Die Koffer?“

„Das Gepäck des gnädigen Herrn ist bereits bei Kapitän Ogilvies Hauswirtin.“

„Sobald es dunkel geworden, gehen Sie hin und erwarten dort die Ankunft
des Wagens.“

„Werde ich den gnädigen Herrn noch einmal sehen?“

„Ich weiss nicht — O mein guter Robinson, ich schenke Ihnen unbegrenztes
Vertrauen. Es thut mir leid, Sie zu verlieren. Wenn ich noch reich, noch in
der Lage wäre —“

„O, gnädiger Herr,“ versetzte der Diener gelassen, „meinethalben machen
Sie sich keine Sorgen!“

„Haben Sie schon eine andere Stelle im Auge?“

„Nein, Herr, ich will mich gründlich verändern. Meine kleinen Ersparnisse
reichen gerade hin, um eine bescheidene Speisewirtschaft zu eröffnen. Die Er-
fahrungen, die ich bei Ihnen gesammelt, der Ruf, den ich als Kammerdiener
eines so berühmten Mannes erworben —“ Er rieb sich schmunzelnd die Hände.
„Ich denke, es wird sich machen.“

„Ich gratuliere im voraus. Doch, mein lieber Robinson, ich mein’ es gut
mit Ihnen, folgen Sie meinem Rat: Bedienen Sie Ihre zukünftigen Gäste nach
bestem Gewissen, aber geben Sie ihnen niemals Kredit!“

Der Bediente verneigte sich: „Nach den Erfahrungen, die ich bei dem
gnädigen Herrn gesammelt —“ Er hob die Schwurfinger hoch: „Nichts ohne
bare Bezahlung! .... Ist noch Zeit, um die Tafel abzuräumen?“

„Sind die Leute aus der Goldenen Schüssel schon fort?“

„Ich habe sie sofort, als der Nachtisch aufgetragen war, heimgeschickt.
Das spioniert und stiehlt.“

„Wohlgethan, mein lieber Robinson! Doch warum sollen Sie sich bemühen?
Mag alles so bleiben. Morgen kommen die Geier .... Sehen Sie nach Wiek!
Wenn ich Sie nötig habe, werde ich klingeln.“

Brummell begab sich in sein Wohnzimmer. Nie war ihm sein Heim so
traut, so schön erschienen wie an diesem Tage, da er es mit allem, was es
barg, für immer verlassen wollte. Er blickte umher, auf die Möbel, auf die
hundert kostbaren oder doch zierlichen Dinge, bis er alles nur noch durch einen
Flor sah — er hatte wahrhaftig Thränen in den Augen. Bist ein rechter Narr,
schalt er sich; wenn Anna Wort hält, kann ich das alles viel schöner haben.

Auf dem Schreibtisch war einige Unordnung, Stammbücher, Rechnungen,
Einladungen und Mahnbriefe lagen durcheinander. Brummell brachte die Papiere
in musterhafte Ordnung, legte die bezahlten Rechnungen in die Schieblade rechts,
die unbezahlten in die Schieblade links. Dabei stellte er die Betrachtungen
aller verkrachten Verschwender an: Die teuren Lieferanten und Wucherer, die
Spielverluste, das plötzliche Sinken seines Kredits infolge der allerhöchsten

[Nachdruck verboten.]

Ungnade sind an seinem Unglück schuld. Er will nicht seinen Gläubigern,
sondern dem Skandal entfliehen. Und alle diese Dinge, sagte er mit einem
Blick auf die Einrichtung — alle diese grossen und kleinen Dinge haben durch
ihren alten Besitzer George Bryan Brummell einen Affektionswert. . . . Die
Folge gab ihm darin Recht. . . . Ausserdem bin ich mir selbst der Nächste.

Ich kehre als Phönix zurück, ermunterte er sich. London, die Klubs und
mein armer Pudel Wiek werden mich wiederhaben! Beim Pudel dachte er an
die Gelassenheit Mr. Robinsons. Sicherlich wird der Pudel schmerzlicher den
Herrn vermissen. Mit seinen kleinen Ersparnissen, sagen wir, mit seinem Raube
und mit dem Namen Brummell wird Robinson nun wuchern und ein reicher
Mann werden — wenn er es nicht schon ist. Dass die Diener mit dem ver-
armten Herrn das Sorgenbrod teilen, kommt ja vor, doch meistens nur in der
Dichtung. Und warum sollten sie?

Ebenso kühl und als Weltmann beantwortete sich Brummell die Frage, ob
sich die Freunde bewähren würden. Die einen, ja; andre, nein.

Ogilvie und Cardcross zeigen sich sehr gefällig. Cardcross würde wahr-
scheinlich mehr als Pferde und Wagen borgen. Doch noch ist der Beau ver-
schämt, und Cardcross benimmt sich wirklich nett. Es ist zwar auch Sentimen-
talität, doch im Andenken der Freunde wünscht er sich reinlich.

Zuletzt schrieb er auf das feinste Papier, mit der zierlichsten Schrift seinem
Rechtsanwalt — —

„mit Brummell will sich’s neigen.

Wem man nicht traut, der kann nie wieder steigen.“

Kurz vor Sonnenuntergang wandelten Brummell und Cardcross Arm in
Arm im dichten Schwarm in Iiyde-Park.

„Ihr Aussehen verrät Sie nicht,“ sagte Cardcross. „Heute mittag war ich
besorgt. Sie sahen nicht so

frisch und schneidig aus wie
sonst, sondern — ich will nicht
sagen, gedrückt, aber —“

„Gealtert, gealtert! Wie ich
mirs vor dem Spiegel selbst
gesagt. Pfui Teufel! Geschwind
nahm ich ein kaltes Bad. Das
that mir gut.“

Cardcross sah nach dem
Himmel. „Wenigstens haben
Sie schönes Reisewetter. Und
wenn Sie mein Fuhrwerk bis
Dover brauchen wollen, immer-
zu ! Ich schicke Ihnen die Leute
in unsrer Livree und die Staats-
kutsche mit dem metergrossen
Wappen. Da sitzen Sie so sicher
drin wie meines Vaters einziger
Sohn, denn zufällig bin ich zur
Zeit ohne Manichäer. Ja, und
was ich noch sagen wollte —
Sie wissen, ich bin nicht so
reich wie ich’s verdiente, doch —
Sind Ihre Barmittel genügend?“
Brummells Augen strahlten.
„Mein lieber Cardcross, wer so
verständig fragt, verdient —“

In diesem Augenblick ge-
riet der Zug ins Stocken. Card-
cross drückte den Arm des
Freundes und sagte: „Wales!“
Der Prinzregent in Beglei-
tung Lord Alvanleys kam ihnen
entgegen. Sobald er den Beau
bemerkte, drehte er mit einer
hochmütigen Miene den Kopf
nach rechts, obwohl er sah,
dass beide — Cardcross und
Brummell — Stillständen und
den Hut zogen. Da kehrte der
Beau sich um und sagte so laut,
dass der Prinz es noch hören
musste: „Cardcross, wer ist der
Dicke, der mit Alvanley geht?“

J. Vierthaler: Tänzerin.

XV. 79.
 
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