Rundschau
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vorher zu erforschen. Vielleicht gelingt es ein
drittes Mal. — In der National Gallery, deren
neuer Direktor eine Umhängung energisch in
die Hand genommen hat, ist diese nun fast
völlig durchgeführt. Allen Wünschen konnte
nicht entsprochen werden, denn der zur Ver-
fügung stehende Raum ist zu knapp. Da nun
aber eine in der Nähe liegende Rekrutenkaserne
(die, ganz nebenbei bemerkt, den fremden
Galleriebesuchern das etwas mittelalterlich an-
mutende Bild des Rekrutenpressens oft mit ko-
mischen Intermezzi — Liebermann könnte da-
von etwas Köstliches erzählen! — gewährte)
jetzt fallen soll, und der dadurch freiwerdende
Raum zur Erweiterung der Gallerie bestimmt ist,
wird es damit wohl besser werden. Am meisten
allerdings bedarf die anstoßende National Por-
trät Gallery neuen Raumes. — Zuletzt hat man
sich mit dem Umhängen an die englische Ab-
teilung der National Gallery gemacht, die manche
gern mit der Tate Gallery vereinigt wüßten,
um so die englische Kunst in ihrer Ent-
wicklung zu zeigen, was die Tate Gallery
aber für das 19. Jahrhundert gar nicht einmal
leisten kann. Hogarth hat das alte kleine und
dunkle Kabinet behalten, das seiner nicht wür-
dig ist. Reynolds tront in dem einen, Gains-
borough in dem anderen Saal, in dem am an-
deren Ende die Constables untergebracht sind. —
Alte englische Kunst: Reynolds, Gainsborough,
Romney, Hoppner und der jetzt auf dem Kon-
tinent so hochgeschätzte Raeburn u. a., werden
ja jetzt in Berlin zu sehen sein. Herr von
Seckendorff, der die Auswahl zu treffen hatte,
wandte sich deswegen an Messrs. Agnew, deren
Herbstausstellungen alter Meister mit Recht be-
rühmt sind. Auch eine Auswahl Mezzotintos
von Karls I. Zeit bis zum 18. Jahrhundert wird
in Berlin ausgestellt werden. — Das neue große
Victoria- und Albert-Museum, das den Platz des
alten South Kensington Museums, dieses richtigen
Kunstladens, einnehmen soll, ist nunmehr fast
vollendet, und man beginnt sich für die Frage
seiner Einrichtung und die Art der Aufstellung der
Kunstschätze sowie die ganze Organisation des
Museums lebhaft zu interessieren und sie zu dis-
kutieren. Mr. Lewis F. Day hielt vor einiger Zeit
vor der Society of Arts einen Vortrag über diese
Fragen, der darauf hinausging, daß das neue
Museum vornehmlich eines für den Kunsthand-
werker sein solle, in dem dieser Vorbilder und
Anregungen für sein Schaffen finden könne.
Deswegen wäre eine Ausgestaltung und Auf-
stellung wie in vielen deutschen Museen und
teilweise auch im Münchner Nationalmuseum
nicht empfehlenswert. Ein Museum, wie das
neue, wäre eben doch nur eine Art Ausweis-
bureau, nicht ein Ort, der uns fühlen lassen solle,
als befänden wir uns in einem von Menschen
bewohnten Zimmer, oder in einer Kirche, die
zum Gottesdienst bestimmt sei. Ein solches
Museum solle auch nicht die Geschichte illu-
strieren, das sei der Kunst nicht würdig; und
daher zeigten viele deutsche, in England oft
hochgepriesene Gewerbemuseen nur, wie man
es nicht machen solle. Mr. Day wünscht also,
daß das neue Museum in der Art des bisherigen
aufgestellt wird. Nur würde er ganz gern zur
Illustrierung der Kulturgeschichte einige passende
Räume mit Kopien der betreffenden Gegenstände
ausgestattet wissen; diese selber aber zu einem
solchen Zwecke nicht hergeben, da sie für den
Belehrung suchenden ausübenden Künstler auf
diese Weise verloren gingen. In einem Artikel
in der „Tribune" greift dann Day das bestehende
System der leihweisen Reiseausstellungen an,
die seitens des Museums den Provinzstädten
des Reiches auf bestimmte Perioden zugesandt
werden. Sie seien mit einem geordneten Be-
trieb unvereinbar und verminderten den Wert
der Sammlung, da Forscher und Studenten nie
wüßten, ob nicht, was sie gerade suchten, auf
der Wanderschaft begriffen sei. Die Schwierig-
keit besteht darin, daß ein Museum, das auf
öffentliche Gelder angewiesen ist, hierzulande
nicht bloß als ideales Eigentum, sondern mög-
lichst als tatsächlicher Besitz des ganzen Landes
und jedes einzelnen Steuerzahlers angesehen
wird. Residiert ein solcher nun in Manchester,
will er auch davon etwas haben. Day tritt nun
dafür e n, einen Teil der Riesensammlung, die
selbst für das neue Gebäude zu groß sei, ein
für alle Mal als Reisesammlung zu etablieren
und dafür die Londoner Sammlung stabil zu
belassen; so werde beiden gedient. Das Mu-
seum hat übrigens im vergangenen Jahre eine
ganze Reihe wertvoller Neuerwerbungen in sich
aufgenommen. Erwähnt seien nur 12 Feder-
zeichnungen von William Morris und 107 Zeich-
nungen des großen Bildhauers A. Stevens, der
so großes gewollt und gekonnt und verhältnis-
mäßig so wenig vollendet hat. — Ihm ist jetzt
spät noch eine Art Rechtfertigung und Triumph
zu Teil geworden. Sein großzügiges, für den
Paulsdom bestimmtes und in Stil und Aus-
messungen demselben angepaßtes Grabdenkmal
Wellingtons unter einem der großen Bögen,
die Haupt- und Seitenschiff trennen, es stand
bisher fast nur wie ein verwaister Sockel da.
Die mächtige Reiterstatue fehlte. Stevens war
nie über die Skizze hinausgekommen und mußte
deswegen viel Böses während seines Lebens
hören. Mr. Tweed nun hat in langer Arbeit
das Reiterstandbild vollendet und, um den
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vorher zu erforschen. Vielleicht gelingt es ein
drittes Mal. — In der National Gallery, deren
neuer Direktor eine Umhängung energisch in
die Hand genommen hat, ist diese nun fast
völlig durchgeführt. Allen Wünschen konnte
nicht entsprochen werden, denn der zur Ver-
fügung stehende Raum ist zu knapp. Da nun
aber eine in der Nähe liegende Rekrutenkaserne
(die, ganz nebenbei bemerkt, den fremden
Galleriebesuchern das etwas mittelalterlich an-
mutende Bild des Rekrutenpressens oft mit ko-
mischen Intermezzi — Liebermann könnte da-
von etwas Köstliches erzählen! — gewährte)
jetzt fallen soll, und der dadurch freiwerdende
Raum zur Erweiterung der Gallerie bestimmt ist,
wird es damit wohl besser werden. Am meisten
allerdings bedarf die anstoßende National Por-
trät Gallery neuen Raumes. — Zuletzt hat man
sich mit dem Umhängen an die englische Ab-
teilung der National Gallery gemacht, die manche
gern mit der Tate Gallery vereinigt wüßten,
um so die englische Kunst in ihrer Ent-
wicklung zu zeigen, was die Tate Gallery
aber für das 19. Jahrhundert gar nicht einmal
leisten kann. Hogarth hat das alte kleine und
dunkle Kabinet behalten, das seiner nicht wür-
dig ist. Reynolds tront in dem einen, Gains-
borough in dem anderen Saal, in dem am an-
deren Ende die Constables untergebracht sind. —
Alte englische Kunst: Reynolds, Gainsborough,
Romney, Hoppner und der jetzt auf dem Kon-
tinent so hochgeschätzte Raeburn u. a., werden
ja jetzt in Berlin zu sehen sein. Herr von
Seckendorff, der die Auswahl zu treffen hatte,
wandte sich deswegen an Messrs. Agnew, deren
Herbstausstellungen alter Meister mit Recht be-
rühmt sind. Auch eine Auswahl Mezzotintos
von Karls I. Zeit bis zum 18. Jahrhundert wird
in Berlin ausgestellt werden. — Das neue große
Victoria- und Albert-Museum, das den Platz des
alten South Kensington Museums, dieses richtigen
Kunstladens, einnehmen soll, ist nunmehr fast
vollendet, und man beginnt sich für die Frage
seiner Einrichtung und die Art der Aufstellung der
Kunstschätze sowie die ganze Organisation des
Museums lebhaft zu interessieren und sie zu dis-
kutieren. Mr. Lewis F. Day hielt vor einiger Zeit
vor der Society of Arts einen Vortrag über diese
Fragen, der darauf hinausging, daß das neue
Museum vornehmlich eines für den Kunsthand-
werker sein solle, in dem dieser Vorbilder und
Anregungen für sein Schaffen finden könne.
Deswegen wäre eine Ausgestaltung und Auf-
stellung wie in vielen deutschen Museen und
teilweise auch im Münchner Nationalmuseum
nicht empfehlenswert. Ein Museum, wie das
neue, wäre eben doch nur eine Art Ausweis-
bureau, nicht ein Ort, der uns fühlen lassen solle,
als befänden wir uns in einem von Menschen
bewohnten Zimmer, oder in einer Kirche, die
zum Gottesdienst bestimmt sei. Ein solches
Museum solle auch nicht die Geschichte illu-
strieren, das sei der Kunst nicht würdig; und
daher zeigten viele deutsche, in England oft
hochgepriesene Gewerbemuseen nur, wie man
es nicht machen solle. Mr. Day wünscht also,
daß das neue Museum in der Art des bisherigen
aufgestellt wird. Nur würde er ganz gern zur
Illustrierung der Kulturgeschichte einige passende
Räume mit Kopien der betreffenden Gegenstände
ausgestattet wissen; diese selber aber zu einem
solchen Zwecke nicht hergeben, da sie für den
Belehrung suchenden ausübenden Künstler auf
diese Weise verloren gingen. In einem Artikel
in der „Tribune" greift dann Day das bestehende
System der leihweisen Reiseausstellungen an,
die seitens des Museums den Provinzstädten
des Reiches auf bestimmte Perioden zugesandt
werden. Sie seien mit einem geordneten Be-
trieb unvereinbar und verminderten den Wert
der Sammlung, da Forscher und Studenten nie
wüßten, ob nicht, was sie gerade suchten, auf
der Wanderschaft begriffen sei. Die Schwierig-
keit besteht darin, daß ein Museum, das auf
öffentliche Gelder angewiesen ist, hierzulande
nicht bloß als ideales Eigentum, sondern mög-
lichst als tatsächlicher Besitz des ganzen Landes
und jedes einzelnen Steuerzahlers angesehen
wird. Residiert ein solcher nun in Manchester,
will er auch davon etwas haben. Day tritt nun
dafür e n, einen Teil der Riesensammlung, die
selbst für das neue Gebäude zu groß sei, ein
für alle Mal als Reisesammlung zu etablieren
und dafür die Londoner Sammlung stabil zu
belassen; so werde beiden gedient. Das Mu-
seum hat übrigens im vergangenen Jahre eine
ganze Reihe wertvoller Neuerwerbungen in sich
aufgenommen. Erwähnt seien nur 12 Feder-
zeichnungen von William Morris und 107 Zeich-
nungen des großen Bildhauers A. Stevens, der
so großes gewollt und gekonnt und verhältnis-
mäßig so wenig vollendet hat. — Ihm ist jetzt
spät noch eine Art Rechtfertigung und Triumph
zu Teil geworden. Sein großzügiges, für den
Paulsdom bestimmtes und in Stil und Aus-
messungen demselben angepaßtes Grabdenkmal
Wellingtons unter einem der großen Bögen,
die Haupt- und Seitenschiff trennen, es stand
bisher fast nur wie ein verwaister Sockel da.
Die mächtige Reiterstatue fehlte. Stevens war
nie über die Skizze hinausgekommen und mußte
deswegen viel Böses während seines Lebens
hören. Mr. Tweed nun hat in langer Arbeit
das Reiterstandbild vollendet und, um den