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Monatshefte für Kunstwissenschaft
Man hat deutlich den Eindruck von ihrem langsamen Heranziehen und Wachsen und
der damit auch gekennzeichneten schwülen Stimmung. Im einzelnen und näher
betrachtet hält die Zeichnung der Figuren nicht ganz stand. Der Übergang von den
ziemlich dunkel und silhouettenhaft behandelten Vordergrundfiguren zu dem in grauem
Halbton liegenden Mittelgrund vollzieht sich etwas unvermittelt. Aber dennoch liegt
über dem Ganzen ein duftiger silbergrauer Ton. Entfernt läßt es an die herrlichen
Strandbilder A. v. d. Veldes denken, ohne natürlich deren Vollkommenheit zu erreichen.
Das auf Leinwand gemalte Bild (42,5X51 cm) ist rechts voll bezeichnet. Es war 1906
auf der von Fred. Muller & Co. arrangierten Rembrandtausstellung.
Ein Gemälde von Jan Vermeer van Haarlem läßt die Vorzüge und das
feine künstlerische Empfinden dieses Meisters sehr gut zum Bewußtsein kommen,
obwohl es, oder vielleicht auch gerade weil es in die Nähe eines Bildes von Jacob
van Ruisdael gehängt ist, das ein ähnliches Motiv — aber grundverschieden in der
Stimmung — wiedergibt. Unter einer Gruppe größerer Bäume verschwinden fast ein
paar Hütten mit einigen kleinen Figuren davor. Vorn sandiger und teilweise mit Gras
bewachsener Boden mit einem stillen Wasser rechts. Darin löschen zwei Hunde ihren
Durst, während ein Mann in roten Ärmeln mit noch einem Hund rechts daneben sitzt.
Im Wasser spiegeln sich silberig die wenigen Wolken und der zartblaue Himmel.
Sehr fein ist, wie der Maler den direkt vor dem Himmel sich abhebenden Baum-
partien einen durchsichtig grünen Ton gegeben hat im Gegensatz zu den anderen
Laubmassen, vor den beschatteten Häusern. Die Ruhe und der idyllische Frieden
eines lauen Sommernachmittages gehen von dieser Landschaft aus. Ganz anders wirkt
die Ruisdaelsche Stimmung. Vor allem kommt in der Farbengebung die Verschiedenheit
der beiden Charaktere zum Ausdruck. In den Farben auf dem Bilde von Vermeer
ist überall die Beimischung von lichtem, warmem Ockergelb zu spüren. Der Ruisdaelschen
Farbenskala, die vorzugsweise mit kühlen blaugrünen Tönen operiert, scheint dies
Pigment fast ganz zu fehlen. Die Wolken sind blaugrauer, die Sandwege weißlicher, das
Grün des Laubes ist kühler. Die Zeichnung der Blätter ist schärfer, zackiger. Die
Stämme sind nicht so sehr unter dem Laub versteckt, vielmehr deutlich sichtbar; und
ein, wenn auch diesmal kleiner, kahler Baum hebt sich in dunklen Umrissen von
dem hellen Himmel ab.
Außerdem wurden noch erworben von dem Haarlemer Pieter de Grebber
eine mit dem Monogramm signierte und 1633 datierte „Kreuzabnahme" mit lebens-
großen Figuren, die stilistisch fast auf gleicher Stufe steht mit der bereits im Rijks-
museum vorhanden gewesenen etwas kleineren „Beweinung" vom Jahre 1640. Sie
hat nur mehr Helldunkel als dies Gemälde, das durch ein sattes Rot und Blau koloristisch
lebhafter gemacht ist. Die „Kreuzabnahme" stammt aus der altkatholischen Kirche in
Enkhuijsen, in der sie vorher als Altarbild diente. Ein zweites Werk dieses Meisters,
vom Jahre 1647, stellt einen jungen „Maler in orientalischem Kostüm" als Halbfigur in
etwas steifer Haltung dar. Der olivgraue Gesamtton ist nicht besonders anziehend.
Von Dirck van Deelen, der bisher im Rijksmuseum noch nicht vertreten war,
wurde auf der Sedelmeyersehen Auktion im Mai vorigen Jahres ein Bild mit dem
Monatshefte für Kunstwissenschaft
Man hat deutlich den Eindruck von ihrem langsamen Heranziehen und Wachsen und
der damit auch gekennzeichneten schwülen Stimmung. Im einzelnen und näher
betrachtet hält die Zeichnung der Figuren nicht ganz stand. Der Übergang von den
ziemlich dunkel und silhouettenhaft behandelten Vordergrundfiguren zu dem in grauem
Halbton liegenden Mittelgrund vollzieht sich etwas unvermittelt. Aber dennoch liegt
über dem Ganzen ein duftiger silbergrauer Ton. Entfernt läßt es an die herrlichen
Strandbilder A. v. d. Veldes denken, ohne natürlich deren Vollkommenheit zu erreichen.
Das auf Leinwand gemalte Bild (42,5X51 cm) ist rechts voll bezeichnet. Es war 1906
auf der von Fred. Muller & Co. arrangierten Rembrandtausstellung.
Ein Gemälde von Jan Vermeer van Haarlem läßt die Vorzüge und das
feine künstlerische Empfinden dieses Meisters sehr gut zum Bewußtsein kommen,
obwohl es, oder vielleicht auch gerade weil es in die Nähe eines Bildes von Jacob
van Ruisdael gehängt ist, das ein ähnliches Motiv — aber grundverschieden in der
Stimmung — wiedergibt. Unter einer Gruppe größerer Bäume verschwinden fast ein
paar Hütten mit einigen kleinen Figuren davor. Vorn sandiger und teilweise mit Gras
bewachsener Boden mit einem stillen Wasser rechts. Darin löschen zwei Hunde ihren
Durst, während ein Mann in roten Ärmeln mit noch einem Hund rechts daneben sitzt.
Im Wasser spiegeln sich silberig die wenigen Wolken und der zartblaue Himmel.
Sehr fein ist, wie der Maler den direkt vor dem Himmel sich abhebenden Baum-
partien einen durchsichtig grünen Ton gegeben hat im Gegensatz zu den anderen
Laubmassen, vor den beschatteten Häusern. Die Ruhe und der idyllische Frieden
eines lauen Sommernachmittages gehen von dieser Landschaft aus. Ganz anders wirkt
die Ruisdaelsche Stimmung. Vor allem kommt in der Farbengebung die Verschiedenheit
der beiden Charaktere zum Ausdruck. In den Farben auf dem Bilde von Vermeer
ist überall die Beimischung von lichtem, warmem Ockergelb zu spüren. Der Ruisdaelschen
Farbenskala, die vorzugsweise mit kühlen blaugrünen Tönen operiert, scheint dies
Pigment fast ganz zu fehlen. Die Wolken sind blaugrauer, die Sandwege weißlicher, das
Grün des Laubes ist kühler. Die Zeichnung der Blätter ist schärfer, zackiger. Die
Stämme sind nicht so sehr unter dem Laub versteckt, vielmehr deutlich sichtbar; und
ein, wenn auch diesmal kleiner, kahler Baum hebt sich in dunklen Umrissen von
dem hellen Himmel ab.
Außerdem wurden noch erworben von dem Haarlemer Pieter de Grebber
eine mit dem Monogramm signierte und 1633 datierte „Kreuzabnahme" mit lebens-
großen Figuren, die stilistisch fast auf gleicher Stufe steht mit der bereits im Rijks-
museum vorhanden gewesenen etwas kleineren „Beweinung" vom Jahre 1640. Sie
hat nur mehr Helldunkel als dies Gemälde, das durch ein sattes Rot und Blau koloristisch
lebhafter gemacht ist. Die „Kreuzabnahme" stammt aus der altkatholischen Kirche in
Enkhuijsen, in der sie vorher als Altarbild diente. Ein zweites Werk dieses Meisters,
vom Jahre 1647, stellt einen jungen „Maler in orientalischem Kostüm" als Halbfigur in
etwas steifer Haltung dar. Der olivgraue Gesamtton ist nicht besonders anziehend.
Von Dirck van Deelen, der bisher im Rijksmuseum noch nicht vertreten war,
wurde auf der Sedelmeyersehen Auktion im Mai vorigen Jahres ein Bild mit dem