Der Kunstsammler
373
gehörig, und ein Ölbild versteigert wurden und
zwar zum allerersten Male. Die Bilder behan-
deln Landschaften in Sussex und wurden von
Turner im 2. Jahrzehnt des vergangenen Jahr-
hunderts für den Großvater des Sir A. Acland-
Hood gemalt. Diese Versteigerung erregte ein
gewaltiges Interesse und galt als würdiger Ab-
schluß einer Verkaufsperiode bei Christie, die
für die englische Wasserfarbenmalerei vor allem
glänzende Preise gebracht hatte. Hier einige
der Preise aus dem Turnerverkauf: „The Vale
of Heathfield" 700 gs.; „The Vale of Pevensey"
650 gs.; The Vale of Ashburnham 610 gs. usw.
Sämtliche 13 Aquarelle sind von fast gleicher
Größe 14% zu 22 inch. Wären sie nicht etwas
von der Sonne ausgezogen gewesen und hätten
sie nicht Stockflecken gezeigt, sie hätten statt
5825 gs. zusammen sicherlich über 15000 gs.
gebracht. Denn sie stellen Turners Wasser-
farbenkunst auf ihrer Höhe dar. Dafür erzielte
ein ausgezeichnet erhaltenes großes Ölbild Turners
„The Beach at Hastings" aus seiner frühen Zeit,
ehe er noch Italien besucht hatte, den hohen
Preis von 6000 gs. (Agnew). Das Bild ist atmo-
sphärisch von wundervoller Qualität, wenn es
auch im ganzen noch an die Niederländer ge-
mahnt. Am gleichen Tage, um die wichtigsten
Ergebnisse hier noch mit anzuführen, fielen 2
dem Format nach große, dem Gefühl nach klein-
liche Landschaften Millais stark im Wert: „The
Sound of Many Waters" von 2900 (in 1892)
auf 1100 gs. und „The Fringe of the Moor"
brachte es auch nur auf die gleiche Summe: in
diesen Landschaften war Millais zu sehr der
Präraffaelit von ehedem geblieben, Kleinigkeits-
tüfteleien aber reimen sich nicht mit Freilicht-
studien. Ein malerisch feines und im Thema
schlichtes Genrebild Wilkies brachte es zu 1100gs.:
„The Cottar's Saturday Night"; ein früher Israels
zu 1600 gs: „La Fete de Jeanne". Seltsam ist,
daß der Constable des Aquarells, wie man David
Cox in seinen besten Stücken wohl nennen
könnte, geringe Schätzung erfuhr; sein lebens-
volles, licht- und lufterfülltes: „Cross Road" fiel
von 370 gs. (1870) auf 250 gs. Und auch der Land-
schafter John Linnell, der etwas weiche Maler
des Herbstes, ein jüngerer Zeitgenosse des viel
männlicheren Constables und eine seltsame aber
in seinen Hauptbildern sehr annehmbare Mischung
von Constable und Gainsborough, mußte sich
mit verhältnismäßig kleinen Preisen begnügen:
sein „Timber Waggon", der in den schönsten
und harmonischsten Farben glüht wie eine präch-
tige Herbstnatur, brachte nur 2150 gs, gegen
3100 (1892) und sein „Forest Road" nur 1280 gs.
Audi Watts Selbstbildnis, ähnlich dem in der
Tate Gallery, ein schlichtes, innerlich großes
Stück ging billig genug mit 320 gs. ab, wenn
es auch gegen früher (260 gs. 1887) stieg. Von
einigen älteren Bildern brachten zwei feine
Engelsköpfchen Reynolds 380 gs. und ein Mäd-
chenporträt Höppners 400 gs. Mehrere viktoria-
nische Akademiker, J. C. Hook, H. S. Stacy
Marks, J. H. Calderon usw. erlebten erfreulicher-
weise furchtbare Debacles; von 1420, 1050 und
1050 gs. fielen ihre Bilder auf 280, 56 und 68 gs.!
Ein Alma Tadema in des Künstlers bekannter
Manier brachte die schöne Summe von 920 gs. —
Von den älteren Aquarellisten erzielten einige
Werke P. de Wints sehr gute Preise: eine wal-
dige Landschaft 105 gs., eine Ansicht von Lincoln
gar 1050 gs., für welche gewalitge Summe Mr.
Partridge als erstes und einziges Angebot etwaige
Konkurrenten mundtot machte, ein hier manch-
mal mit Erfolg angewandtes Mittel. Die große
Sensation neben Turner aber auf dem Gebiete
der Aquarellmalerei brachte die Versteigerung
einiger Werke des frühverstorbenen FredWalker,
der oft mit gewissem Recht als eine Art eng-
lischer Millet bezeichnet wird, nur eignet ihm
statt des gewaltigen Pathos des Barbizonmeisters
ein fast kränklich zarter zum Sentimentalen
neigender Lyrismus, der sich mit den oft auch
von Millet übernommenen übertrieben starken
Bewegungen in seinen pflügenden oder säenden
oder mähenden Bauern seltsamlich mischt. Statt
eines gewaltigen Hymnus auf die Arbeit des
Menschen in der Natur bieten seine Bilder
freundliche Idyllen, die ein nach Gesundheit und
Natur verlangender Kranker in Sehnsucht und
mit schönheitstrunkenem Auge geschaffen. Diese
Kunst sagt dem englischen Käufer unendlich
viel mehr zu als Millet selber oder auch ihr
eigener kerngesunder, sicherer Constable, und
so konnte es nicht überraschen, daß Walker
als Größe ersten Ranges nun auch auf dem eng-
lischen Kunstmarkt am 7. März etabliert worden
ist. Sein „Harbour of Refuge", dessen Version
in Öl in der Tate Gallery hängt, ein Aquarell
von nur 22 zu 35% inch. Umfang, brachte nach
heißem Kampf unter lautem Applaus (man
applaudierte einem neuen Fürsten) 2580 gs. Andere
Werke des Künstlers erreichten auch hohe Preise:
das kleine Violet Field 1600 gs., gekauft von
einem Privatsammler, der sämtliche Händler
überbot und sich dann als Mr. Andrews ausgab,
wohl um — charakteristisch für hiesige Sammler
und Dradienhüter ihrer Schätze — es nicht be-
kannt werden zu lassen, daß er der Sohn Sir J.
Airds sei und dieses Bild erstanden habe. Audi
den Beehive kaufte er um 550 gs. (245 in 1888).
The Old Gate erstand Agnew um 1500 gs. Der-
selbe Tag brachte noch weitere Aufregungen,
denn an ihm und einem anderen, eine Woche
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gehörig, und ein Ölbild versteigert wurden und
zwar zum allerersten Male. Die Bilder behan-
deln Landschaften in Sussex und wurden von
Turner im 2. Jahrzehnt des vergangenen Jahr-
hunderts für den Großvater des Sir A. Acland-
Hood gemalt. Diese Versteigerung erregte ein
gewaltiges Interesse und galt als würdiger Ab-
schluß einer Verkaufsperiode bei Christie, die
für die englische Wasserfarbenmalerei vor allem
glänzende Preise gebracht hatte. Hier einige
der Preise aus dem Turnerverkauf: „The Vale
of Heathfield" 700 gs.; „The Vale of Pevensey"
650 gs.; The Vale of Ashburnham 610 gs. usw.
Sämtliche 13 Aquarelle sind von fast gleicher
Größe 14% zu 22 inch. Wären sie nicht etwas
von der Sonne ausgezogen gewesen und hätten
sie nicht Stockflecken gezeigt, sie hätten statt
5825 gs. zusammen sicherlich über 15000 gs.
gebracht. Denn sie stellen Turners Wasser-
farbenkunst auf ihrer Höhe dar. Dafür erzielte
ein ausgezeichnet erhaltenes großes Ölbild Turners
„The Beach at Hastings" aus seiner frühen Zeit,
ehe er noch Italien besucht hatte, den hohen
Preis von 6000 gs. (Agnew). Das Bild ist atmo-
sphärisch von wundervoller Qualität, wenn es
auch im ganzen noch an die Niederländer ge-
mahnt. Am gleichen Tage, um die wichtigsten
Ergebnisse hier noch mit anzuführen, fielen 2
dem Format nach große, dem Gefühl nach klein-
liche Landschaften Millais stark im Wert: „The
Sound of Many Waters" von 2900 (in 1892)
auf 1100 gs. und „The Fringe of the Moor"
brachte es auch nur auf die gleiche Summe: in
diesen Landschaften war Millais zu sehr der
Präraffaelit von ehedem geblieben, Kleinigkeits-
tüfteleien aber reimen sich nicht mit Freilicht-
studien. Ein malerisch feines und im Thema
schlichtes Genrebild Wilkies brachte es zu 1100gs.:
„The Cottar's Saturday Night"; ein früher Israels
zu 1600 gs: „La Fete de Jeanne". Seltsam ist,
daß der Constable des Aquarells, wie man David
Cox in seinen besten Stücken wohl nennen
könnte, geringe Schätzung erfuhr; sein lebens-
volles, licht- und lufterfülltes: „Cross Road" fiel
von 370 gs. (1870) auf 250 gs. Und auch der Land-
schafter John Linnell, der etwas weiche Maler
des Herbstes, ein jüngerer Zeitgenosse des viel
männlicheren Constables und eine seltsame aber
in seinen Hauptbildern sehr annehmbare Mischung
von Constable und Gainsborough, mußte sich
mit verhältnismäßig kleinen Preisen begnügen:
sein „Timber Waggon", der in den schönsten
und harmonischsten Farben glüht wie eine präch-
tige Herbstnatur, brachte nur 2150 gs, gegen
3100 (1892) und sein „Forest Road" nur 1280 gs.
Audi Watts Selbstbildnis, ähnlich dem in der
Tate Gallery, ein schlichtes, innerlich großes
Stück ging billig genug mit 320 gs. ab, wenn
es auch gegen früher (260 gs. 1887) stieg. Von
einigen älteren Bildern brachten zwei feine
Engelsköpfchen Reynolds 380 gs. und ein Mäd-
chenporträt Höppners 400 gs. Mehrere viktoria-
nische Akademiker, J. C. Hook, H. S. Stacy
Marks, J. H. Calderon usw. erlebten erfreulicher-
weise furchtbare Debacles; von 1420, 1050 und
1050 gs. fielen ihre Bilder auf 280, 56 und 68 gs.!
Ein Alma Tadema in des Künstlers bekannter
Manier brachte die schöne Summe von 920 gs. —
Von den älteren Aquarellisten erzielten einige
Werke P. de Wints sehr gute Preise: eine wal-
dige Landschaft 105 gs., eine Ansicht von Lincoln
gar 1050 gs., für welche gewalitge Summe Mr.
Partridge als erstes und einziges Angebot etwaige
Konkurrenten mundtot machte, ein hier manch-
mal mit Erfolg angewandtes Mittel. Die große
Sensation neben Turner aber auf dem Gebiete
der Aquarellmalerei brachte die Versteigerung
einiger Werke des frühverstorbenen FredWalker,
der oft mit gewissem Recht als eine Art eng-
lischer Millet bezeichnet wird, nur eignet ihm
statt des gewaltigen Pathos des Barbizonmeisters
ein fast kränklich zarter zum Sentimentalen
neigender Lyrismus, der sich mit den oft auch
von Millet übernommenen übertrieben starken
Bewegungen in seinen pflügenden oder säenden
oder mähenden Bauern seltsamlich mischt. Statt
eines gewaltigen Hymnus auf die Arbeit des
Menschen in der Natur bieten seine Bilder
freundliche Idyllen, die ein nach Gesundheit und
Natur verlangender Kranker in Sehnsucht und
mit schönheitstrunkenem Auge geschaffen. Diese
Kunst sagt dem englischen Käufer unendlich
viel mehr zu als Millet selber oder auch ihr
eigener kerngesunder, sicherer Constable, und
so konnte es nicht überraschen, daß Walker
als Größe ersten Ranges nun auch auf dem eng-
lischen Kunstmarkt am 7. März etabliert worden
ist. Sein „Harbour of Refuge", dessen Version
in Öl in der Tate Gallery hängt, ein Aquarell
von nur 22 zu 35% inch. Umfang, brachte nach
heißem Kampf unter lautem Applaus (man
applaudierte einem neuen Fürsten) 2580 gs. Andere
Werke des Künstlers erreichten auch hohe Preise:
das kleine Violet Field 1600 gs., gekauft von
einem Privatsammler, der sämtliche Händler
überbot und sich dann als Mr. Andrews ausgab,
wohl um — charakteristisch für hiesige Sammler
und Dradienhüter ihrer Schätze — es nicht be-
kannt werden zu lassen, daß er der Sohn Sir J.
Airds sei und dieses Bild erstanden habe. Audi
den Beehive kaufte er um 550 gs. (245 in 1888).
The Old Gate erstand Agnew um 1500 gs. Der-
selbe Tag brachte noch weitere Aufregungen,
denn an ihm und einem anderen, eine Woche