Rundschau
75
Herr Hettner schreitet dann zur Betrachtung
des auf beiden Seiten bezeichneten Blattes des
British Museum, welches Studien zu den Engeln
mit den Marterwerkzeugen enthält und bei
Steinmann a.a. 0., S. 663 u. 664 abgebildet ist.
Auf diesem finden sich einige direkt umgekehrte
Zeichnungen. Um dieses nachzuweisen, gibt
der Vortragende ein Schema von mit der rechten
und mit der linken Hand gezeichneten Streich-
lagen und stellt fest, daß eine Zeichnung, deren
Stridiführung ganz oder großenteils von links
oben nach rechts unten oder von rechts unten
nach links oben geht, entweder von einem
Linkshänder gezeichnet ist oder anders herum,
als wie wir es zu betrachten gewohnt sind.
Dies ist z. B. der Fall bei der scheinbar sich auf
die verschränkten Arme stützenden Figur. Das
Modell für diese Skizze lag in Wirklichkeit auf
dem Rücken, wie die unbestimmt gegebene
Rückenlinie und die Strichführung zeigen. In
weiterer Analyse werden dann beide Blätter
studiert unter interessanten Ergebnissen, die
dann wiederum dafür sprechen, in ihnen echte
Skizzen Michelangelos zu erkennen. Bei einer
ganzen Reihe von Gestalten des Jüngsten Ge-
richts und der Sixtinischen Decke ist die ge-
schilderte Arbeitsmethode von Michelangelo an-
gewendet worden, wie weitere Ausführungen
des Vortragenden beweisen; ferner ist sie auch
von Signorelli und Correggio geübt worden.
Herr Hettner beabsichtigt seine Studien zu ver-
öffentlichen, und es ist von ihnen in vielen
Punkten eine endgültige Klärung in der kriti-
schen Einschätzung der Blätter zu erwarten.
Herr Dr. Corwegh versuchte die Datierung
der Befreiung der Andromeda des Piero di
Cosimo, welche Knapp früher als die für Francesco
da Pugliese gearbeitete Andromeda-Serie an-
setzt, als ein Spätwerk des Meisters dadurch
nachzuweisen, daß er feststellt, Piero habe die
Gestalt des Platon aus Raffaels etwa 1510 ent-
standenen Schule von Athen für die Zeusstatue,
die im Hintergründe sichtbar ist, auf seinem
Bilde verwendet; denn diese Zeusstatue sei
durchaus unantik, die Alten hätten jene Wei-
sung nach oben nicht gekannt. — Dazu be-
merkt der Unterzeichnete, daß die Zeusstatue
auf dem Bilde Pieros den bekannten antiken
Zeusstatuen, wie die Zusammenstellung bei
Reinach (Repertoire de la Statuaire qrecque et
romaine. Vol. I, pag. 184—196) beweist, viel
entschiedener ähnle als dem Platon auf Raffaels
Fresko; denn der Arm der Zeusstatuen (auch
der vollständig erhaltenen) wird hoch über die
Kopfhöhe erhoben, und so stellt auch Piero das
Götterbild dar, während Platon nur den Unter-
arm erhebt und mit der Hand nicht ganz zur
Scheitelhöhe gelangt. Den erhobenen Finger
hat Piero aus der Darstellung der Propheten
herübergenommen, so daß man die Gestalt des
Zeus bei Piero als selbständige ohne Kenntnis
von Raffaels Werk geschaffene Leistung be-
trachten muß und sie nicht in dem von Herrn
Dr. Corwegh gemeinten Sinne zur Datierung her-
anziehen kann. Im übrigen besteht zwischen
dem Einzelbilde und der Serie ein so großer
Unterschied in der Malweise, daß sie zeitlich
nicht zusammgehören können. — Eine weitere
Mitteilung des H. Dr. Corwegh bezog sich auf
die großen Toröffnungen des Erdgeschosses bei
Florentiner Palästen, die als Loggien anzusehen
seien und welche nur so lange als offene Hallen
erhalten wurden, als der betreffende Palast an
einem offenen Platze lag und welche geschlossen
wurden, sobald der Raum davor schmal wurde.
Er stützt sich dabei auf das Bild des Granacci
in der Brera, welches den Einzug Karls VIII.
in Florenz darstellt und worauf vor dem Palazzo
Medici ein weiter Platz und die Parterrefenster
des Palastes noch als Tore sichtbar sind. —
Dagegen hat der Unterzeichnete anzuführen,
daß die Breite der Mauerstücke zwischen den
drei Öffnungen und die in ihnen angebrachten
kleinen Fenster den Loggiencharakter aus-
schließen. Im übrigen könne eine Lösung der
Frage nur durch Untersuchung des Mauerwerks
selber gegeben werden. Auf dem Bilde Granaccis
sei offenbar kein offener Platz gemeint, sondern
die Straße sei so erweitert gezeichnet worden,
um dem Künstler Platz zur Unterbringung des
Zuges Karls VIII. zu schaffen. Loggien und
hallenartige Gewölbe kamen, wie noch heute
der Augenschein lehrt, auch in den engsten
Gassen vor. Im allgemeinen hing die Zu-
mauerung der offenen Gewölbe der Florentiner
Paläste mit der veränderten Stellung der aus
dem Kaufmannsstande hervorgegangenen Adels-
familien zusammen, welche das Vorhandensein
von Verkaufsgewölben in ihren Häusern seit
dem Ende des Quattrocento nicht mehr als
standesgemäß ansahen. Es ist für diese Wen-
dung charakteristisch, daß die Absicht des Filippo
Strozzi in seinem 1489 begonnenen Palaste
Läden einzurichten von Lorenzo Magnifico als
eine zu verhütende Unwürdigkeit bekämpft
wurde.
Herr Professor Brockhaus spricht über eines
der bekanntesten plastischen Werke aus der
ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts, das in Stutt-
gart steht. Dort befindet sich im Schloßgarten
gleich am Eingang ein Teich, an dem zwei
große steinerne Nymphen liegen, von Dannecker
ausgeführt. Audi dieses Werk wie so viele
andere habe seine Wurzeln in Italien und zwar
75
Herr Hettner schreitet dann zur Betrachtung
des auf beiden Seiten bezeichneten Blattes des
British Museum, welches Studien zu den Engeln
mit den Marterwerkzeugen enthält und bei
Steinmann a.a. 0., S. 663 u. 664 abgebildet ist.
Auf diesem finden sich einige direkt umgekehrte
Zeichnungen. Um dieses nachzuweisen, gibt
der Vortragende ein Schema von mit der rechten
und mit der linken Hand gezeichneten Streich-
lagen und stellt fest, daß eine Zeichnung, deren
Stridiführung ganz oder großenteils von links
oben nach rechts unten oder von rechts unten
nach links oben geht, entweder von einem
Linkshänder gezeichnet ist oder anders herum,
als wie wir es zu betrachten gewohnt sind.
Dies ist z. B. der Fall bei der scheinbar sich auf
die verschränkten Arme stützenden Figur. Das
Modell für diese Skizze lag in Wirklichkeit auf
dem Rücken, wie die unbestimmt gegebene
Rückenlinie und die Strichführung zeigen. In
weiterer Analyse werden dann beide Blätter
studiert unter interessanten Ergebnissen, die
dann wiederum dafür sprechen, in ihnen echte
Skizzen Michelangelos zu erkennen. Bei einer
ganzen Reihe von Gestalten des Jüngsten Ge-
richts und der Sixtinischen Decke ist die ge-
schilderte Arbeitsmethode von Michelangelo an-
gewendet worden, wie weitere Ausführungen
des Vortragenden beweisen; ferner ist sie auch
von Signorelli und Correggio geübt worden.
Herr Hettner beabsichtigt seine Studien zu ver-
öffentlichen, und es ist von ihnen in vielen
Punkten eine endgültige Klärung in der kriti-
schen Einschätzung der Blätter zu erwarten.
Herr Dr. Corwegh versuchte die Datierung
der Befreiung der Andromeda des Piero di
Cosimo, welche Knapp früher als die für Francesco
da Pugliese gearbeitete Andromeda-Serie an-
setzt, als ein Spätwerk des Meisters dadurch
nachzuweisen, daß er feststellt, Piero habe die
Gestalt des Platon aus Raffaels etwa 1510 ent-
standenen Schule von Athen für die Zeusstatue,
die im Hintergründe sichtbar ist, auf seinem
Bilde verwendet; denn diese Zeusstatue sei
durchaus unantik, die Alten hätten jene Wei-
sung nach oben nicht gekannt. — Dazu be-
merkt der Unterzeichnete, daß die Zeusstatue
auf dem Bilde Pieros den bekannten antiken
Zeusstatuen, wie die Zusammenstellung bei
Reinach (Repertoire de la Statuaire qrecque et
romaine. Vol. I, pag. 184—196) beweist, viel
entschiedener ähnle als dem Platon auf Raffaels
Fresko; denn der Arm der Zeusstatuen (auch
der vollständig erhaltenen) wird hoch über die
Kopfhöhe erhoben, und so stellt auch Piero das
Götterbild dar, während Platon nur den Unter-
arm erhebt und mit der Hand nicht ganz zur
Scheitelhöhe gelangt. Den erhobenen Finger
hat Piero aus der Darstellung der Propheten
herübergenommen, so daß man die Gestalt des
Zeus bei Piero als selbständige ohne Kenntnis
von Raffaels Werk geschaffene Leistung be-
trachten muß und sie nicht in dem von Herrn
Dr. Corwegh gemeinten Sinne zur Datierung her-
anziehen kann. Im übrigen besteht zwischen
dem Einzelbilde und der Serie ein so großer
Unterschied in der Malweise, daß sie zeitlich
nicht zusammgehören können. — Eine weitere
Mitteilung des H. Dr. Corwegh bezog sich auf
die großen Toröffnungen des Erdgeschosses bei
Florentiner Palästen, die als Loggien anzusehen
seien und welche nur so lange als offene Hallen
erhalten wurden, als der betreffende Palast an
einem offenen Platze lag und welche geschlossen
wurden, sobald der Raum davor schmal wurde.
Er stützt sich dabei auf das Bild des Granacci
in der Brera, welches den Einzug Karls VIII.
in Florenz darstellt und worauf vor dem Palazzo
Medici ein weiter Platz und die Parterrefenster
des Palastes noch als Tore sichtbar sind. —
Dagegen hat der Unterzeichnete anzuführen,
daß die Breite der Mauerstücke zwischen den
drei Öffnungen und die in ihnen angebrachten
kleinen Fenster den Loggiencharakter aus-
schließen. Im übrigen könne eine Lösung der
Frage nur durch Untersuchung des Mauerwerks
selber gegeben werden. Auf dem Bilde Granaccis
sei offenbar kein offener Platz gemeint, sondern
die Straße sei so erweitert gezeichnet worden,
um dem Künstler Platz zur Unterbringung des
Zuges Karls VIII. zu schaffen. Loggien und
hallenartige Gewölbe kamen, wie noch heute
der Augenschein lehrt, auch in den engsten
Gassen vor. Im allgemeinen hing die Zu-
mauerung der offenen Gewölbe der Florentiner
Paläste mit der veränderten Stellung der aus
dem Kaufmannsstande hervorgegangenen Adels-
familien zusammen, welche das Vorhandensein
von Verkaufsgewölben in ihren Häusern seit
dem Ende des Quattrocento nicht mehr als
standesgemäß ansahen. Es ist für diese Wen-
dung charakteristisch, daß die Absicht des Filippo
Strozzi in seinem 1489 begonnenen Palaste
Läden einzurichten von Lorenzo Magnifico als
eine zu verhütende Unwürdigkeit bekämpft
wurde.
Herr Professor Brockhaus spricht über eines
der bekanntesten plastischen Werke aus der
ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts, das in Stutt-
gart steht. Dort befindet sich im Schloßgarten
gleich am Eingang ein Teich, an dem zwei
große steinerne Nymphen liegen, von Dannecker
ausgeführt. Audi dieses Werk wie so viele
andere habe seine Wurzeln in Italien und zwar