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Moholy-Nagy, László
Von Material zu Architektur — München, 1929

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https://doi.org/10.11588/diglit.29204#0024
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ein solches kollektiv bedeutet lebenspraxis. seine einzelglieder müssen demnach
nicht nur sich und ihre eigenen kräfte, sondern auch die lebens» und arbeitsbe»
dingungen der umweit beherrschen lernen, diese beherrschung auch des äußeren
lag dem erziehungsprogramm des bauhauses oder — entsprechender gesagt — der
bauhausarbeit, zugrunde.

das erste jahr diente der entwicklung und reifung von sinn, gefühl und gedan»
ken — insbesondere bei jenen jungen menschen, die infolge der üblichen kind»
heitserziehung eine unfruchtbare häufung lexikalen wissens hinter sich hatten,
erst nach diesem ersten jahr der entwicklung und reifung begann die zeit der
fachbildung nach freier wähl innerhalb der bauhauswerkstätten. und auch in
der zeit dieser fachausbildung war das gesamtziel: der totale mensch. der mensch,
der von seiner biologischen mitte her allen dingen des lebens gegenüber wieder
mit instinktiver Sicherheit Stellung nehmen kann; der sich heute genau so wenig
von industrie, eiltempo, äußerlichkeiten einer oft mißverstandenen „maschinen»
kultur“ überrumpeln läßt, wie der mensch der antike die Sicherheit hatte, sich
den naturgewalten gegenüber zu behaupten.

warum handwerkliche erziehung im bauhaus?

diese einstellung, die zu einer ganzheit hinstrebt, führte im bauhaus zu einer
handwerklichen ausbildung. der studierende konnte hier auf dem technisch
einfachen, im einzelnen noch übersehbaren nivo des handwerks den ganzen
gegenständ, von den anfängen bis zur Vollendung wachsen sehen, sein blick
ist dabei auf das organische ganze gerichtet, (beim heutigen fabrikprozeß dagegen
nur auf teile des ganzen, die Zusammenhänge sind ihm da höchstens durch be»
Schreibung, darstellung, nicht durch eigenerlebnis bekannt.) bei der handwerks»
arbeit ist der einzelne immer für das ganze, auch für dessen einzelfunktion, ver»
antwortlich.

so war der handwerkliche unterricht im bauhaus vorwiegend als erziehungs»
faktor, nicht als Selbstzweck anzusehen.

diese erziehungsarbeit des bauhauses wird wahrscheinlich in Zukunft auch auf
der basis einer weitest entwickelten technik (maschine) weitergeführt werden
können, wenn der sinn der totalität dabei erhalten bleibt, wird das ergebnis
dann höchstens quantitativ, aber nicht qualitativ unterschieden sein.

Sinnesübungen

aber nicht irgend ein systematisches handwerk war die erste stufe dieser bau»
hausausbildung. der auf syntese gerichtete aufbau wurde eingeleitet durch das

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