Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur — 1.1905

DOI Heft:
Zehntes Heft (Oktober 1903)
DOI Artikel:
Haenel, Erich: [Rezension von: Hermann Esswein, Moderne Illustratoren]
DOI Artikel:
Sachs, Curt: [Rezension von: Karl Koetschau, Fortunat von Schubert-Soldern (Hg.), Dresdner Jahrbuch 1905]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.50013#0246
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
238

Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur.

Oktober-Heft.

Wenn er Heine einen „unerbittlichen Optiker“ nennt,
wenn er von „sensationierenden Momenten“ spricht,
den Ausdruck „veranschaulichungssüchtig“ bildet,
so sind das noch nicht seine schwersten Sünden
gegen den Hl. Wustmann. Auch die Mode, einzelne
Worte und Sätze durch gesperrten Druck herauszu-
heben, hat einen stark sensationellen Beigeschmack.
Das, was der Verfasser sagt, ist oft wirklich ver-
ständig und anregend — wie er es sagt, macht
die Lektüre der Hefte fast ungeniessbar. Die
Sprache befindet sich wie in einem andauernden
Rausch; ein Epitheton tritt dem anderen auf die
Fersen, eine Definition gräbt der andern das Funda-
ment ab, rechts und links klirrt es und knallt es
von Trümmern und Scherben. Man sehnt sich
nach irgend einer lebendigen Metapher, einem
Tropus ; der Sturzbach jugendlicher’ Akademismen
braust unaufhaltsam weiter, und was das "Wasser
aufwühlt, sind nicht nur Perlen und klare, bunte
Kiesel. — Vielleicht beweisen die kommenden Hefte,
denen wir gern entgegensehen, dass gedankliche
Arbeit, und die ist nicht zu leugnen, nicht unbedingt
mit solch betäubender Masslosigkeit der Form ver-
bunden sein muss.
Erich Haenel
Blätter für bernische Geschichte, Kunst und
Altertumskunde. Herausgegeben von Dr.
Gustav Grün au unter Mit Wirkung ver-
schiedener Gesellschaften und der Direk-
tion des bernischen historischen Museums.
Bern; Gustav Grunau. 4mal jährlich,
Preis Fr. 3,80; einzelne Hefte Fr. 1,50.
Die Ziele der Zeitschrift sind durch ihren aus-
führlichen Titel klar gekennzeichnet. Dass sie
eine Lücke auszufüllen hat, dass die reiche Ver-
gangenheit des Kantons Bern ein eigenes histo-
risches Organ verlangt, bedarf keines Wortes. Die
drei Hefte, die bisher vorliegen, machen nach In-
halt und Form einen vorzüglichen Eindruck.
S.
Dresdner Jahrbuch 1905. Beiträge zur
bildenden Kunst. Herausgegeben von
Dr. Karl Koetschau und Dr. Fortunat von
Schubert-Soldern. Mit Lichdrucktafein
und Textabbildungen. 208 S. 4°. Dresden
1905. Verlag von Wilhelm Baensch. 12.—
Jahrbücher, die einem bestimmten Orte ge-
widmet sind, bedürfen gewöhnlich eines entschul-
digenden Vorwortes, um ihre Existenzberechtigung
nachzu weisen. Auch dem Dresdner Jahrbuch
wurde eine Entschuldigung vorausgeschickt. Der
heimischen Kunst will es dienen, in erster Linie

der zeitgenössischen, aber ohne Chauvinismus, und
da die heutige lokale Kunst von der älteren einer-
seits, von der fremden andererseits abhängig ist,
so wird eben die ganze Kunst in den Bereich der
Publikation gezogen. Um den Namen nicht ganz
illusorisch zu machen, hat man ja bei der Mehr-
zahl der Aufsätze wenigstens auf irgend einen Zu-
sammenhang mit Dresden gehalten. Man be-
handelt Kunstwerke, die Dresdner Künstlern an-
gehören, aber auch Kunstwerke, die in Dresden
auf gestellt sind. Das geht noch an; immerhin
weiss man nicht recht, was etwa die im Dresdner
Albertinum aufbewahrte antike Mänade mit spe-
zifisch dresdnerischer Kunst zu tun hat; es sei
denn, dass man ihren vorbildlichen Einfluss auf
Dresdner Kunstwerke nachweisen könnte. Schlimmer
wird es aber, wenn das in Schweden befindliche
Gustav Wasa-Standbild des Anders Zorn behandelt
wird, nur weil sich in einer Dresdner Samm-
lung eine verkleinerte Nachbildung befindet. Wie
gehört aber gar ein Aufsatz über eine Leipziger
Miniatur in Verbindung mit einem Kölner Bau-
werk hinein?
Diese grundsätzlichen Bedenken gegen das
Verhältnis von Programm und Erfüllung voraus-
geschickt, soll mit Freude festgestellt werden, dass
die unter Koetschaus und Schubert-Solderns be-
währter Schriftleitung vereinigten Aufsätze Dresd-
ner Gelehrter (Wölfflin sitzt als einziger Gast in
der Gesellschaft) alle interessant, die meisten sogar
bedeutend sind. *) Für die weiteren Kreise der
Fachgenossen dürfte wohl am wichtigsten Wölfflins
Antwort auf Justis letzte Schrift sein, eine Ant-
wort, in der er nicht nur dem Meister Dürer den
Dresdner Altar wiedergibt, sondern auch nach
eingehender Prüfung des Triptychons noch mehr
Eingriffe von fremder Hand feststellt, als es sein
Gegner getan hat.
Vielleicht gelingt es, in Zukunft nur solche
Aufsätze zusammenzustellen, die wirklich geeignet
sind, das Verständnis für Dresdner Kunst zu för-
dern und zu vertiefen. Andernfalls müssten sich
die Herausgeber dazu verstehen, ihre reichhaltige
Publikation offen in den Dienst der gesamten
Kunstwissenschaft zu stellen.
Curt Sachs

<91

*) Die einzelnen Aufsätze sind in der Sep-
tembernummer in die entsprechenden Rubriken der
Bibliographie eingereiht worden.
 
Annotationen