Literatur
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Fuge von Badi wert, oder eine Arie von Mo-
zart?", kann man dagegen fragen. Der Wert
eines Bildes ist oft unabhängig von seinem
Preis, und der Preis ist genau so hoch, wie die
Summe, die dafür bezahlt wird. Mehr kann
man darüber nicht sagen; aber dies muß man
manchmal betonen.
Nicht nur nebenbei, wie an anderen Plätzen,
wird die Sammlung von Kleinskulpturen ge-
pflegt, sondern es existiert dafür ein Verein,
der aus seinen Mitteln dieses Gebiet besonders
bearbeitet. Außer berühmten Stücken, wie denen
von Wrba und Stuck, findet man manches qua-
litätvolle Werk, wie Dittlers schöne „Melusine".
Die Aufnahmen, die von R. Stickelmann ge-
macht wurden, sind fast durchweg gut. Es ist
sehr freudig zu begrüßen, daß zur Reproduk-
tion nicht die jetzt so grassierende Methode
des Pigmentdruckes gewählt wurde, bei der
man nicht wissenschaftlich arbeiten kann, son-
dern der Kohledruck, der auch einer genauen
Betrachtung mit der Lupe stand hält.
Der Mappe hat G. Pauli ein Vorwort bei-
gegeben, sowie zu jedem Bilde einige kurze,
die Abbildung ergänzende Notizen über die
Farben des Originals; ferner die nötigsten Daten
zur Gesdiichte des betreffenden Werkes.
Die Ausstattung ist würdig und schön.
Waldmann.
€
Hildegard Heyne: Max Klinger im
Rahmen der modernen Weltanschauung
und Kunst. Ein Leitfaden zum Verständnis
Klingerscher Werke. Leipzig, Georg Wiegand,
1907. Preis 1.20 M.
Die Verfasserin gibt im Vorwort und in der
Einleitung zu der Schrift ihr Programm an:
„Inhaltlich faßt die kleine Abhandlung die Re-
sultate der Klingerforschung und -Erklärung
zusammen, setzt sich in verschiedenen Fällen
mit Ansichten anderer Bearbeiter des Themas
auseinander und fügt einzelne Beobachtungen
hinzu. Zugleich aber sucht sie die Bedeutung
Klingers noch klarer zu stellen durch die Dar-
legung seines Verhältnisses zur modernen Welt-
anschauung und Kunst der Gegenwart." In
anspruchsloseren Worten läßt sich der reiche
Inhalt vorliegender Schrift kaum ankündigen.
In Wirklichkeit handelt es sich um einen auf
breitester Grundlage unternommenen, beachtens-
werten Versuch, durch die Kunst in den kom-
plizierten Organismus eines Kulturgenies ein-
zudringen. Die Untersuchung geht von der
Analyse der radierten Zyklen aus, die neben
den Werken der „Raumkunst" nach Klingers
eigenem Ausspruch (s. Malerei und Zeichnung)
auf der Grenze zwischen Malerei und Poesie
stehen, und daher zur Vermittelung geistiger
Inhalte besonders geeignet sind. Die Bildkunst,
das Tafelbild, dient in erster Linie der „Augen-
freude". Klingers Radierungen erheischen
eine Interpretation. Wer bei diesen Wer-
ken auf die Frage nach dem Inhalte der Dar-
stellungen keine Antwort zu geben weiß,
kommt nicht zu vollem Genuß. Den großen durch-
gehenden Ideenzug darzulegen, gilt der Ver-
fasserin bei der Besprechung der Zyklen als
Hauptsache. Der Zusammenhang der einzelnen
Blätter und Folgen (z. B. der „Intermezzi") ist
bisher nie derartig systematisch untersucht wor-
den. Kühn beschränkt sich auf Hinweise, die
in der Wortfülle seiner Analysen untergehen.
Die Interpretation Heynes schließt andere Inter-
pretationen nicht aus, sie stellt selbst nur eine
Hypothese dar, aber eine Hypothese, die
den Vorzug hat, Klingers geistige Entwicklung
aus seinen Schöpfungen logisch und über-
zeugend zu erklären. Heyne deutet die „Ra-
dierten Skizzen" und „Intermezzi" als eine
Elegie auf das menschliche Leben. Zu-
erst behandelt der Künstler also das Thema
„Leben", und zwar erfindet er dafür noch
nicht die Blätter, sondern stellt sie nur unter dem
erwähnten Gesichtspunkt zusammen. Jeder
über das Leben Nachdenkende empfindet Liebe
und Tod als seine Angelpunkte. Klinger be-
handelt darum nacheinander diese beiden
Themata. Zuerst die Liebe: Leicht in Amor
und Psyche, scherzhaft, echt jugendlich, mehr
im Sinne der Verliebtheit im Handschuh,
satirisch heiter in den Rettungen. Es folgt
eine philosophische Argumentation: „Eva und
die Zukunft", eine soziologische Reflexion:
„Ein Leben", „Dramen", und endlich eine ethi-
sche Betrachtung: „Eine Liebe". Geistig und
künstlerisch wächst Klinger in der Behandlung
des Themas. Er geht dann zur Bearbeitung
des Themas „Tod" allein über, der bisher nur
als Endresultat der Liebe auftrat, zuerst in
leichterer Behandlungsweise, Phantasien über
die Todeslose nebeneinanderstellend, dann im
„Tod II" zur Konstruktion eines großartigen
Ideengebäudes über den Tod und die Erlösung
zum Leben. Den Grundstein legt die Brahms-
Phantasie, denn während alle bis zu diesem
Zeitpunkte entstandenen Zyklen, die philoso-
phische Ideen enthalten, Schopenhauersche
Lebensverneinung verraten, sprechen die
„Brahms-Phantasie" und der Zyklus „Tod II"
das Bekenntnis der Lebensbejahung im Sinne
Nietzsches aus.
Eine eingehendere Besprechung der Radie-
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Fuge von Badi wert, oder eine Arie von Mo-
zart?", kann man dagegen fragen. Der Wert
eines Bildes ist oft unabhängig von seinem
Preis, und der Preis ist genau so hoch, wie die
Summe, die dafür bezahlt wird. Mehr kann
man darüber nicht sagen; aber dies muß man
manchmal betonen.
Nicht nur nebenbei, wie an anderen Plätzen,
wird die Sammlung von Kleinskulpturen ge-
pflegt, sondern es existiert dafür ein Verein,
der aus seinen Mitteln dieses Gebiet besonders
bearbeitet. Außer berühmten Stücken, wie denen
von Wrba und Stuck, findet man manches qua-
litätvolle Werk, wie Dittlers schöne „Melusine".
Die Aufnahmen, die von R. Stickelmann ge-
macht wurden, sind fast durchweg gut. Es ist
sehr freudig zu begrüßen, daß zur Reproduk-
tion nicht die jetzt so grassierende Methode
des Pigmentdruckes gewählt wurde, bei der
man nicht wissenschaftlich arbeiten kann, son-
dern der Kohledruck, der auch einer genauen
Betrachtung mit der Lupe stand hält.
Der Mappe hat G. Pauli ein Vorwort bei-
gegeben, sowie zu jedem Bilde einige kurze,
die Abbildung ergänzende Notizen über die
Farben des Originals; ferner die nötigsten Daten
zur Gesdiichte des betreffenden Werkes.
Die Ausstattung ist würdig und schön.
Waldmann.
€
Hildegard Heyne: Max Klinger im
Rahmen der modernen Weltanschauung
und Kunst. Ein Leitfaden zum Verständnis
Klingerscher Werke. Leipzig, Georg Wiegand,
1907. Preis 1.20 M.
Die Verfasserin gibt im Vorwort und in der
Einleitung zu der Schrift ihr Programm an:
„Inhaltlich faßt die kleine Abhandlung die Re-
sultate der Klingerforschung und -Erklärung
zusammen, setzt sich in verschiedenen Fällen
mit Ansichten anderer Bearbeiter des Themas
auseinander und fügt einzelne Beobachtungen
hinzu. Zugleich aber sucht sie die Bedeutung
Klingers noch klarer zu stellen durch die Dar-
legung seines Verhältnisses zur modernen Welt-
anschauung und Kunst der Gegenwart." In
anspruchsloseren Worten läßt sich der reiche
Inhalt vorliegender Schrift kaum ankündigen.
In Wirklichkeit handelt es sich um einen auf
breitester Grundlage unternommenen, beachtens-
werten Versuch, durch die Kunst in den kom-
plizierten Organismus eines Kulturgenies ein-
zudringen. Die Untersuchung geht von der
Analyse der radierten Zyklen aus, die neben
den Werken der „Raumkunst" nach Klingers
eigenem Ausspruch (s. Malerei und Zeichnung)
auf der Grenze zwischen Malerei und Poesie
stehen, und daher zur Vermittelung geistiger
Inhalte besonders geeignet sind. Die Bildkunst,
das Tafelbild, dient in erster Linie der „Augen-
freude". Klingers Radierungen erheischen
eine Interpretation. Wer bei diesen Wer-
ken auf die Frage nach dem Inhalte der Dar-
stellungen keine Antwort zu geben weiß,
kommt nicht zu vollem Genuß. Den großen durch-
gehenden Ideenzug darzulegen, gilt der Ver-
fasserin bei der Besprechung der Zyklen als
Hauptsache. Der Zusammenhang der einzelnen
Blätter und Folgen (z. B. der „Intermezzi") ist
bisher nie derartig systematisch untersucht wor-
den. Kühn beschränkt sich auf Hinweise, die
in der Wortfülle seiner Analysen untergehen.
Die Interpretation Heynes schließt andere Inter-
pretationen nicht aus, sie stellt selbst nur eine
Hypothese dar, aber eine Hypothese, die
den Vorzug hat, Klingers geistige Entwicklung
aus seinen Schöpfungen logisch und über-
zeugend zu erklären. Heyne deutet die „Ra-
dierten Skizzen" und „Intermezzi" als eine
Elegie auf das menschliche Leben. Zu-
erst behandelt der Künstler also das Thema
„Leben", und zwar erfindet er dafür noch
nicht die Blätter, sondern stellt sie nur unter dem
erwähnten Gesichtspunkt zusammen. Jeder
über das Leben Nachdenkende empfindet Liebe
und Tod als seine Angelpunkte. Klinger be-
handelt darum nacheinander diese beiden
Themata. Zuerst die Liebe: Leicht in Amor
und Psyche, scherzhaft, echt jugendlich, mehr
im Sinne der Verliebtheit im Handschuh,
satirisch heiter in den Rettungen. Es folgt
eine philosophische Argumentation: „Eva und
die Zukunft", eine soziologische Reflexion:
„Ein Leben", „Dramen", und endlich eine ethi-
sche Betrachtung: „Eine Liebe". Geistig und
künstlerisch wächst Klinger in der Behandlung
des Themas. Er geht dann zur Bearbeitung
des Themas „Tod" allein über, der bisher nur
als Endresultat der Liebe auftrat, zuerst in
leichterer Behandlungsweise, Phantasien über
die Todeslose nebeneinanderstellend, dann im
„Tod II" zur Konstruktion eines großartigen
Ideengebäudes über den Tod und die Erlösung
zum Leben. Den Grundstein legt die Brahms-
Phantasie, denn während alle bis zu diesem
Zeitpunkte entstandenen Zyklen, die philoso-
phische Ideen enthalten, Schopenhauersche
Lebensverneinung verraten, sprechen die
„Brahms-Phantasie" und der Zyklus „Tod II"
das Bekenntnis der Lebensbejahung im Sinne
Nietzsches aus.
Eine eingehendere Besprechung der Radie-