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Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur — 1.1905

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Achtes Heft (August 1905)
DOI Artikel:
Popp, Hermann: [Rezension von: A. Eleutheropulos, Das Schöne. Aesthetik auf das allgemein menschliche und das Künstlerbewusstsein gegründet]
DOI Artikel:
Loubier, J.: [Rezension von: Rudolf von Larisch, Unterricht in ornamentaler Schrift]
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https://doi.org/10.11588/diglit.50013#0191

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August-Heft.

Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur.

183

der Kunst wird dann erkannt, dass das Schöne mit
der Existenz eines Subjektes nichts zu tun hat,
dass es ohne dieses vorhanden ist. Das Schöne
und die Schönheit ist eine notwendige Erscheinung
in sich, und sie existiert also für sich. Auf die
Kunst angewandt, heisst dies: die Kunstprodukte
sind um der Kunst willen da und dienen keinem
anderen (Nützlichkeits-) Zweck, ebenso wie die Na-
turprodukte keinem andern Zweck dienen und nur
durch die innere Notwendigkeit bestehen, die sie
hervorbrachte.
Die Erkenntnis, dass das Schöne als Verhält-
nis zwischen Eorm und Inhalt der Objekte nicht
von der Existenz der Subjekte abhängt, führt nun
zur Erage, wie der Mensch überhaupt dazu kommt,
die Objekte ästhetisch zu werten Die Antwort
lautet: Da es sich bei der Wertung nur um eine
Aufnahme des Objektiven im Subjekte handeln
kann, und da ferner das Schöne als ein Verhältnis
zwischen Form und Wesen (Idee, Inhalt) des Ob-
jektes erkannt wurde, so erhellt, dass es sich bei
jener Aufnahme um einen Erkenntnisakt handelt.
Die ästhetische Wertung ist also durch eine Er-
kenntnis bedingt, die nicht, wie bei der gewöhn-
lichen Erkenntnis, dem Wesen der Objekte, sondern
dem ihnen innewohnenden Verhältnis zwischen
Form und Idee gilt und die intuitiv geübt wird.
Hierdurch wird auch klar, dass die bei. der ästhe-
tischen Wertung im Subjekte auf treten den Gefühle
(Lustgefühle, Wohlgefallen etc.) nicht Bedingungen,
sondern nur Begleiterscheinungen der Wertung
sind, denn diese wird eben durch die intuitive Er-
kenntnis veranlasst. Es kann also angenommen
werden: der Mensch besitzt eine besondere Er-
kenntnisart der Objekte, nämlich die, welche auf
das Verhältnis zwischen Form und Wesen derselben
gerichtet ist. In diesem Sinne darf also von einem
Schönheitssinne bezw. Schönheitsgesetz im Men-
schen gesprochen werden.
Mit Rücksichtnahme auf die Entwicklungshöhe
und Offenbarung dieses Schönheitssinnes lassen
sich drei Grade unterscheiden: der Laie (als Name
für die, je nach der Begabung der Nation in der
Höhe und Stärke wechselnde allgemeine Betäti-
gung des Schönheitssinnes); der Kunstkenner (als
Name für die entwickeltere Betätigung des Schön-
heitssinnes und für die Fähigkeit, den Wert der
künstlerischen Produktion einzusehen); der Künstler
(als Name für die eigentliche Offenbarung des
Schönheitssinnes, der ihn zum neuen Schaffen
treibt). Durch die Wesensbestimmung des Künst-
lers als „potenziertes und tätiges „Sollen“ des Schön-
heitsgesetzes auf dem Gebiete der Neuschaffung,
der Neuschöpfung der Naturprodukte überhaupt“
wird auch klar, dass die Kunst die besondere Tätig-

keit, die besondere Schöpfungsweise des Menschen
als Künstler ist, und dass ihre Aufgabe, d. h. ihr
Wesen, das ist, was den Menschen als Künstler
zum Schaffen antreibt, nämlich jenes „Sollen“ des
Schönheitsgesetzes, das alles seinem innersten
Wesen entsprechend, nach harmonischen Verhält-
nissen zwischen Form und Wesen (Idee) gestaltet
wissen will.
Dies ist andeutungsweise der Inhalt dieses un-
gemein scharfsinnigen Buches, in dem zum ersten
Mal, voraussetzungslos das Problem des „Schönen“
abgehandelt ist.
Hermann Popp.
Verschiedenes.
Rudolf von Larisch, Unterricht in orna-
mentaler Schrift. Wien 1905. Verlag der k. k.
Hof- u. Staatsdruckerei. 8°. 85 S. mit ein-
gedruckten Schriftbeispielen, 2 Schrift-
tafeln. M. 4.—-
Im Auftrage des k. k. Ministeriums für Kultus
und Unterricht hat Rud. v. Larisch auf Grund
seiner eigenen Unterrichtsmethode diesen Lehr-
gang für den Unterricht in ornamentaler Schrift
ausgearbeitet. In lebendiger und anschaulicher
Schilderung wird die neue Unterrichtsmethode,
mit der der Verfasser so ausgezeichnete Erfolge
erzielt hat, dargelegt. Die abgebildeten Schrift-
beispiele, alles Arbeiten von Schülern von Larisch,
sollen nicht als mustergiltige Schriftvorlagen an-
gesehen werden, sondern nur als Erläuterungen
für die Darlegung seiner Ausbildungsmethode.
Seine Unterrichtsmethode weicht von der bisher
geltenden vollkommen ab.
Vor allem verwirft Larisch das übliche Ko-
pieren von Vorlagen, dagegen legt er gleich im
Anfang des Unterrichts auf die Ausbildung einer
individuellen ornamentalen Schrift den allergrössten
Nachdruck. Jeder Schüler wird zur Hebung im
ornamentalen Schreiben angehalten. Dabei wird
von Anfang an mit berücksichtigt, dass er Schrift-
felder in den Raum zu setzen lernt.
Das Abzirkeln der Buchstaben und das Ein-
zeichnen einzelner Buchstaben in Netzquadrate
wird aufgegeben. Der Schüler muss nicht nur die
Gestalt der Buchstaben, sondern auch die Zwischen-
räume zwischen den Buchstaben optisch erfassen
lernen. Auf eine ornamentale Massenverteilung der
Buchstaben im Verhältnis zum Gesamtbild kommt
es an. Die Schüler bekommen schon auf der
ersten Stufe des Unterrichts die Aufgabe, einen
längeren Text ornamental niederzuschreiben.
 
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