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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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MODERNE KUNST.





Jahren als Turniersport in Deutschland ganz außerordentliche
Fortschritte gemacht. Man wird sich noch jener Zeiten er-
innern können, in denen die „Concours Hippiques“ auf der
alten Trabrennbahn in Westend bei Berlin seitens der
Teilnehmer wie seitens des Publikums nur mäßigen Zu-
spruch fanden, und nur der Blumenkorso, ohne den
man damals nicht auszukommen glaubte, ein einiger-
maßen weltstädtisches Bikl bot. Dies ist heute anders
geworden; unsere Reitturniere sind jetzt stets ein Stell-
dichein der vornehmsten Gesellschaft; unsere Offiziere
zählen zu den eifrigsten Teilnehmern an allen reiter-
lichen Wettbewerben, und es fehlt sogar nicht an Kon-
kurrenzen, zu denen mehr als hundert Nennungen ein
gehen. Besonders erfreulich ist an diesem allgemeinen
Aufschwung, daß man kein Mittel unversucht läßt, um die
Zucht des inländischen Gebrauchspferdes zu fördern, vor-
nehmlich des Jagdpferdes. Dabei werden an die Inländer keines-
wegs geringe Anforderungen gestellt. Beim März-Turnier des
Kartells für Reit- und Fahrsport in Berlin wies das Inländer-
Jagdspringen folgende Hindernisse auf: eine Palisadenwand von
1,10 m Höhe, eine Mauer von 1,20 m Höhe, einen Doppelsprung von 1,10 m
Höhe in 8 m Abstand, einen Graben von 2,50 m Breite mit Absprunghecke,
eine Hecke von 80 cm Breite
mit je einem Koppelrick da-
vor und dahinter. Fast alle
diese Hindernisse waren zwei-
mal zu springen. Bei dem
letzten großen Turnier in
Magdeburg waren die im In-
länder Jagdspringen gestellten
Anforderungen sogar noch
größer; dreizehn Plindernisse
waren zu springen, bis zu
1,40 m Höhe, darunter einige
schwierige Sachen wie das
„Piano“, der Wegsprung und
der Tiefsprung. Aber diese
Sprünge waren fair, was man
nicht von allen Sprüngen des
Magdeburger Turniers sagen
konnte, denn ein paar davon
waren recht böse, und einer
konnte infolge fehlerhafter
Anlage überhaupt nicht ge-
nommen werden. Unsere In-
länder zogen sich brillant aus
der Affäre, vor allem die Ost-
preußen und Hannoveraner;
verschiedene von ihnen ge-
nießen ja schon großen Ruf,
so Dohna des Prinzen Fried-
rich Sigismund von Preußen,
ferner Toni, Hubertus, Bravo
und Ilse. Eine besondere
Glanzleistung vollbrachte der ostpreußische Wallach Krieger des Grafen von
Schaesberg-Tannheim, der am Tage zuvor den Geländeritt über 50 km mit-
gemacht hatte und trotz der großen Anstrengungen, die er hinter sich hatte, im
Jagdspringen noch recht Achtbares leistete. Den Sieg errangen
hier die Fuchsstute Toni des Grafen Grote, eine Ost
preußin, und der aus einem Posenschen Gestüt stam-
mende Rappwallach Hubertus des Herrn O. Koch
Frankfurt a. M„ die beide keinen Fehler mach-
ten. W. K. E.
* *
*
Ida Wüst. In einer vierjährigen Tätig-
keit im Lessingtheater unter Brahrn und
danach am Neuen Schauspielhause hat Ida
Wüst vielfache Gelegenheit gehabt, durch
ihre temperamentvolle Natürlichkeit und
witzig zugespitzte Plauderkunst sich reiche
Sympathien zu erwerben. Nachdem sie
nun in den Verband der Meinhard-Bernauer-
schen Bühne getreten ist, konnte sie kürzlich
in der jüngsten Novität des Komödienhauses,
dem Lustspiel „Kammermusik“ von Ilgensteiti,
diese hervorstechendsten Seiten ihrer Kunst so-
fort zu einem vollen Triumphe führen. Ida Wüst
gilt den Berlinern wesentlich als Lustspieldarstellcrin,
und das ist vor allem auf die Beschäftigung zurückzuführen,

Rudolf Graf v. Schaesberg-Thann-
heim beim Inländer-Jagdspringen.
Phot. Proß-Centrale. Berlin

die ihr Brahm fast ausschließlich zuwies. So oft er ein Stück
mit irgendeiner verführerischen, auf liebenswürdigen Plauderton
gestellten Frauenrolle aufführte, übertrug er diese an Ida
Wüst, und daher weiß man es in Berlin kaum, daß die
Künstlerin eigentlich die schweren Charakterrollen liebt
und sich vorher während ihres dreijährigen Engagements
am Leipziger Stadttheater hauptsächlich in diesem
Rollenfache betätigt hat. Ihr Ehrgeiz stand denn
auch hier zunächst z. B. nach einer Rose Bernd, aber
Brahms Doktrinarismus kannte keine Zugeständnisse.
Immerhin konnte die Künstlerin z. B. als Regine in
den „Gespenstern“ oder als Maja in „Wenn wir Toten
erwachen“ dem tiefer blickenden Zuschauer zeigen, in
wie bedeutendem Maße ihr auch die Gabe entschiedener
psychologischer Charakterisierung eigen ist. Frau Wüst, deren
Wiege in Frankfurt a. M. gestanden hat, begann ihre, Bühnen-
laufbahn in Colmar im Elsaß und kam dann an das Stadt-
theater in Bromberg, dessen damaligem Direktor, dem auch als
Lustspielautor bekanntgewordenen Leo Walther Bein, sie nach
ihrem eignen Bekenntnisse ungemein viel für ihre künstlerische
zu danken hat. Auf

Ein Jugendbildnis des Kaisers Franz Joseph.
Phot. M, v. Bieberstein, Berlin.

Ida Wüst und Klein-Willi Martini in „Kammermusik
Phot. Willinger, Berlin.

Entwicklung
Bromberg folgte dann das Leipziger
Engagement. Hoffentlich bleibt die
charmante, ernst strebende Künstlerin
nun dauernd der Reichshauptstadt
erhalten. k.
Ein Jugendbildnis des öster-
reichischen Kaisers. Die allgemeine
Teilnahme, die ganz Deutschland der
außerordentlich sympathischen Persön-
lichkeit des hochbetagten österreichi-
schen Monarchen bei seiner kürz-
lichen Erkrankung wiederum zuwandte,
lenkt das Interesse auch auf ein
altes Jugendbildnis des Herrschers,
das aus dem Jahre 1849 stammt. Es
rührt von der Hand eines unbekannten
venezianischen Meisters her. Das Por-
trät zeigt bereits den unverkennbaren
Ausdruck der Güte, die dem Kaiser in
seiner langen Regierungszeit die Herzen
seiner Landeskinder in so hohem Maße gewann. Die Hoffnungen des Jünglings,
auf dessen Schultern schon damals ernste Verantwortung lag, sollten sich in
einem langen, erfolgreichen Leben, dem menschliches Leid und harte Prüfungen
nicht erspart geblieben sind, aufs schönste erfüllen! s.

Uraufführung der Oper „Der heilige Berg“. Im Herzoglichen Hof-
theater zu Dessau erlebte die Oper „Der heilige Berg“ kürzlich ihre Urauf-
führung, wobei die musikalische Leitung in den Händen des Herrn General-
musikdirektors Mikorey lag. Die stimmungsvolle und wirkungsreiche Dichtung,
welche von dem norwegischen Komponisten Christian Sinding in Musik gesetzt
wurde, stammt von der bekannten Romanschriftstellerin Dora Duncker. Die
Handlung führt uns nach Griechenland in ein Mönchskloster auf dem „heiligen
Berge“ Athos. Einer der frommen Brüder ist in frühester Jugend der Mutter
geraubt worden, um für die Kirche erzogen zu werden. Er wird im Aufträge
der Mutter von einem jungen Mädchen in der Klostereinsamkeit
gesucht, wo ein gütiges Geschick beide zusammenführt,
und bald entbrennen ihre Herzen in inniger Liebe zu-
einander. Der Prior des Klosters beugt sich vor
der Lauterkeit dieser Liebe und läßt den Ge-
suchten mit der Geliebten von dannen ziehen.
Dora Duncker hat es trefflich verstanden,
den Sieg menschlicher Liebe über strengen
Klosterglauben dichterisch zum Ausdruck
zu bringen. Der feinsinnigen Stimmung
des Textes schmiegt sich die Komposition
verständnisvoll an und gibt beredtes
Zeugnis von Sindings hoher Begabung.
Besonders ansprechend ist die Liebesszene
im ersten Akt. Die Oper besteht aus einem
Vorspiel und zwei Aufzügen. Aufführung
und Inszenierung waren in jeder Beziehung
mustergültig und wohlvorbereitet, und so wurde
die Oper vom Publikum enthusiastisch aufge-
nommen und erlebte einen vollen Erfolg, zu dem
Dora Duncker und Christian Sinding gleichermaßen
beglückwünscht werden können. N.

Szenenbild aus Dora Dunckers Oper „Der heilige Berg“.
 
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