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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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19. Heft
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Braungart, Richard: Robert F. Curry
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https://doi.org/10.11588/diglit.31172#0574
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238

MODERNE KUNST.



So*




Kunstgattung hingeführt hat. Seine ersten Schneelandschaften (Winter-
bilder waren von jeher seine Spezialität, und sie sind, wie alle seine
Bilder, vor der Natur nicht nur begonnen, sondern auch fertig gemalt,
manchmal bei Temperaturen von 20 und mehr Grad unter Null) waren
von einer ganz auffallenden Zähigkeit und Schwere des Farbenauftrags.
Man könnte sagen, sie seien mit Mörtel gemalt oder direkt gemauert
gewesen. Aber was an diesen Bildern schon auffiel und sogleich auf
Curry als auf einen Berufenen hinwies, war die unbedingte, um den
Publikumsgeschmack und die gerade geltende Malmode unbekümmerte
Ehrlichkeit des Sehens und Schaffens. Es lag fast etwas wie Grausam-
keit, gegen sich und gegen die Natur, in dieser Methode. Aber es war
eine gute Schule, die Curry damals bei sich selbst, als seinem eigent-
lichen Lehrer, und bei der größten aller Lehrmeisterinnen, der Natur,
durchgemacht hat. Und die Früchte dieser Schule begannen bald zu
reifen. Mit einer jeden neuen Kollektion, die Curry ausstellte, zeigte sich
seine Technik vollkommener; sein Vortrag wurde flüssig und flott,
ohne etwas Wesentliches von der herben Kraft einzubüßen, die immer
schon ein Charakteristikum der Kunst Currys gewesen ist. Immer
mehr machten seine Bilder, was ja bei seiner Arbeitsweise nicht sehr
verwunderlich ist, den Eindruck, als seien sie gewissermaßen der Natur
aus dem Gesicht geschnitten. Es ist die erquickende Frische des direkt
übertragenen Eindrucks in ihnen. Aber obwohl sie wie die Natur selbst
wirken, so wird man doch vor ihnen niemals vergessen, daß es Bilder
und nicht Momentaufnahmen oder dergleichen sind. Der Ausschnitt ist
stets mit scharfem Blick für die bildmäßige Wirkung gewählt, und niemals
ist die Ausführung seiner Bilder so, daß sie den Eindruck von Studien
machen (was heute bei so vielen, ja, man kann fast sagen, bei den meisten
impressionistischen Arbeiten der Fall ist); nein, es sind wirkliche, fertige Bilder von
hohem dekorativen Wert, der in der Wahl der Motive ebenso wie in der außerordentlich
kräftigen und doch bildmäßig konzentrierten und abgestuften Farbigkeit begründet ist.
In einer Serie Landschaften aus seiner jüngsten Zeit, die ihn auf der Höhe seines
reifen, durch unablässige Arbeit errungenen Könnens zeigt, begegnen uns wieder viele
seiner Lieblingsmotive, aber in teilweise ganz neuer Auffassung. Da sind zunächst
einige prächtige Stücke aus verschneiten Birkenwäldchen, wie sie sich in den Revieren
am Südende des Starnbergersees finden. Rosiges Abendlicht verklärt die trostlose Ein-
samkeit, durch die das Schweigen hörbar wandelt. In die winterliche Hochgebirgs-
wildnis entführen uns einige Bilder mit Motiven aus dem Gschnitztal in Tirol: hier
ein paar Häuser eines weltverlassenen Dorfes, tief in den Schnee versunken, der auf
den Dächern und Feldern so „angewachsen" lastet, als wollte er nie mehr von ihnen
weichen; dort ein Tal, durch das sich ein Bach schlängelt, im Hintergrund, vom
Sonnenlicht übergoldet, das schwere Massiv des Habicht; vorne aber, auf den Schnee-
feldern und im plätschernden Wasser, die gelblich-rosigen Reflexe der von Licht über-
strömten Berge: ein brillanter Effekt. Auch ein Motiv aus dem verschneiten Steinach

R. F. Curry: Der treue Wächter.
am Brenner ist ein echter Curry. Aber nicht nur den Winter meistert Curry; er hat
von jeher auch andern Jahreszeiten ihre köstlichsten Stimmungen abzulauschen ver-
standen, ganz besonders vielleicht dem Herbst, und wieder mit Vorliebe zwischen dem
Starnberger- und den Osterseen, in einem höchst reizvollen Seen- und Hochmoor-
gebiet. Dort hat er die Birken in ihrem goldenen Prinzessinnenkleid gemalt oder
schwere, satte Föhnstimmungen, die nicht selten am Nordfuße der Alpen die Farben
des Südens aufleuchten lassen. Aber noch ein ganz anderes Gebiet hat sich Curry
in der jüngsten Vergangenheit hinzuerobert. Ein Aufenthalt in Mannheim hat das
bewirkt. Da hat es ihm das bunte Schiffsgewimmel auf dem Rhein angetan. Dieses
sinnbetörende Ensemble aus Rauch, Dunst, Wasser, Schiffen, Bränden, Fabriken, dieses
einträchtige Zusammenwirken von Natur und Menschenwerk, durch das etwas ganz
Einzigartiges zustande kommt, das schon einen Laien stumm macht, einen Künstler
aber mit unwiderstehlicher Gewalt zum Malen drängen muß. Und Curry müßte nicht er
selbst, dieser seiner Mittel allzeit und an jedem Ort sichere Könner sein, wenn er nicht
auch diese Motive zu äußerst lebendigen, unmittelbar überzeugenden Bildern zu formen
verstanden hätte. Aber auch dieses neue Gebiet ist wohl noch lange nicht das letzte, das
Curry in den Kreis seines Schaffens ein-
beziehen wird. Er kennt keine Schablone,
kein Rezept, kein billiges Ableiern bewährter
Motive. Er malt irgend etwas so lange, als
es ihn künstlerisch reizt und ihm Ertrag (im
künstlerischen Sinne) zu versprechen scheint.
Ist er aber damit zu Ende, dann wendet er
sich wieder anderem zu. Und es kann ja
nie daran fehlen; denn für einen Künstler
mit offenen Augen ist die Welt ein ein-
ziges, ungeheures Reservoir, angefüllt bis
zum Rand mit malenswerten Motiven, und
kein Leben ist lang genug, um diesen
Reichtum zu erschöpfen.
Zum Schluß darf wohl noch erwähnt
werden, daß Bilder von Curry sich im
Besitz des Rheinischen Kunstvereins in
Düsseldorf, der Stadt Fürth und der städ-
tischen Galerie in Nürnberg befinden.
Weitere Galerien werden dem Beispiel der
Genannten gewiß bald folgen. Denn Currys
Art ist so spezifisch und dabei für die mo-
derne Wirklichkeitsmalerei auf impressioni-
stischer Basis so bezeichnend, daß öffent-
liche Sammlungen auf eine charakteristische
Arbeit Currys kaum werden verzichten
können. Sicherlich gibt es in Deutschland
viele Landschafter, die es ihm in seiner Art
gleichtun. Und es ist merkwürdig, wie
selbst ein schlichteres Publikum, das doch
im allgemeinen für eine so herbe und
dem Durchschnittsgeschmack nicht schmei-
chelnde Kunst nur schwer zu haben ist,
den Wert der Arbeiten Currys doch in-
stinktiv erfaßt. Vielleicht ist das sogar der
beste Beweis für die Echtheit dieser Kunst.

R. F. Curry: Am Rhein bei Ludwigshafen.
 
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