Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur — 1.1905

DOI Heft:
Erstes Heft (Januar 1905)
DOI Artikel:
Schottmüller, Frida: [Rezension von: Agnes Gosche, Mailand. Berühmte Kunststätten, Band 27]
DOI Artikel:
Eggeling, Otto: [Rezension von: Marcel Montandon, Segantini. Künstlermonographien von H. Knackfuss]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.50013#0022

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
14

Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur.

Januar -Heft.

feine Interpretation gegeben. Doch hätte es mit-
unter — ich denke zum Beispiel an Lionardos Ein-
fluss auf die lombardische Malerei — noch ein-
gehender, noch prägnanter geschehen können.
Gerade der Laie bedarf dergleichen und der Ge-
bildete wünscht es sich. Am wertvollsten hierin
sind die Kapitel über Architektur, z. B. die ein-
gehenden Schilderungen von S. Lorenzo und Am-
brogio, vom Ospedale maggiore und von Bramantes
Werken in der Lombardei. Beim Dom hätte ich
eine Auseinandersetzung mit der viel geschmähten
Eassade gewünscht. Sein- interessant wäre ein
Vergleich mit den Entwürfen für S. Petronio in
Bologna, wo Tibaldi z. T. in ähnlicher Weise Gotik
und Barock mischen wollte.
Von den zwei Madonnen in der Grotte wird
die aus London abgebildet und die Frage nach dem
eigenhändigen Schaffen Lionardos an einer der-
selben offen gelassen. Mir scheint, hier spricht
die Stilkritik so vornehmlich zugunsten des Louvre-
Bildes, dass man der Dokumente entraten könnte.
Schon an sehr guten Photographien ist der Ab-
stand zwischen Meister-Werk und Schüler-Kopie
erkennbar. Auch für das Frauenbildnis im Museo
Poldi-Pezzoli schwankt A. G. zwischen der Attri-
bution an Domenico Veneziano und Antonio Pollai-
nolo. Auch Piero della Francesca und Verrocchio
wurde schon als Autorname vorgeschlagen. Das
Bild ist viel mehr auf koloristische als auf
plastische Wirkung gesehen; es entspricht dem
Lehrer Piero della Francescas darin sehr viel mehr
als dem Bildhauer-Maler aus Florenz.
Zwei solche Details entscheiden natürlich nicht
über den Wert eines Buches, das in fast allen
seinen Teilen sehr sorgfältig gearbeitet ist.
Frida Schottmüller.
Marcel Montandon: Segantini. Künstler-
monographien von H. Knackfuss. Bielefeld
und Leipzig, Velhagen & Klasing. 1904. Mit
101 Abb. 122 S. Grösse 8°. Preis 4 M.
Der Verfasser obigen Heftchens bringt aus den
Quellen (Selbstbiographie, Schriften der Frau und
der Freunde Segantinis) hinreichenden Stoff, um
uns seinen Helden sichtbar zu machen. Trotz der
Not. der Einsamkeit, dem schlechten Unterricht in
der Jugend erwächst ein selbständiger Künstler;
denn diesem Italiener eignen jene Leidenschaft,
jener Fleiss, jenes Genie, die unter seinen Lands-
leuten des öftern gefunden wurden. Wie Cellini
braust er gegen seine Feinde auf, wenn auch die
milder gew ordenen Zeiten ihn zwingen, den Laternen-
pfahl statt des Professors zu verwunden, und wie
wir Michael Angelo bewundern, weil er mit aus-
dauernder Kraft die Sixtinische Kapelle schmückte
und ein Menschengeschlecht bildete, das vor ihm

niemand gesehen, so müssen wir auch anerkennen
dass Segantini bei den Millionen feiner Striche
seiner Flechttechnik nicht ermüdete, und dass der
Hauptvorwurf seiner Kunst von ihm zuerst ge-
staltet ward.
Wir lesen bei Montandon, wie unser Maler in
Städten am Fuss der Alpen (Bugatto, Pusiano)
seine Fertigkeiten übt, Zeichnen und Malen lernt.
Wir sehen den seiner Mittel mächtigen Meister
nach Savognino hinaufsteigen, um dort die Freude
an der höchsten Bergwelt zu schöpfen und sie in
Bildern von ursprünglicher Kraft und mit ausdruck-
gewaltiger Technik darzustellen. Endlich wohnen
wir auch dem Bingen von Maloja bei, da der
Künstler es wagt, sich über die Höhen der sicht-
baren Welt in die des Geistes zu erheben. Montandon
zählt eine grosse Menge von Tafeln Segantinis auf.
würdigt die Landschaftsbilder und das Menschen-
und Tierleben auf ihnen ausführlich, schildert immer
geistvoller, je mein’ der Maler sich seiner Höhe
nähert, und findet für den Eindruck der besten
Werke Worte so freudigen Jubels, wie der Be-
schauer ihn vor diesen Gemälden erlebt.
So dürfte das neue Heft der Sammlung Knackfuss
angetan sein, seinen Zweck zu erreichen, wenn es
auch manches zu wünschen lässt. Wir wollen nicht
betonen, dass der Ausdruck ab und zu schwerfällig
ist; aber eines scheint einen unrichtigen Zug in
das Lebensbild gebracht zu haben, jene Krankheit
der Biographen, die schon von Plutarch geschildert
wurde, jene Krankheit, den Helden in zuviel
Licht zu sehen. Wir wollen auch liier nicht von
Einzelheiten sprechen, etwa davon, dass über den
„Herbst“ gesagt wird, die Werke Giottos, Ghibertis,
Bobbias am Campanile und an den Türen des
Baptisteriums seien nicht anders und nicht schöner,
oder davon, dass die Bilder der Segantinischen
Magd in den Alpenlandschaften der Kunst einen
ebenso bedeutsamen Typus geschenkt haben sollen,
wie die Bilder der Buti, der Fornarina, der Mona
Lisa. Auch Superlative wie: „Das herrlichste
Hochtal, das Wirklichkeit oder Kunst je hervor-
gebracht“ oder „Die Virtuosität, die mit nie fehlender
Sicherheit, ohne im geringsten kleinlich zu werden,
jede Textur wiedergibt“, diese Superlative sind
zwar zu beklagen; aber sie sind eine bedauerns-
werte und häufige Krankheit unserer kunstgeschicht-
lichen Literatur. Das jedoch scheint ein bedeut-
samer Irrtum Montandons, wenn er in seinem Helden
einen gelehrten Denker und einen hervorragenden
symbolischen Maler sieht.
Gewiss, Segantini war hochgebildet, fein durch
Neigung und Volksart, verständnisvoll aufnehmend,
was seine Freunde ihm darboten, die Höhen seiner
Kunst ersteigend und klar darüber sprechend; aber
 
Annotationen