Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Monatshefte für Kunstwissenschaft — 1. Halbband, Heft 1 - 6.1908

DOI Heft:
Heft 1/2
DOI Artikel:
Literatur
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.70400#0100
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
92

Monatshefte für Kunstwissenschaft

Conservatoren darin hausen durften; aber selbst
so dezimiert gaben sie noch manches Stück her,
das dem damaligen Kunstgesdimack zuwider,
heute hochwillkommen ist, vor allem interessante
deutsche Zeichnungen.
So lag der Gedanke nahe, was das Kölner
Museum so gut hat, wie andere, audi weiteren
Kreisen zu zeigen, ja manche Spezialität Kölns,
die bisher unbekannt geblieben, wie den lustigen
Zeichner Antoine Peters, ins rechte Licht zu
rücken.
Das hat A. Lindner, der Ordner und Bear-
beiter dieser Schätze, jetzt unternommen und
die wohlbekannte Kölner Kunsthandlung Wilhelm
Abels hat das für Fachleute und Liebhaber
gleich interessante Werk aufs würdigste aus-
gestattet: In vortrefflich gelungenen Lichtdrucken
liegen 25 Blätter, meist in Originalgröße vor.
Schon bekannt und des öfteren erwähnt ist die
Metallstiftzeichnung nach dem Frankfurter Bild
Rogiers van der Weyden: die heiligen Cosmas
und Damianus, ein Blatt, das, obwohl Kopie, doch
als altflandrische Zeichnung, die zeitlich dem
Original nahe steht, Interesse verlangt.
Als Beitrag zu Dürers venezianischer Reise,
darum besonders wichtig, erscheint die inedierte
Studie zu einer Verlobung der heiligen Katharina,
eine durchgeführte etwas überarbeitete, aber
zweifellose Federzeichnung. Die Gestalt der
vom Rücken gesehenen Heiligen geht mit dem
bekannten Trachtenbild der Albertina auf
Gentile Bellinis Kirchgängerin vor S. Marco
von 1496 zurück. Es folgen auf zwei großartige
Heiligengestalten von Schäuffelein — beide aus-
führlich bezeichnet — eine Anzahl Formschnitt-
vorzeichnungen von Erhard Schoen, darunter
Teile einer Planetenserie.
Die späteren Schweizer Renaissancemeister
sind vertreten durch eine sehr großartige lila-
getuschte Scheibenzeichnung Stimmers, ein in
Grisaille gemaltes Wappen von Hans Caspar
Lange, und ein charakteristisches Vorbild von
Lindmeyer für ein Glasfenster.
Die italienischen Namen der kleinen Sammlung
klingen besonders stolz. Am meisten Aufmerk-
samkeit verlangt natürlich Lionardo mit einer
großen Federzeichnung: Studien einzelner Fi-
guren und Gruppen zu einer Anbetung, im Stil
der berühmten Galichonschen Zeichnung. Die
sehr originelle Rückseite mit zwei feinen Studien
nach einem Taschenkrebs nicht publiziert. Es
darf nicht verschwiegen werden, daß in das
enthusiastische Lob der Skizze auch schon be-
denkliche Stimmen hineinklangen; doch stehn
die Urteile einander ziemlich unentschieden
gegenüber. Die Konturen lassen etwas die
spröde Energie von Lionardos flüchtigen Notizen

vermissen, die wenigen Schattenlagen erreichen
nicht so ganz sicher, wie man erwarten sollte,
die Wirkung von Verkürzung und Höhlung der
Körper. Im Kunsthandel existiert eine Wieder-
holung dieser Zeichnung, die sich Strich für
Strich als eine sklavische Nachahmung erweist.
Ganz unsicher ist das Raphael oder seiner
Schule attribuierte Blatt mit Skizzen nach den
Farnesinazwickeln, die einst Morelli der wohl-
verdienten Vergessenheit entzogen hat. Die
Reproduktion ist gleichwohl willkommen, weil
sie ein Urteil ermöglicht. Die Ähnlichkeit mit
gewissen Zeichnungsgewohnheiten Raphaels und
seiner Schüler macht das Blatt nur verdächtiger.
Um so sicherer fühlt man sich bei der kraft-
vollen Doppelskizze Andrea del Sarto's zum
heiligen Franz in der Harpyen-Madonna: einer
Studie nach dem Modell im Zeitkostüm für die
Haltung im Großen, und der Draperie vom Gürtel
abwärts, in breiten Röthelzügen souverän hin-
gesetzt. Die gute umbrische Zeichnung eines
toten Christus mag vom Spagna herrühren.
Schön und charakteristisch sind die zwei großen
Sepiazeichnungen von Guardi: S. Giorgio Mag-
giore und Einfahrt des Canal Grande, besonders
die erste mit dem klaren Spiegel von stark
silbrigem Effekt.
Den Beschluß macht als angenehme Über-
raschung der nur wenigen Eingeweihten bisher
vertraut gewordene Anton de Peters. In seiner
früheren Zeit geschätzt und hochbegünstigt,
gehörte er, wie auch Debucourt zu den Opfern
der Revolution, die mit ihren Gönnern ihre
Geltung verloren. Sein Nachlaß ist beisammenge-
blieben, und nur dem Intimen des Kölner Museums
war es bekannt, daß hier ein Zeichner von
großen Gaben seiner Auferstehung harrte. In
Frankreich wäre er eher zu seinem Recht ge-
langt als in seinem Vaterlande. Nun wird ihm
hier in 5 Blättern wenigstens das Wort gelassen
und die Schuld eingelöst; hoffentlich hat es da-
bei nicht sein Bewenden, denn gerade seine
Pastellzeichnungen verdienen in größerer Zahl
bekannt zu sein.
Wie hier, so liegt in manchen unserer deut-
schen Museen noch irgend ein Schatz zu heben.
Handzeichnungen gäbe es zu publizieren in
Frankfurt, Weimar, Erlangen, Donaueschingen,
Hannover, Braunschweig, auch in Krakau; es
gilt erst einmal die Aufmerksamkeit auf diese
Stellen hinzulenken und die Sammlungen dem
Studium zugänglich zu machen. Eine Zeichnung
von Dürer z. B. dürfte in Deutschland nicht un-
bekannt bleiben. Hier mit nachahmenswertem
Beispiel vorangegangen zu sein, wäre nicht das
kleinste Verdienst dieser Publikation.
Oskar Fischel.
 
Annotationen