Kalender.
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sonders beliebten Festen die Zugabe einiger Tage geradezu
herkömmlich, also die Unsitte zur Sitte wurde.
Bei Aristophanes, Frieden 414 f., werden Sonne und Mond
gescholten, dass sie von den Tagen welche wegstöhlen seit
langer Zeit und den Jahreskreis (oder den Kalendercyklus)
benagten durch ihre ärgerliche Fahrerei. Es ist dies ent-
weder eine Beschwerde über versagte Einschubstage, auf welche
das Publicum gerechnet hatte, oder eine Bemängelung der in
Folge früherer Einschübe nothwendig gewordenen Ausmerzun-
gen.1) Nach ersterer Auffassung verträte der Dichter hier die
archontische Willkühr, nach der andern würde er eine Massrege]
tadeln, welche die Abstellung kalendarischer Störungen bezielte
— in keinem der beiden Fälle also dem wahren und richtigen
Kalender, wie Wölk. 615 ff.,2) das Wort reden. Ein Autor,
der sein Publikum durch Witz und Scherz vergnügen will,
wird wohl nicht in allen Stücken überzeugungstreu sein.
Stellung der delphischen Monate im Sonnen-
jahr. — Der sichtbare Neumond, welcher auf eine vor Chr. 394
August 14 eintretende Sonnenfinsterniss folgte, begann im del-
phischen Kalender den Pythieninonat. Dies ergiebt sich aus
folgenden Umständen.
Als Agesilaos im Jahre 394 an der böotischen Grenze
stand um einzurücken, ereignete sich eine sichelförmige Sonnen-
finsterniss3) und ging die Nachricht von der Niederlage der
Lakedämonier bei Knidos ein. Agesilaos fingierte eine em-
pfangene Siegesnachricht, ging vor und schlug die Böoter bei
Koroneia, welche den Kampf nicht wieder aufzunehmen wagten,
sondern um Waffenstillstand baten, den der Sieger bewilligte.
Seiner Wunden ungeachtet begab sich Agesilaos nach Delphi
und brachte dem Gotte den Zehnten des Erlöses aus der in
1) Ich behalte mir vor anderswo auf den ganzen Gegenstand zurück-
zukommen. — Die Stelle in Aristöph. Frieden angehend vergleiche man
Boeckh Mondeyklen S. 22 ff. und Studien S. 171; auch H. E. 0. Müller
a. 0. n. 68 S. 458 ff.
2) Ich bin jetzt zu der Meinung gekommen, dass a. 0. durch die
Klage der Selene der archontische Kalender getadelt, der wahre, auf
Inschriften durch y.avä 9söv bezeichnete befürwortet wird; vgl. Boeckh
Mondeyklen S. 31. Früher habe ich die Stelle anders aufgefasst, Beitr.
z. griech. Zeitr. S. 41 ff. — S. unten Boathoos Heroenfest a. E.
3) Xen. Hellen. IV 3, § 10: "Ovrog S ccvzov tni zy s/ißoXij 6 rjltog
^vosiärjg tdo£s cpavrjvui.
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sonders beliebten Festen die Zugabe einiger Tage geradezu
herkömmlich, also die Unsitte zur Sitte wurde.
Bei Aristophanes, Frieden 414 f., werden Sonne und Mond
gescholten, dass sie von den Tagen welche wegstöhlen seit
langer Zeit und den Jahreskreis (oder den Kalendercyklus)
benagten durch ihre ärgerliche Fahrerei. Es ist dies ent-
weder eine Beschwerde über versagte Einschubstage, auf welche
das Publicum gerechnet hatte, oder eine Bemängelung der in
Folge früherer Einschübe nothwendig gewordenen Ausmerzun-
gen.1) Nach ersterer Auffassung verträte der Dichter hier die
archontische Willkühr, nach der andern würde er eine Massrege]
tadeln, welche die Abstellung kalendarischer Störungen bezielte
— in keinem der beiden Fälle also dem wahren und richtigen
Kalender, wie Wölk. 615 ff.,2) das Wort reden. Ein Autor,
der sein Publikum durch Witz und Scherz vergnügen will,
wird wohl nicht in allen Stücken überzeugungstreu sein.
Stellung der delphischen Monate im Sonnen-
jahr. — Der sichtbare Neumond, welcher auf eine vor Chr. 394
August 14 eintretende Sonnenfinsterniss folgte, begann im del-
phischen Kalender den Pythieninonat. Dies ergiebt sich aus
folgenden Umständen.
Als Agesilaos im Jahre 394 an der böotischen Grenze
stand um einzurücken, ereignete sich eine sichelförmige Sonnen-
finsterniss3) und ging die Nachricht von der Niederlage der
Lakedämonier bei Knidos ein. Agesilaos fingierte eine em-
pfangene Siegesnachricht, ging vor und schlug die Böoter bei
Koroneia, welche den Kampf nicht wieder aufzunehmen wagten,
sondern um Waffenstillstand baten, den der Sieger bewilligte.
Seiner Wunden ungeachtet begab sich Agesilaos nach Delphi
und brachte dem Gotte den Zehnten des Erlöses aus der in
1) Ich behalte mir vor anderswo auf den ganzen Gegenstand zurück-
zukommen. — Die Stelle in Aristöph. Frieden angehend vergleiche man
Boeckh Mondeyklen S. 22 ff. und Studien S. 171; auch H. E. 0. Müller
a. 0. n. 68 S. 458 ff.
2) Ich bin jetzt zu der Meinung gekommen, dass a. 0. durch die
Klage der Selene der archontische Kalender getadelt, der wahre, auf
Inschriften durch y.avä 9söv bezeichnete befürwortet wird; vgl. Boeckh
Mondeyklen S. 31. Früher habe ich die Stelle anders aufgefasst, Beitr.
z. griech. Zeitr. S. 41 ff. — S. unten Boathoos Heroenfest a. E.
3) Xen. Hellen. IV 3, § 10: "Ovrog S ccvzov tni zy s/ißoXij 6 rjltog
^vosiärjg tdo£s cpavrjvui.
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