Literatur
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sondern vor allem auch einen schönen Anfang,
dem ein zu Weiterem ermutigender Erfolg zu
wünschen ist. Heinz Braune
^
Theobald Hofmann. Raffael in seiner
Bedeutung als Architekt. I. Villa Madama
zu Rom. 2. Aufl. Leipzig. Gilbers'sche Verlags-
buchhandlung. — 1908.
Vor einigen Jahren habe ich in diesen Blätteru
ein Werk desselben Verfassers besprochen, das
unter dem Titel „Bauten des Herzogs Federigo
di Montefeltro als Erstwerke der Hochrenais-
sance" 1904 erschien. Dieses sollte als Ein-
führung für Hofmanns Raffaelwerk dienen und
die Quellen der Architektur - Auffassung der
großen Italiener klar erkennen lassen. —
Merkwürdigerweise war die erste Auflage
des heute neu vorliegenden Buches schon vor-
her erschienen, das seinerseits der Beginn einer
Reihe von ähnlichen Arbeiten sein soll, die
Raffaels gesamtes baukünstlerisches Werk ein-
gehend behandeln wollen. — Offenbar hatte der
Verfasser die Notwendigkeit gefühlt, seinem
großartigen Plane, von dem zu hoffen ist, daß
er auch ganz zur Ausführung gelangt, in jenem
anderen Werke das unentbehrliche Fundament
zu geben. Gewiß mit Recht. Denn an sich ent-
springt die Kunst auch des Größten nie ohne
Vorläufer, wie Minerva aus Zeus Haupte; an-
derseits ist jene eigentümliche Architekturauf-
fassung, die Raffael zu ihrer Höhe erhob, die
durch Giuliano Romano im Palazzo del Te ihren
ruhmvollen Abschluß fand, in der Kunst Luciano
da Lauranas völlig vorgebildet. Meiner Ansicht
nach gehört nur noch Peruzzi zu dieser eigen-
tümlichen und bedeutungsvollen Gruppe, Bra-
mante, so nahe er in örtlicher und persönlicher
Beziehung Laurana gekommen sein mag, in
nur wenigen Werken, der Hauptsache und seinem
künstlerischen Wesen nach dagegen nicht.
Th. Hofmann, der diese Arbeit als Staats-Semper-
preisstudie unternahm, hat sich dann in der
Villa Madama gleich das eigentlich wichtigste
oder wenigstens reizvollste und schönste Objekt
der Reihe herausgesucht und es in der von mir
früher geschilderten eigentümlichen Manier be-
arbeitet und dargestellt.
Ein ganz lakonischer Text, in dem in kurzen
Kapiteln die Geschichte der Villa, ihre Bau-
geschichte, eine präzise Behandlung des Bau-
werks außen und innen, seiner Dekorationen
und seiner Baumaterialien, die noch erhaltenen
Bauzeichnungen und die unter Raffael am Bau
beschäftigten Künstler ihre Erledigung finden,
(an der noch Dr. L. Bloch und Prof. Dr. Breitfeld
mitgearbeitet haben), — gibt die eben not-
wendigen Unterlagen zum Verständnis des eigent-
lichen Materials.
Dieses selber aber besteht in einer photo-
graphischen und zeichnerischen Darstellung und
der Nachbildung der erhaltenen Originalzeich-
nungen des Bauwerks auf 50 Tafeln; einer bild-
lichen Darstellung so eingehend und in jeden
Winkel hineinleuchtend, daß es dem Beschauer
möglich ist, sich von jenem den allergenauesten
Begriff bis ins Einzelnste zu machen und sich
sozusagen durch Autopsie selber zu bilden.
— Gewiss ein vortreffliches und nachahmens-
wertes Verfahren, das das Objekt geradezu er-
schöpft. Es sind etwa 150 verschiedene Ab-
bildungen, die sich auf jene 50 Tafeln verteilen;
für das eine Gebäude sicherlich ausreichend,
und also mehr Anschauung bietend, als etwa
selbst mehrtägiger Aufenthalt am Orte zu geben
vermöchte, für den aber, der die Villa kennt,
eine Auffrischung des Eindrucks nicht nur, son-
dern eine Darbietung, wie wenn er selber
darin wandelte und studierte.
Und dazu außer genauesten und meister-
haften architektonischen Zeichnungen von Plan,
Aufriß und Detail auch noch so ziemlich alle be-
kannten sonstvorhandenen bildlichen Materialien,
die sich auf die Villa Madama beziehen.
Wäre auch nichts weiter gegeben, als dies,
so wäre es schon ein gewaltiges Verdienst
das vielleicht dem Untergange verfallene un-
vergleichliche Werk in so genauer Darstellung
der Nachwelt gerettet zu haben. Unterliegt
es ja doch keinem Zweifel, daß es, wenn ihm
unter des frühverstorbenen Meisters Leitung
die Vollendung beschieden gewesen wäre, ja
wenn nicht der furchtbare sacco di Roma 1527
auch dem eben kaum halbfertigen Werke teil-
weise den Untergang gebracht hätte, uns den
Höhepunkt der italienischen Hochrenaissance im
Villenbau dargestellt haben würde.
Selbt in seinen Trümmern ist das noch fast
so; für mich ist die wunderbare Halle mit ihren
Nischen in ihrer ganz unvergleichlichen Aus-
stattung in Architektur, Stukkatur und Malerei
heute noch eine der höchsten Schätze meiner
künstlerischen Erinnerung, wie ja das Ganze bis
in die Gartenanlagen hinein im Untergange
noch ein Werk herrlichster Kunst aber auch
wunderbarster Poesie bleibt. —
Den eigentlichen inneren Zusammenhang in
Gedanken und Formen mit den früheren Werken
Raffaels wie jenen Lauranas und anderer Vor-
gänger bleibt uns freilich der Verfasser für jetzt
schuldig — oder auch er überläßt es dem, der
sein Werk gründlich studiert, diesen Zusammen-
hang selber zu finden, was in der Tat nicht
allzu schwer ist. Voraussichtlich müßten denn
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sondern vor allem auch einen schönen Anfang,
dem ein zu Weiterem ermutigender Erfolg zu
wünschen ist. Heinz Braune
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Theobald Hofmann. Raffael in seiner
Bedeutung als Architekt. I. Villa Madama
zu Rom. 2. Aufl. Leipzig. Gilbers'sche Verlags-
buchhandlung. — 1908.
Vor einigen Jahren habe ich in diesen Blätteru
ein Werk desselben Verfassers besprochen, das
unter dem Titel „Bauten des Herzogs Federigo
di Montefeltro als Erstwerke der Hochrenais-
sance" 1904 erschien. Dieses sollte als Ein-
führung für Hofmanns Raffaelwerk dienen und
die Quellen der Architektur - Auffassung der
großen Italiener klar erkennen lassen. —
Merkwürdigerweise war die erste Auflage
des heute neu vorliegenden Buches schon vor-
her erschienen, das seinerseits der Beginn einer
Reihe von ähnlichen Arbeiten sein soll, die
Raffaels gesamtes baukünstlerisches Werk ein-
gehend behandeln wollen. — Offenbar hatte der
Verfasser die Notwendigkeit gefühlt, seinem
großartigen Plane, von dem zu hoffen ist, daß
er auch ganz zur Ausführung gelangt, in jenem
anderen Werke das unentbehrliche Fundament
zu geben. Gewiß mit Recht. Denn an sich ent-
springt die Kunst auch des Größten nie ohne
Vorläufer, wie Minerva aus Zeus Haupte; an-
derseits ist jene eigentümliche Architekturauf-
fassung, die Raffael zu ihrer Höhe erhob, die
durch Giuliano Romano im Palazzo del Te ihren
ruhmvollen Abschluß fand, in der Kunst Luciano
da Lauranas völlig vorgebildet. Meiner Ansicht
nach gehört nur noch Peruzzi zu dieser eigen-
tümlichen und bedeutungsvollen Gruppe, Bra-
mante, so nahe er in örtlicher und persönlicher
Beziehung Laurana gekommen sein mag, in
nur wenigen Werken, der Hauptsache und seinem
künstlerischen Wesen nach dagegen nicht.
Th. Hofmann, der diese Arbeit als Staats-Semper-
preisstudie unternahm, hat sich dann in der
Villa Madama gleich das eigentlich wichtigste
oder wenigstens reizvollste und schönste Objekt
der Reihe herausgesucht und es in der von mir
früher geschilderten eigentümlichen Manier be-
arbeitet und dargestellt.
Ein ganz lakonischer Text, in dem in kurzen
Kapiteln die Geschichte der Villa, ihre Bau-
geschichte, eine präzise Behandlung des Bau-
werks außen und innen, seiner Dekorationen
und seiner Baumaterialien, die noch erhaltenen
Bauzeichnungen und die unter Raffael am Bau
beschäftigten Künstler ihre Erledigung finden,
(an der noch Dr. L. Bloch und Prof. Dr. Breitfeld
mitgearbeitet haben), — gibt die eben not-
wendigen Unterlagen zum Verständnis des eigent-
lichen Materials.
Dieses selber aber besteht in einer photo-
graphischen und zeichnerischen Darstellung und
der Nachbildung der erhaltenen Originalzeich-
nungen des Bauwerks auf 50 Tafeln; einer bild-
lichen Darstellung so eingehend und in jeden
Winkel hineinleuchtend, daß es dem Beschauer
möglich ist, sich von jenem den allergenauesten
Begriff bis ins Einzelnste zu machen und sich
sozusagen durch Autopsie selber zu bilden.
— Gewiss ein vortreffliches und nachahmens-
wertes Verfahren, das das Objekt geradezu er-
schöpft. Es sind etwa 150 verschiedene Ab-
bildungen, die sich auf jene 50 Tafeln verteilen;
für das eine Gebäude sicherlich ausreichend,
und also mehr Anschauung bietend, als etwa
selbst mehrtägiger Aufenthalt am Orte zu geben
vermöchte, für den aber, der die Villa kennt,
eine Auffrischung des Eindrucks nicht nur, son-
dern eine Darbietung, wie wenn er selber
darin wandelte und studierte.
Und dazu außer genauesten und meister-
haften architektonischen Zeichnungen von Plan,
Aufriß und Detail auch noch so ziemlich alle be-
kannten sonstvorhandenen bildlichen Materialien,
die sich auf die Villa Madama beziehen.
Wäre auch nichts weiter gegeben, als dies,
so wäre es schon ein gewaltiges Verdienst
das vielleicht dem Untergange verfallene un-
vergleichliche Werk in so genauer Darstellung
der Nachwelt gerettet zu haben. Unterliegt
es ja doch keinem Zweifel, daß es, wenn ihm
unter des frühverstorbenen Meisters Leitung
die Vollendung beschieden gewesen wäre, ja
wenn nicht der furchtbare sacco di Roma 1527
auch dem eben kaum halbfertigen Werke teil-
weise den Untergang gebracht hätte, uns den
Höhepunkt der italienischen Hochrenaissance im
Villenbau dargestellt haben würde.
Selbt in seinen Trümmern ist das noch fast
so; für mich ist die wunderbare Halle mit ihren
Nischen in ihrer ganz unvergleichlichen Aus-
stattung in Architektur, Stukkatur und Malerei
heute noch eine der höchsten Schätze meiner
künstlerischen Erinnerung, wie ja das Ganze bis
in die Gartenanlagen hinein im Untergange
noch ein Werk herrlichster Kunst aber auch
wunderbarster Poesie bleibt. —
Den eigentlichen inneren Zusammenhang in
Gedanken und Formen mit den früheren Werken
Raffaels wie jenen Lauranas und anderer Vor-
gänger bleibt uns freilich der Verfasser für jetzt
schuldig — oder auch er überläßt es dem, der
sein Werk gründlich studiert, diesen Zusammen-
hang selber zu finden, was in der Tat nicht
allzu schwer ist. Voraussichtlich müßten denn
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