Literatur
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Verwirrende ausgedehnt; da sich die Behand-
lung der gleichen Probleme bei der Durchnahme
der einzelnen Bilder beständig wiederholt, ent-
steht eine ermüdende Breite der Darstellung;
unzählige Einzelheiten ziehen in Vergleichen
mit andern Meistern, in der Feststellung von
Beeinflussungen, in der steten Gegenüberstellung
der Stile (Quattrocento — Cinquecento) an uns
vorüber, und sie wollen sich nicht zum Ganzen
einen, weil das geistige Band der schaffenden
Persönlichkeit fehlt, das alles in der Einheit
eines künstlerischen Willens zusammenhielte.
Wölfflin ist dieser Gefahr der Zersplitterung in
seinem Dürer nicht immer entgangen; Knapp
ist ihr erlegen. Die zusammenfassenden Be-
merkungen der Einleitung sind nicht genügend,
die Gruppierung der einzelnen Perioden ist
nicht überzeugend. Über einen der geschmack-
vollsten und graziösesten Meister ist hier ein
wenig homogenes, schwerfälliges und in der
äußeren Form unzulängliches Buch geschrieben
worden.
Knapp stellt die hohe koloristische Begabung
Andreas in den Mittelpunkt seiner Darstellung,
und seine ausführlichen, mit großer Sorgfalt
angefertigten Farbenanalysen sind das Beste
seiner Arbeit und gehen weit über alles bisher
Gegebene hinaus. Starkem Widerspruch wird
seine ziemlich gesuchte Annahme begegnen, daß
Andrea während seines Aufenthaltes in Paris
von „nordischer Koloristik" beeinflußt worden
sei, wobei etwa an Fouquet und den Maitre
des moulins zu denken ist. Ebensowenig geht
es m. E. an, ihn „einen Stammesverwandten
des großen Michelangelo" zu nennen. So oft
er ihn nachgeahmt, so viel er von ihm gelernt,
der Stoff, aus dem der geschmeidige Andrea
gebildet, ist ein ganz andrer. Eher mag er mit
Correggio, der in dem ganzen Buche nur zwei-
mal, mit Giorgione, der gar nicht erwähnt wird,
verwandt sein; man mag ihn an Lonardo an-
knüpfen; von Michelangelo trennt ihn eine un-
überbrückbare Kluft. Darum wird man auch
gegen den monumentalen Stil, den Kn. als letzte
Periode des Meisters unter dem dominierenden
Einfluß Michelangelos annehmen will, miß-
trauisch sein. Andreas' „Monumentalität" hat
stets etwas Spielerisches, Verwischtes, und die
Parforcestücke in der Art des Fra Bartolommeo
oder Michelangelo nimmt der Verf. nach meiner
Meinung viel zu ernst. Mit der beständigen
Feststellung von Einflüssen wird in dem ganzen
Buche überhaupt ein gewisser Sport getrieben.
Dicht nebeneinander auf derselben Seite (23)
„scheint er durch Filippino und dessen Strozzi-
fresken beeinflußt", wird gefragt: „Sollte übri-
gens der springende Hund nicht eine Reminiszenz
aus Schongauers Kreuztragung sein?" So ist
wohl auch der unleugbar große Einfluß Dürers
überschätzt, der Zusammenhang mit Correggio,
aus einer innerlichen Verwandtschaft beider
resultierend, zu gering angeschlagen.
Kn.'s Analyse einzelner Werke ist sehr ein-
gehend aus einer genauen Kenntnis und Ver-
trautheit mit dem Stoff erwachsen. Seine
Arbeiten über Andreas' Lehrer, Piero di Cosimo
und Fra Bartolommeo, haben ihn ja in der
florentinischen Kunstgeschichte besonders hei-
misch werden lassen. Vortrefflich ist z. B. die
allmähliche Entwicklung der Kunst des Meisters
in den Scalzofresken anschaulich gemacht, wenn-
gleich die einzelnen Bilder des Zyklus durch
die chronologische Anordnung auseinander ge-
rissen werden. Im Urteil ist der Verf. jedoch
allzu unbekümmert und schnell fertig, wie er
denn auch die Ausmalung von Bildern, die er
nicht kennt, nach seiner Phantasie unternimmt,
wobei ihm manche Mängel seiner vorlauten
Divination nachgewiesen werden könnten. So
wird auch der Zeichner Andrea, dieser Meister
„senza errori", in einem kurzen aphoristischen
Anhang abgetan, während ein tiefstes Ein-
dringen in seine Kunst durch einen beständigen
Hinweis auf die Zeichnungen bei Analyse der
Bilder allein möglich wäre. Die nichtachtende
Erwähnung Berensons bei dieser Gelegenheit
wird manchen unangenehm berühren, zumal
Kn. sich durchaus an seinen Katalog der Hand-
zeichnungen hält. Ich bekenne jedenfalls, aus
Berensons geistvollem Abschnitt über Andrea
in seinen „drawings of florentine painters"
mehr gelernt zu haben, als aus Kn.'s ganzem
Buche. Auch den Vorwurf: „voller großer
Phrasen und ohne Klarheit der Definition", der
Berensons Charkteristik gemacht wird, könnte
man leicht auf Kn." zurückwenden. Das falsche
Pathos und die abstruse Art der Darstellung,
die in seiner Einleitung zu dem Michelangelo
der „Klassiker der Kunst" manchmal direkt
unabsichtlich komisch wirken, fehlen so ziemlich,
aber an stilistischen Entgleisungen, an un-
anschaulichen Satz- und Worthäufungen, an
saloppen Redewendungen ist kein Mangel, und
sie stören eigentlich am meisten in diesem
Buche, dem bei allen Fehlern kenntnisreiche
Sammlung und sorgfältiger Eifer nicht abzu-
sprechen sind. Paul Landau.
€
V. v. Loga. Goyas Zeichnungen. Sep.-
Abdr. aus: Die graphischen Künste. Wien, Ge-
sellschaft für vervielf. Kunst. Fol.
V. v. Loga, der unermüdliche Goyaforscher
hat, seit er vor vier Jahren sein grundlegendes
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Verwirrende ausgedehnt; da sich die Behand-
lung der gleichen Probleme bei der Durchnahme
der einzelnen Bilder beständig wiederholt, ent-
steht eine ermüdende Breite der Darstellung;
unzählige Einzelheiten ziehen in Vergleichen
mit andern Meistern, in der Feststellung von
Beeinflussungen, in der steten Gegenüberstellung
der Stile (Quattrocento — Cinquecento) an uns
vorüber, und sie wollen sich nicht zum Ganzen
einen, weil das geistige Band der schaffenden
Persönlichkeit fehlt, das alles in der Einheit
eines künstlerischen Willens zusammenhielte.
Wölfflin ist dieser Gefahr der Zersplitterung in
seinem Dürer nicht immer entgangen; Knapp
ist ihr erlegen. Die zusammenfassenden Be-
merkungen der Einleitung sind nicht genügend,
die Gruppierung der einzelnen Perioden ist
nicht überzeugend. Über einen der geschmack-
vollsten und graziösesten Meister ist hier ein
wenig homogenes, schwerfälliges und in der
äußeren Form unzulängliches Buch geschrieben
worden.
Knapp stellt die hohe koloristische Begabung
Andreas in den Mittelpunkt seiner Darstellung,
und seine ausführlichen, mit großer Sorgfalt
angefertigten Farbenanalysen sind das Beste
seiner Arbeit und gehen weit über alles bisher
Gegebene hinaus. Starkem Widerspruch wird
seine ziemlich gesuchte Annahme begegnen, daß
Andrea während seines Aufenthaltes in Paris
von „nordischer Koloristik" beeinflußt worden
sei, wobei etwa an Fouquet und den Maitre
des moulins zu denken ist. Ebensowenig geht
es m. E. an, ihn „einen Stammesverwandten
des großen Michelangelo" zu nennen. So oft
er ihn nachgeahmt, so viel er von ihm gelernt,
der Stoff, aus dem der geschmeidige Andrea
gebildet, ist ein ganz andrer. Eher mag er mit
Correggio, der in dem ganzen Buche nur zwei-
mal, mit Giorgione, der gar nicht erwähnt wird,
verwandt sein; man mag ihn an Lonardo an-
knüpfen; von Michelangelo trennt ihn eine un-
überbrückbare Kluft. Darum wird man auch
gegen den monumentalen Stil, den Kn. als letzte
Periode des Meisters unter dem dominierenden
Einfluß Michelangelos annehmen will, miß-
trauisch sein. Andreas' „Monumentalität" hat
stets etwas Spielerisches, Verwischtes, und die
Parforcestücke in der Art des Fra Bartolommeo
oder Michelangelo nimmt der Verf. nach meiner
Meinung viel zu ernst. Mit der beständigen
Feststellung von Einflüssen wird in dem ganzen
Buche überhaupt ein gewisser Sport getrieben.
Dicht nebeneinander auf derselben Seite (23)
„scheint er durch Filippino und dessen Strozzi-
fresken beeinflußt", wird gefragt: „Sollte übri-
gens der springende Hund nicht eine Reminiszenz
aus Schongauers Kreuztragung sein?" So ist
wohl auch der unleugbar große Einfluß Dürers
überschätzt, der Zusammenhang mit Correggio,
aus einer innerlichen Verwandtschaft beider
resultierend, zu gering angeschlagen.
Kn.'s Analyse einzelner Werke ist sehr ein-
gehend aus einer genauen Kenntnis und Ver-
trautheit mit dem Stoff erwachsen. Seine
Arbeiten über Andreas' Lehrer, Piero di Cosimo
und Fra Bartolommeo, haben ihn ja in der
florentinischen Kunstgeschichte besonders hei-
misch werden lassen. Vortrefflich ist z. B. die
allmähliche Entwicklung der Kunst des Meisters
in den Scalzofresken anschaulich gemacht, wenn-
gleich die einzelnen Bilder des Zyklus durch
die chronologische Anordnung auseinander ge-
rissen werden. Im Urteil ist der Verf. jedoch
allzu unbekümmert und schnell fertig, wie er
denn auch die Ausmalung von Bildern, die er
nicht kennt, nach seiner Phantasie unternimmt,
wobei ihm manche Mängel seiner vorlauten
Divination nachgewiesen werden könnten. So
wird auch der Zeichner Andrea, dieser Meister
„senza errori", in einem kurzen aphoristischen
Anhang abgetan, während ein tiefstes Ein-
dringen in seine Kunst durch einen beständigen
Hinweis auf die Zeichnungen bei Analyse der
Bilder allein möglich wäre. Die nichtachtende
Erwähnung Berensons bei dieser Gelegenheit
wird manchen unangenehm berühren, zumal
Kn. sich durchaus an seinen Katalog der Hand-
zeichnungen hält. Ich bekenne jedenfalls, aus
Berensons geistvollem Abschnitt über Andrea
in seinen „drawings of florentine painters"
mehr gelernt zu haben, als aus Kn.'s ganzem
Buche. Auch den Vorwurf: „voller großer
Phrasen und ohne Klarheit der Definition", der
Berensons Charkteristik gemacht wird, könnte
man leicht auf Kn." zurückwenden. Das falsche
Pathos und die abstruse Art der Darstellung,
die in seiner Einleitung zu dem Michelangelo
der „Klassiker der Kunst" manchmal direkt
unabsichtlich komisch wirken, fehlen so ziemlich,
aber an stilistischen Entgleisungen, an un-
anschaulichen Satz- und Worthäufungen, an
saloppen Redewendungen ist kein Mangel, und
sie stören eigentlich am meisten in diesem
Buche, dem bei allen Fehlern kenntnisreiche
Sammlung und sorgfältiger Eifer nicht abzu-
sprechen sind. Paul Landau.
€
V. v. Loga. Goyas Zeichnungen. Sep.-
Abdr. aus: Die graphischen Künste. Wien, Ge-
sellschaft für vervielf. Kunst. Fol.
V. v. Loga, der unermüdliche Goyaforscher
hat, seit er vor vier Jahren sein grundlegendes