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Monatshefte für Kunstwissenschaft
MÜNCHEN =============
Der Münchener Kunstverein, der bereits
im Laufe des März als Geburtstagsgabe für den
Prinzregenten eine kleine Ausstellung von Bil-
dern der Altmünchener aus privatem Besitz
veranstaltet hatte, vermochte sich auch im April
durch die Werke der „Achtundvierziger" die
Aufmerksamkeit zu sichern. Es wird uns ja in
letzter Zeit viel von erlauchten „Toten" dar-
geboten, die noch fröhlich sich der Sonne freuen,
und die Korrigenda der Diez-Schule haben ein
mephistophelisches Schütteln alter Fläuse („Ich
schüttele noch einmal den alten Flaus, noch
eines flattert hier und dort hinaus") bewirkt.
Im Interesse der Gerechtigkeit ist das zu loben,
sobald es nicht ins Langweilige sich wendet.
Schon bei den „Achtundvierzig" — die ihren
scheinbar revolutionären Namen übrigens erst
kürzlich annahmen, als sie, 48 an der Zahl, aus
der Luitpoldgruppe ausschieden, um eine eigene
Vereinigung zu bilden — wird man des frühen
Leibltones satt, der in den siebziger Jahren so
schwarzvertiefte Finsternisse beliebte. Selbst
ein ganz ausgezeichnetes und sehr bemerkens-
wertes Damenbildnis von Defregger leidet
daran, während die vorzügliche Modellierung
des Gesichtes, die subtile Behandlung von Ne-
bensächlichkeiten, wie der weißen Halskrause
das Meisterwerk stempeln, dem selbst Leibls
Jäger an Natürlichkeit nicht obsiegt. Erdtelt,
dessen Vorliebe für romantische Männerköpfe
aus der Ausstellung der Diez-Schüler noch in
der Erinnerung haftet, zeigt neuerdings ein
gutes Porträt. Einige Kleinigkeiten von Her-
mann Kaulbach sind nicht imstande, den Glauben
an sein Können wachzurufen, und die dekorative
Plafondskizze Wagners (für den Geh. Kom-
merzienrat von Stieber in Schloß Ratibor in
Roth a. S. bei Nürnberg groß ausgeführt) kopiert
allzu getreulich die berühmten Vorbilder im
Dogenpalast.
Die Kunsthandlung von Heinemann hat im
April den gesamten künstlerischen Nachlaß
von Wilhelm Busch ausgestellt, der an die
Neffen des Meisters, Pastor und Dr. Nöldecke,
übergegangen ist. Er umfaßt etwa 250 Stück,
kleine Bilder, Bleistift-, Tusch-, Feder-, Kreide-
zeichnungen und Aquarelle. Daß Wilhelm Busch
als Maler bisher völlig unbekannt war, läßt
sich nicht sagen. Was ihn selbst verhindert
hat, sich als Maler zu bekennen, das entzieht
sich der Kenntnis. Aber die Kunde von dem
beharrlichen Fleiß, mit dem Busch an der
Staffelei sitze, der ihn mit großem Zeichenblock
ausgerüstet an sonnige Waldlichtungen schickte,
hat von jeher Freunde und Anhänger nicht ver-
wundert, die daran dachten, daß Busch mit
heiligem Ernst in Düsseldorf anfing, wo die
Schadow, Schrödter und Sohn den mit Busch
gleichalterigen Knaus belehrten, wo vielleicht
der lustige Jobsmaler Hasenclever den ersten
ernstlichen Einfluß auf den angehenden Maler
Busch ausübte. Die weiter wußten, daß man
Busch auf der Jahrhundertausstellung einen
Ehrenplatz gegeben hatte, wo jenes köstliche
Malerbildnis mit der geröteten Nase aus trunk-
feuchten Augen schelmisch und nachdenklich
entgegenschaute, mit seiner flüchtigen Technik,
die der fest packenden Hand um die Palette ein
leichtes alkoholisches Zittern zu geben schien.
Die Ausstellung des Buschschen Nachlasses gibt
nun Gelegenheit, Busch kunstkritisch zu werten.
Aber das muß ein Versuch bleiben, unter den
das Endurteil ja nicht eher gesetzt werden darf,
als bis uns einmal auch die fertigen Werke des
Meisters gezeigt werden. Vielleicht wird dann
nicht der Genremaler, nicht der Landschafter,
sondern der Porträtist als der Höchststehende
erkannt werden. Vielleicht! Diesmal trägt un-
streitig der Schüler Alt-Hollands, der Genre-
maler den Sieg davon. Busch hat seinen Vor-
bildern das kleine Format weggenommen und
die Technik der Untermalung abgeguckt. Dann
packte es ihn, er selbst zu sein, und da fuhr er
temperamentvoll mit breiten Strichen über die
Leinwand. Ein knalliges Lackrot gibt auf Grau
oder Gelbbraun einen überkräftigen Akzent,
und außer dieser Lieblingsfarbe meldet sich ein
lichtes Blau, niemals ein aufdringliches Grün,
wie überhaupt schreiende Farben außer jenem
Rot der Palette fernblieben. Bei den Land-
schaften erhält die Perspektive auf der ebenen
Fläche eine hervorragende Wichtigkeit. Bei den
Genreszenen läßt sich ein Streben nach mög-
lichster Vereinfachung des Ausdrucks erkennen.
Unter den Zeichnungen sind Blätter mit Käfern
und Fliegen, allerhand Hausrat, Blümchen, win-
zige Figürchen, oft nur mit wenigen Strichen
gemacht, ausgeschnitten aus einem Geburtstags-
briefbogen. Daneben hängen akademisch sorg-
fältig gezeichnete große Landschaften neben
Studien von Gerippen, Schädel und Skelette,
einzelne Knochen, die für medizinische Werke
gemacht scheinen. Man beugt sich vor dem
Ernst dieses Mannes und dieser Kunst. Und
ebenso vor diesem Fleiß.
Für die Spitzweg-Ausstellung, die in
dankenswerter Weise vom Münchener Kunst-
verein veranstaltet werden wird, ist nunmehr
die Zeit festgesetzt worden: vom 20. Juni bis
zum 20. Juli 1908. Außer dem gesamten Nachlaß
des Künstlers, soweit derselbe sich im Besitze
der Familie befindet (etwa 40 Gemälde und
Monatshefte für Kunstwissenschaft
MÜNCHEN =============
Der Münchener Kunstverein, der bereits
im Laufe des März als Geburtstagsgabe für den
Prinzregenten eine kleine Ausstellung von Bil-
dern der Altmünchener aus privatem Besitz
veranstaltet hatte, vermochte sich auch im April
durch die Werke der „Achtundvierziger" die
Aufmerksamkeit zu sichern. Es wird uns ja in
letzter Zeit viel von erlauchten „Toten" dar-
geboten, die noch fröhlich sich der Sonne freuen,
und die Korrigenda der Diez-Schule haben ein
mephistophelisches Schütteln alter Fläuse („Ich
schüttele noch einmal den alten Flaus, noch
eines flattert hier und dort hinaus") bewirkt.
Im Interesse der Gerechtigkeit ist das zu loben,
sobald es nicht ins Langweilige sich wendet.
Schon bei den „Achtundvierzig" — die ihren
scheinbar revolutionären Namen übrigens erst
kürzlich annahmen, als sie, 48 an der Zahl, aus
der Luitpoldgruppe ausschieden, um eine eigene
Vereinigung zu bilden — wird man des frühen
Leibltones satt, der in den siebziger Jahren so
schwarzvertiefte Finsternisse beliebte. Selbst
ein ganz ausgezeichnetes und sehr bemerkens-
wertes Damenbildnis von Defregger leidet
daran, während die vorzügliche Modellierung
des Gesichtes, die subtile Behandlung von Ne-
bensächlichkeiten, wie der weißen Halskrause
das Meisterwerk stempeln, dem selbst Leibls
Jäger an Natürlichkeit nicht obsiegt. Erdtelt,
dessen Vorliebe für romantische Männerköpfe
aus der Ausstellung der Diez-Schüler noch in
der Erinnerung haftet, zeigt neuerdings ein
gutes Porträt. Einige Kleinigkeiten von Her-
mann Kaulbach sind nicht imstande, den Glauben
an sein Können wachzurufen, und die dekorative
Plafondskizze Wagners (für den Geh. Kom-
merzienrat von Stieber in Schloß Ratibor in
Roth a. S. bei Nürnberg groß ausgeführt) kopiert
allzu getreulich die berühmten Vorbilder im
Dogenpalast.
Die Kunsthandlung von Heinemann hat im
April den gesamten künstlerischen Nachlaß
von Wilhelm Busch ausgestellt, der an die
Neffen des Meisters, Pastor und Dr. Nöldecke,
übergegangen ist. Er umfaßt etwa 250 Stück,
kleine Bilder, Bleistift-, Tusch-, Feder-, Kreide-
zeichnungen und Aquarelle. Daß Wilhelm Busch
als Maler bisher völlig unbekannt war, läßt
sich nicht sagen. Was ihn selbst verhindert
hat, sich als Maler zu bekennen, das entzieht
sich der Kenntnis. Aber die Kunde von dem
beharrlichen Fleiß, mit dem Busch an der
Staffelei sitze, der ihn mit großem Zeichenblock
ausgerüstet an sonnige Waldlichtungen schickte,
hat von jeher Freunde und Anhänger nicht ver-
wundert, die daran dachten, daß Busch mit
heiligem Ernst in Düsseldorf anfing, wo die
Schadow, Schrödter und Sohn den mit Busch
gleichalterigen Knaus belehrten, wo vielleicht
der lustige Jobsmaler Hasenclever den ersten
ernstlichen Einfluß auf den angehenden Maler
Busch ausübte. Die weiter wußten, daß man
Busch auf der Jahrhundertausstellung einen
Ehrenplatz gegeben hatte, wo jenes köstliche
Malerbildnis mit der geröteten Nase aus trunk-
feuchten Augen schelmisch und nachdenklich
entgegenschaute, mit seiner flüchtigen Technik,
die der fest packenden Hand um die Palette ein
leichtes alkoholisches Zittern zu geben schien.
Die Ausstellung des Buschschen Nachlasses gibt
nun Gelegenheit, Busch kunstkritisch zu werten.
Aber das muß ein Versuch bleiben, unter den
das Endurteil ja nicht eher gesetzt werden darf,
als bis uns einmal auch die fertigen Werke des
Meisters gezeigt werden. Vielleicht wird dann
nicht der Genremaler, nicht der Landschafter,
sondern der Porträtist als der Höchststehende
erkannt werden. Vielleicht! Diesmal trägt un-
streitig der Schüler Alt-Hollands, der Genre-
maler den Sieg davon. Busch hat seinen Vor-
bildern das kleine Format weggenommen und
die Technik der Untermalung abgeguckt. Dann
packte es ihn, er selbst zu sein, und da fuhr er
temperamentvoll mit breiten Strichen über die
Leinwand. Ein knalliges Lackrot gibt auf Grau
oder Gelbbraun einen überkräftigen Akzent,
und außer dieser Lieblingsfarbe meldet sich ein
lichtes Blau, niemals ein aufdringliches Grün,
wie überhaupt schreiende Farben außer jenem
Rot der Palette fernblieben. Bei den Land-
schaften erhält die Perspektive auf der ebenen
Fläche eine hervorragende Wichtigkeit. Bei den
Genreszenen läßt sich ein Streben nach mög-
lichster Vereinfachung des Ausdrucks erkennen.
Unter den Zeichnungen sind Blätter mit Käfern
und Fliegen, allerhand Hausrat, Blümchen, win-
zige Figürchen, oft nur mit wenigen Strichen
gemacht, ausgeschnitten aus einem Geburtstags-
briefbogen. Daneben hängen akademisch sorg-
fältig gezeichnete große Landschaften neben
Studien von Gerippen, Schädel und Skelette,
einzelne Knochen, die für medizinische Werke
gemacht scheinen. Man beugt sich vor dem
Ernst dieses Mannes und dieser Kunst. Und
ebenso vor diesem Fleiß.
Für die Spitzweg-Ausstellung, die in
dankenswerter Weise vom Münchener Kunst-
verein veranstaltet werden wird, ist nunmehr
die Zeit festgesetzt worden: vom 20. Juni bis
zum 20. Juli 1908. Außer dem gesamten Nachlaß
des Künstlers, soweit derselbe sich im Besitze
der Familie befindet (etwa 40 Gemälde und