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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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MODERNE KUNST.

Wilhelm von Humboldt
Pathe gestanden, war ge-
fallen auf ihn, der sieben
lange Jahre — von 1797 bis
1804 — als Kammerdiener
im persönlichen Dienst der
Königin gestanden und in-
zwischen erfreuliche Proben
seines künstlerischen Ver-
mögens abgelegt hatte.
Schon im Jahre 1804 war
es ihm vergönnt gewesen,
eine Büste seiner hohen
Gebieterin nach dem Leben
zu schaffen, und in Rom
hatte er eine neue in großen
Dimensionen modelliert, die
er nach der Kunde vom Ab-
leben der Königin sofort in
Marmor ausführte, um sie
dem König zu senden. So war Rauch nächst Schadow wohl der berufenste
Künstler zur Lösung der gestellten Aufgabe. Des Meisters Hand hat auch die
Totenmaske der Verewigten überarbeitet. Das Antlitz Verstorbener abzuformen,
um noch ein letztes getreues Abbild ihrer Züge zu gewinnen, ist ein ehr-
würdiger Brauch, der tief in die Jahrhunderte zurückreicht. Der Friede des Todes
wird durch solche mit höchster Sorgfalt
und Pietät ausgeführte Operation nicht ent-
weiht. Zwar wird die aus Gips und Wasser
gemengte Formmasse direkt auf das Antlitz
des Toten aufgetragen, aber sie hinterläßt
nach genügender Erhärtung beim Abheben
weder auf der Haut, noch an den leicht
eingefetteten Stirnhaaren die geringste Spur.
Auch für den Fall, daß die Ohren samt
ihren Unterschneidungen mitgeformt wer-
den sollen, ist Vorsorge getroffen, denn
zuvor legt der Former über das Profil des
Antlitzes der Länge nach einen Faden,
mittelst dessen er die aufgetragene Form-
masse, ehe sie völlig erhärtet ist, halbiert.
So gelingt es ihm trotz der Unterschnei-
dungen, die in zwei Teile zerlegte Maske
abzuheben und hernach ebenso leicht wieder
zusammenzufügen. Aus der Hohlform wird
ein Abguß in Gips oder Wachs, mithin ein
positives plastisches Bild genommen, das
sich, wie es Rauch getan hat, noch über-
arbeiten läßt, um etwa allzu herbe Spuren
des letzten Kampfes des Verstorbenen zu
beseitigen. Für den Künstler, der die Büste
eines Heimgegangenen mit lebenswahren
Zügen darzustellen hat, ist eine solche Toten-
maske von höchstem Wert. Auch Rauch
hat sich ihrer bedient. Das Hohenzollern-
Museum besitzt mehrere Abgüsse der Totenmaske der Königin Luise n- Friede
ruht auf ihnen, kein Schrecken des Todes. Auch befinden sich im Besitze des
Museums Totenmasken von anderen Mitgliedern des Hohenzollernhauses und von
hervorragenden Menschen, deren Namen der Geschichte angehören. Ergreifend
ist die Totenmaske Friedrichs des Großen. Sie wurde zwei Stunden nach dem
Tode des großen Königs vom Bildhauer Eckstein abgeformt und ist ausgezeichnet
gelungen. Napoleon ent-
führte sie nach Paris, Blü-
cher brachte sie zurück, und
Kaiser Wilhelm I. überwies
sie mit zahlreichen anderen
Andenken an Friedrich dem
Museum seines Hauses, von
wo sie sicherlich keine
fremde Gewalt mehr rauben
wird. B.
* *
X
AlteSiegel. Die Staats-
urkunden, Verträge, Pri-
vilegien, Diplome, Lehn-,
Adels- und Wappenbriefe
aus alter Zeit muten mit
dem monumentalen Charak-
ter des Pergaments, der
Schrift und der angehängten

Siegel sehr wichtig, ehr-
würdig und widerstands-
an. Die Siegel, ge-
schützt durch Kapseln von
Holz oder Metall, sind meist
noch so trefflich erhalten,
als ob sie eben erst unter
dem Stempel, dem Typar,
hervorgegangen seien. Juri-
sten und Historiker schenken
ihnen ihre Aufmerksamkeit,
bieten sie doch oft zum Text
der Urkunde wertvolle Er-
gänzungen. Überhaupt ist
die Sphragistik oder Siegel-
kunde eine wichtige Hilfs-
wissenschaft für Staats-,
für Rechts- und Familien-
geschichte. Für die Siegel-
stempel des Mittelalters, die
erheblich größer als die der Antike waren, ist Metall, Messing, Bronze oder
Silber benutzt worden. Sie wurden nach Modellen mit Sticheln und anderen
scharfen Instrumenten geschnitten, aber auch gegossen und in diesem Falle, wie
Cellini angibt, noch fein nachziseliert, dazu die Buchstaben der Inschriften mit
Stahlstempeln eingeschlagen. Manche besitzen wie die Münzen eine Avers- und
eine Reversseite und werden dann als
„Münzsiegel“ bezeichnet. Die Entwicklung
der Typare läßt sich an großen Wachs-
siegeln, von denen die ältesten dem elften
Jahrhundert angehören, genau verfolgen.
Sie spiegeln den Stil der romanischen und
gotischen Epoche und jener der Renaissance
getreulich wieder. Stark spielt in die Siegel
das Wappen wesen hinein. In den runden
Majestätssiegeln sind die Fürsten, wie das
prächtig als Münzsiegel gestaltete Kaiser
Maximilians II. für Ungarn (1564—1576) zeigt,
sitzend auf ihrem Thron mit Szepter, Krone
und Reichsapfel abgebildet, in den spitz-
ovalen geistlichen Siegeln die Bischöfe,
sitzend auf dem Faltstuhl, dem faldistolium,
mit Inful und Krummstab. Später tritt in
den Majestätssiegeln an die Stelle des fürst-
lichen Abbildes das Reichswappen. Solcher
Art ist das Siegel an dem von Kaiser
Leopold. I. im Jahre 1672 ausgestellten
Adelsbrief für den Obrist-Wachtmeister
Hans Peter Sauerbrey. In mittelalterlicher
Zeit kamen auch zahlreiche Reitersiegel
und sigilla pedestria vor, von denen diese
den Siegelnden zu Fuß, jene hoch zu Roß
in Rüstung und Waffen darstellen. Eben-
falls interessant sind die Frauensiegel. Ein
sehr schönes dieser Art führte Mechtildis,
Gräfin von Aschersleben und Fürstin von Anhalt, die seit 1266, dem Todesjahre
ihres Gemahls, des Fürsten Heinrich II., bis 1277 die Regierung für ihre noch
unmündigen Söhne Heinrich und Otto leitete. Sie war die Tochter Herzogs Otto
des Kindes von Braunschweig-Lüneburg, Stammvaters der beiden alten Häuser
Braunschweig und Lüneburg. Als Siegelmasse benutzten das Mittelalter und die
Renaissance fast ausschließlich Wachs. Rotes Siegelwachs stand zwar im frühen
Mittelalter nur den Kaisern
und Königen zu, wurde aber
mit der Zeit auch anderen
Fürsten und Reichsstädten
verliehen. Geistliche Orden
bedienten sich meist des
schwarz gefärbten, Städte
häufig des grün gefärbten
Wachses. Später kam für
gewöhnliche Schriftstücke
der Brauch auf, das Typar
auf Papier mit unterlegter
Oblate abzudrücken. Ferner-
hin wurde der im 16. Jahr-
hundert erfundene Siegellack
stark benutzt. Im Laufe des
19. Jahrhunderts haben die
Einführung der gummierten
Kouverts und der Gummi-


Totenmaske der Königin Luise von Preußen, von Rauch überarbeitet. Phot. Willinger, Berlin.


Adelsbrief, ausgestellt 1672 von Kaiser Leopold I., für den Obrist-Wachtmeister
Hans Peter Sauerbrey. —- Phot. Atelier Schaul, Hamburg.


Majestätssiegel in Form eines Münzsiegeis Maximilians 11. für Ungarn.

Phot. Atelier
Schaul, Hamburg.
 
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