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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 1. Halbband, Heft 1 - 6.1908

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Heft 1/2
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.70400#0090
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82 Monatshefte für Kunstwissenschaft

hier auch schwache Produkte befinden. Das
Langschiff dagegen wurde für die widitigsten
und zugleich dunkelsten Gemälde ausersehen:
die Werke Murillos.
Murillos Meisterwerke, arm an stärkeren
koloristischen Kontrasten, nur in der Nüance
fest und kraftvoll, sind hier in der Nüance nur
schwer zu genießen, man sieht zuerst nur große,
tote Flächen wie bei Riberas Massenprodukten.
Und dem den reifen Arbeiten Murillos eigen-
tümlichen, grüngrauen Grund, diesem nur ihm
eigentümlichen, bei seinen vielen Nachahmern
nie sich findenden Ton, gibt das Reflexlicht der
Wand einen dunkelroten Beigeschmack, der
nur bei wenigen Besuchern Beifall finden möchte.
Mit Gewalt kann man aber jedes Bild kraftlos
und süßlich machen. Und hier ist es mit Ge-
walt gelungen. Hier gibt es den Murillo im
Urteil des Tages, in typischer Form: diesen
Lieblingsmaler seniler Sonntagsästheten und
diesen „überwundenen" Murillo der ernsthafteren
Leute, die ihn nicht genauer kennen.
Man sollte den einen der quadratischen
Klosterhöfe — vielleicht den südlichen, weil
seine Architektur nicht von Bedeutung ist -
unter Glas bringen und so einen großen Mu-
rillosaal schaffen, den Boden der Kirche er-
höhen oder die Fenster herunterziehen, vor
allem aber die Wände mit einem vorteilhafteren
Ton bedenken.
Der Platzmangel im Museum des Prado hat
dort in der Verteilung der Bilder zu Miß-
ständen geführt, die trotz mehrfacher, die
Staatskasse belastender Umordnungen, wovon,
wenn ich nicht irre, auch der letzte Etat berichtet,
weiterbestehen. Man sollte die in Madrid jetzt
ohnehin schon wenig beachteten Werke der
Sevillaner Malerschule einschließlich der Werke
des Murillo an Sevilla abgeben, so wäre dem
Prado eine Last genommmen und das Museum
hier in der wünschenswertesten Weise ergänzt.
H. Wendland.
HOLLAND ---= --
In der heurigen Kunstsaison hat das
sonst so ruhige Holland einige erregte Ge-
müter gesehen. Und zwar wegen des von der
Regierung warm befürworteten Ankaufes von
39 Gemälden aus der Sammlung Six in
Amsterdam (dem Erbteil der Linie Six-Vromade),
unter denen als Hauptstück des Delfter Vermeer
bekanntes „Milchmädchen" glänzte. Man hätte
zwar, um an den Staatssäckel nicht allzugroße
Anforderungen zu stellen, auf die 38 andern
Gemälde verzichtet. Aber die nach dieser Richtung

hin unternommenen Versuche, den Vermeer allein
zu erwerben, scheiterten. Die Eigentümer wollten
nur alles zusammen verkaufen — oder sonst
öffentlich versteigern. Hierzu durfte es der
Staat jedoch nicht kommen lassen. Denn der
großen Gefahr, daß dann ein amerikanischer
Milliardär — der auch bereits auf der Lauer
stand — das seltene Bild auf Nimmerwieder-
sehen ausführte, mußte vorgebeugt werden. An
der Zweiten Kammer lag es, den geforderten Preis
von 751 000 Gulden zu bewilligen, von welcher
Summe der Verein „Rembrandt" 200000 Gulden
zu tragen versprach. Natürlich gab es Leute,
denen dieser Preis für „ein paar Bilder" viel zu
hoch war. Sie machten gehörig scharf und sparten
auch nicht mit durchaus ungerechtfertigten und
nicht zur Sache gehörigen persönlichen Angriffen.
Nach ihrer Ansicht konnte der Staat sein Geld
vorteilhafter anlegen, oder in anderer Weise
mehr Segen damit schaffen: denn dem Ruhme
der holländischen Kunst schade es durchaus nicht,
wenn ihn übei all in der Welt Gemälde ver-
kündeten. Gewiß, dem Ruhme der holländischen
Kunst. Aber über das Volk selber, das so stolz
auf diesen Ruhm sein kann, und sich doch so
leichten Herzens von einem Kunstwerk wie das
„Milchmädchen" hätte trennen können, hätte
man sich im Ausland doch seine eigenen Ge-
danken gemacht. — Um so erfreulicher war es,
zu sehen, daß die Volksvertreter in der Zweiten
Kammer am 18. Dezember ohne lange Debatte
mit großer Mehrheit den Ankauf beschlossen.
Heute hängt das „Milchmädchen" bereits im
Rijksmuseum in einem der kleinen Seiten-
kabinette inmitten der 37 anderen Bilder (der
sogenannte Rubens hat in dem großen vlämi-
schen Saal seinen Platz gefunden), die es alle
hell überstrahlt. Die Amsterdamer wandern in
Scharen ins Museum, um nun endlich auch den
kostbaren Schatz in Augenschein zu nehmen,
um den sie sich bisher eigentlich wenig geküm-
mert hatten. Aber sie sind von dem kleinen
Bild, das auf etwa 500000 Gulden geschätzt
wurde, nicht enttäuscht.
Eine bedauernswerte Begleiterscheinung jenes
unerfreulichen Kampfes um die „Six-oollectie"
war die Ankündigung des Herrn Prof. Jhr. Dr.
Jan Six, daß die in seiner Wohnung bleibenden
anderen Kunstschätze in Zukunft fremden Be-
suchern nicht mehr zugänglich sein sollen.
Diese Bereicherung der holländischen Samm-
lungen — zu der noch andere Neuerwerbungen
kommen, über die ich im Zusammenhang im
nächsten Heft berichten will — war wohl das
wichtigste Ereignis der letzten Monate.
Für die Entwickelung der Kunstwissen-
schaft in Holland bedeutet die Neuerrichtung
 
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