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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 1. Halbband, Heft 1 - 6.1908

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Heft 1/2
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Strzygowski, Josef: Das orientalische Italien
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https://doi.org/10.11588/diglit.70400#0039
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Strzygowski. Das orientalische Italien

31

großen internationalen Kultur
des frühen Mittelalters, die im
Oriente wurzelt. Ihre spezi-
fisch ägyptische Färbung be-
kommen sie einmal negativ
durch das Fehlen des Lebens-
baumes, der im Nordkreise des
Orients selten fehlt und positiv
durch das Ornament und die
Technik der Ausführung, end-
lich den auffallend primitiven
Stil der Gestaltwiedergabe, die
freilich den trefflich dekorativen
Gesamteindruck nicht stört.
Von der Bildung der
Säulen an der Vorderseite war
schon die Rede. Die Anwen-
dung der Kapitellform für die
Basis findet sich auch in ar-
menischen und byzantinischen
Handschriften, deren Ornament
von Persien aus angeregt ist,
und setzt sich mit dem Glocken-
kapitell auch in der Architektur


Abb. 12. Paris, Louvre:
Steinpfeiler aus Bawit

durch, so in fatimidischer Zeit
in Ägypten. Das Kapitell selbst
und die Querriefelung kehrt sehr
häufig auf koptischen Grab-
stelen wieder?) Auf den Seiten-
flächen fehlen die Säulen, das
Rippen- und Schuppenorna-
ment ist da in fortlaufenden
Bändern durchgeführt, die eben-
sowenig eine struktive Bedeu-
tung haben, wie die rein rah-
menden Profile von Mschatta
oder an syrischen Kirchen. Die
Fassade der Grabeskirche in
Jerusalem gibt Anlaß, sich solche
Umrahmungen monumental
verwendet vorzustellen.2)
Die zehn Felder der
Vorderseite und die je vier
Felder der beiden Schmalseiten
sind als Ganzes umrahmt von
einem flachen Bande auf dem
mit der Punze eine Doppelreihe
kleiner Löcher geschlagen ist.

Ähnlich sieht man auf den Tierkörpern kreuzförmige Sterne und auf einzelnen Ge-
wändern halbkreisförmige Schnitte aufgetragen.3) Venturi hat diese Art Schmuck auch
auf Altsachen der Völkerwanderungszeit beobachtet4), mir sind sie ganz geläufig von
koptischen Holzmöbeln. Als Beleg bilde ich ein früharabisches Brett etwa des 9. Jahr-
hunderts ab, das ich in Kairo für das Kaiser Friedrich-Museum in Berlin erworben habe.
(Abb. 11.)5) Man sieht, daß diese gepunzten Doppellöcher ursprünglich einen Perlstab
bedeuten. Daneben kommen Winkelfolgen in den Vertikalkasten vor. Diesen ent-
sprechen auf der Truhe von Terracina die ausgestochenen Bogenfolgen, mit denen das
breite Rankenband am Ende der Truhenflächen nach innen abgegrenzt wird. Auf diesen
Eckpfosten sieht man gefiederte, weinlaubartige Blätter — zwei Lappen scheinen ver-
kümmert —, die von Doppelstielen in Herzform umrahmt werden. Auch für dieses
Ornament liegt die Parallele auf koptischen Denkmälern vor. Ich bilde hier einen von

9 Crum, Coptic monuments pl. XLV f.

2) Orient oder Rom, Taf. VIII.

8) Vgl. damit die Goldmuster auf der Marientafel des Diptychons von Theben. Strzygowski,
Hellenist, und koptische Kunst, S. 87.

4) Storia dell' arte II, p. 100.

5) Nr. 333 meines Inventars, 76,5x19 cm groß. Die Kufische Schrift gibt eine Stelle
der 112 Sure. Vgl. Jahrbuch d. preuß. Kunstsammlungen 1904, S. 311.
 
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