angewandten Techniken beispielhaft vertreten. Im Hinblick auf den
außerordentlichen Reichtum an verschiedenen Zeichnungstechniken
in der holländischen Schule, in der zum Beispiel oft auch das farbige
Aquarell von Bedeutung war, ist die Beschränkung des technischen
Apparates bei Rembrandt bemerkenswert. Der große Maler ver-
zichtet in den Zeichnungen fast ausnahmslos auf die Farbe. Alle
Farbigkeit der Natur übersetzt er als echter Graphiker in das
Schwarz-Weiß oder Braun-Weiß seiner reinen oder mit dem Tusch-
pinsel lavierten Federzeichnung; sie ist sein klassisches Darstellungs-
mittel. Schwarze Kreide und Rötel, auch den Silberstift verwendet
er daneben selten und fast nur in seiner Frühzeit bis etwa 1640.
Hierher gehört die um 1630 wohl noch in Leiden entstandene Kreide-
zeichnung eines Bettlers (Abb. 16). Rembrandt hat mit Vorliebe be-
sonders in seiner Jugend Elendsgestalten und fahrendes Volk ge-
zeichnet und radiert. Auch er, der Große und Einzige, war ein Sohn
seiner Zeit und zollte ihr zunächst seinen Tribut. Die alten Götter
der Schönheit und des Reichtums, die das Jahrhundert der Renais-
sance und des Humanismus beherrschten, waren entthront. Überall
erschienen die neuen auf der Weltbühne der Kunst; in Spanien die
Trinker des Velasquez und die Bettelknaben Murillos, in Italien die
Boheme Caravaggios und die Räuber Salvator Rosas, in Frankreich
Callots Landstreicher, in Deutschland der Simplicissimus und seine
Genossen. Es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß der junge
Rembrandt im Zuge seiner Zeit das malerisch Interessante und Cha-
rakteristische in der äußeren Erscheinung des zerlumpten Bettler-
volkes als Studienobjekt gesucht und direkt vor dem Modell auf der
Straße oder in seiner Werkstatt zu Papier gebracht hat. Aber ebenso
sicher wie die Freude des jungen Malerauges an dem pittoresken
Aufzug der Vagabunden ist doch auch, daß schon der junge Rem-
brandt für die tiefe Wahrheit jener Welt- und Menschensicht auf-
geschlossen war, die das Alte Testament mit seinem »Der Menscli ist
wie Gras und wie des Grases Blume.. .« oder ein Martin Luther auf
seinem Sterbebett mit dem Bekenntnis »Wir sind Bettler, das ist
wahr« zum Ausdruck brachte. In den turbulenten Zeiten des hollän-
dischen Freiheitskampfes und des Dreißigjährigen Krieges ist diese
Erkenntnis als letzte Wahrheit über die menschliche Existenz in das
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außerordentlichen Reichtum an verschiedenen Zeichnungstechniken
in der holländischen Schule, in der zum Beispiel oft auch das farbige
Aquarell von Bedeutung war, ist die Beschränkung des technischen
Apparates bei Rembrandt bemerkenswert. Der große Maler ver-
zichtet in den Zeichnungen fast ausnahmslos auf die Farbe. Alle
Farbigkeit der Natur übersetzt er als echter Graphiker in das
Schwarz-Weiß oder Braun-Weiß seiner reinen oder mit dem Tusch-
pinsel lavierten Federzeichnung; sie ist sein klassisches Darstellungs-
mittel. Schwarze Kreide und Rötel, auch den Silberstift verwendet
er daneben selten und fast nur in seiner Frühzeit bis etwa 1640.
Hierher gehört die um 1630 wohl noch in Leiden entstandene Kreide-
zeichnung eines Bettlers (Abb. 16). Rembrandt hat mit Vorliebe be-
sonders in seiner Jugend Elendsgestalten und fahrendes Volk ge-
zeichnet und radiert. Auch er, der Große und Einzige, war ein Sohn
seiner Zeit und zollte ihr zunächst seinen Tribut. Die alten Götter
der Schönheit und des Reichtums, die das Jahrhundert der Renais-
sance und des Humanismus beherrschten, waren entthront. Überall
erschienen die neuen auf der Weltbühne der Kunst; in Spanien die
Trinker des Velasquez und die Bettelknaben Murillos, in Italien die
Boheme Caravaggios und die Räuber Salvator Rosas, in Frankreich
Callots Landstreicher, in Deutschland der Simplicissimus und seine
Genossen. Es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß der junge
Rembrandt im Zuge seiner Zeit das malerisch Interessante und Cha-
rakteristische in der äußeren Erscheinung des zerlumpten Bettler-
volkes als Studienobjekt gesucht und direkt vor dem Modell auf der
Straße oder in seiner Werkstatt zu Papier gebracht hat. Aber ebenso
sicher wie die Freude des jungen Malerauges an dem pittoresken
Aufzug der Vagabunden ist doch auch, daß schon der junge Rem-
brandt für die tiefe Wahrheit jener Welt- und Menschensicht auf-
geschlossen war, die das Alte Testament mit seinem »Der Menscli ist
wie Gras und wie des Grases Blume.. .« oder ein Martin Luther auf
seinem Sterbebett mit dem Bekenntnis »Wir sind Bettler, das ist
wahr« zum Ausdruck brachte. In den turbulenten Zeiten des hollän-
dischen Freiheitskampfes und des Dreißigjährigen Krieges ist diese
Erkenntnis als letzte Wahrheit über die menschliche Existenz in das
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