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Monatsberichte über Kunstwissenschaft und Kunsthandel — 2.1902

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Walcher von Molthein, Alfred: Zur Beurteilung des Sammelwertes deutscher Steinzeugfabrikate: heutige Marktpreise
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https://doi.org/10.11588/diglit.47724#0027

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Zur. Beurteilung des

10

Sammelwertes deutscher Steinzeugfabrikate.

— Heutige Marktpreise. — ')
Von Alfred Ritter Walcher von Molthein.

Die im Juni v. J. stattgefundene Versteigerung der
Collection Lippmann war, abgesehen von den sehr her-
vorragenden Stücken der Sammlung, die durch diese
Auktion zuerst einem weiteren Kreis von Kunstfreunden
bekannt wurde, auch dadurch bemerkenswert, dass es
sich bei dieser Gelegenheit zeigen sollte wie sich An-
‚gebot und Kauflust stellen werden, oder — was der
heutige Marktpreis für deutsches Steinzeug ist.

Wenn wir bei diesen Erzeugnissen des keramischen
Kunstgewerbes von einem Marktpreis reden wollen,
müssen wir in erster Linie berücksichtigen, dass derselbe
- durch mancherlei Momente einer Alteration unterliegt.
Der künstlerische Wert, die Erhaltung des Gegen-
standes, sein Alter, der Name des Töpfers, jener der
Formschneider und. Künstler, welche an der Aus-
schmiückung der Gefässe Anteil nahmen, die Kaufkraft

. Wenn wir also München als einen guten Verkaufs-
platz, ja als den besten für Süddeutschland bezeichnen,
weiters annehmen, dass die Kaufkräftigkeit des Sammlers
eine dem Werte des Kaufobjektes entsprechende war,
und dass das der heutige Geschmack für keramische
Kunstprodukte ziemlich geläutert ist, so dürfen wir bei
Berücksichtigung des Vorerwähnten sagen: „Die bei

_ der Auktion Lippmann-Lissingen für gewisse Steinzeug-

der Sammler und die herrschende Geschmacksrichtung

— sie fallen sämtlich schwer in’s Gewicht. ;

Weitere Bedingungen für die Bildung des Markt-
preises liegen in der Seltenheit, bezw. in der Häufig-
. keit der hier in Betracht kommenden Kategorien. Auf
keramischem Gebiete etwas seitwärts schweifend, ver-
weise ich auf die Fayencen von Oiron, von welchen
dermalen nur 72 Exemplare, keines mit einem zweiten
völlig übereinstimmend, bekannt sind. Ihre Seltenheit,
Schönheit, sowie der Schleier, welcher ihre Herkunft
bis 1864 deckte, trieben die Angebote in das kaum
glaubliche. Man zahlte Stücke mit 12, 16, 20 000 Franks,
1862 bot man für eine Aiguie&re (Wasserkanne) vergeb-
lich 25000 Franks und in der vente Pourtal&s erreichte
ein Biberon (Saugflasche) 27 000 Franks.

Die Wahl des Ortes, an dem verkauft werden soll,
hat auf den Marktpreis ebenfalls massgebenden Einfluss.

Eine regelmässige Bildung von Marktpreisen wird
bei Erzeugnissen des Kunstgewerbes nur dann ein-
treten, wenn in Form und Schönheit gleichartige Gegen-
stände in kurzen Zwischenräumen unter fast gleichen
Bedingungen zum Verkauf gelangen. Wir können da-
her nur bei jenen Erzeugnissen von einem Marktpreis
reden, welche in mehreren ähnlichen Exemplaren bei
dieser sowie bei kurz vorausgegangenen Auktionen
zum Ausruf gelangten. Gefässe, welche nur in wenigen
Stücken vertreten oder solche, welche als Unika be-
kannt sind, fallen nicht in unsere Betrachtung.

ı) Der. Autor ist zu dieser interessanten Studie angeregt worden durch
den Verlauf der unter Leitung von Hugo Helbing in München stattge-
habten Versteigerung der Sammlung Lippmann-Lissingen. Wir besprachen
diese bemerkenswerte Sammlung im vorigen Jahrgang S. 323—326. Der
Katalog („Altes Kunstgewerbe aus dem Nachlasse des Herrn Josef Ritter
von. Lippmann-Lissingen, Wien“) verzeichnet ausser hervorragendem Stein-
zeug auch Majoliken und Fayencen, Arbeiten in Silber, Bronzen, Zinn,
Sculpturen, Arbeiten in Glas, wertvolle Möbel, etc.; er umfasst 44 SS.
Gr.-49° und 20 Tafeln, wovon 15 im Lichtdruck und 5 in Autotypie. Preis
5 Mark. Anmerkung der Redaktion.

Typen erzielten Preise sind. heutige — das heisst —
auf etwa 10 Jahre für Süddeutschland geltende Markt-
preise.“ . .

Wir kommen nun zur Besprechung der einzelnen
Kategorien:

Il. Die Kreussener Erzeugnisse.

Vor kurzer Zeit nöch sehr gesucht und mit exor-
bitanten Preisen bezahlt, hat dieses Steinzeug endlich
die verdiente Zurückstellung hinter den Raerener und
Nassauer Erzeugnissen gefunden. Es ist zu wundern,
dass man diesen, mit geringen Ausnahmen am wenigsten
künstlerischen und stereotypen Formen deutschen Stein-
zeugs mit so viel Liebe und so lange entgegenkam.
Wenn auch einzelne Stücke noch an die Schlussperiode
der Blüte, deutschen Kunstgewerbes heranreichen, so
müssen wir doch den Fabrikationsstätten am Nieder-
rhein den Vorzug geben. In der Form derb, schwer
und wuchtig, wenn auch nicht unoriginell, im plastischen
Decor von weit geringerer Schärfe und von gewiss
weniger künstlerischem Interesse als die Durchschnitts-
ware von Raeren, hat Kreussen in erster Linie durch
das seinen Erzeugnissen charakteristische bunte Email
in öffentlichen und privaten Sammlungen Aufnahme

gefunden.

_ Es soll hier durchaus nicht über Kreussen der

Stab gebrochen werden; es gibt Stücke, welche uns
durch Komposition und Schärfe der Reliefs und der
Ornamente befriedigen können — Stücke, welche in
ihrer Form als schön und nachahmenswert bezeichnet
werden müssen. MHieher gehören die sogenannten
Trauerkrüge von silbergrauem, nicht selten auch dunkel-

braunem Fond mit in der Regel von weissem schwarzen -

und blauen Farbenschmelz überlaufener eingeschnittener
oder aufgelegter Ornamentierung.

Weiters zähle ich zu den besseren Stücken manche
braune nicht mit Schmelzfarben behandelte Krüge und
Humpen. Der so verbreiteten Anschauung, dass die-
selben dem Ausschuss angehören und daher als der
weiteren Ausstattung nicht würdig erachtet wurden, kann
man wohl nicht beistimmen, wenn man bemerkt, dass
viele derlei Exemplare sehr scharf sind und, was die oft
vorgefundene Datierung sowie die Ornamente bezeugen,
 
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