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Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur — 2.1906

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Elftes Heft (November 1906)
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Jaffé, Ernst: [Rezension von: Hugo von Tschudi, Ausstellung deutscher Kunst aus der Zeit von 1775-1875 in der Königlichen Nationalgalerie Berlin 1906. I. Teil. Auswahl der hervorragendsten Bilder]
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Jaffé, Ernst: [Rezension von: Franz Dülberg, Die deutsche Jahrhundert-Ausstellung zu Berlin 1906]
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Haenel, Erich: [Rezension von: P. Ansgar Pöllmann O. S. B., Vom Wesen der hieratischen Kunst. Ein Vorwort zur Ausstellung der Beuroner Kunstschule in der Wiener Sezession]
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https://doi.org/10.11588/diglit.50012#0212

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204

Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur.

November-Heft.

man dem Vorstand der deutschen Jahrhundert-
ausstellung, Herrn von Tschudi und seinen Helfern
sowie dem Verlage grossen Dank schuldig ist.
Ernst Jaffe
Franz Dülberg: Die deutsche Jahrhundert-
Ausstellung zu Berlin 1906. Leipzig 1906.
E. A. Seemann. 4». 70 SS. 48 Abb. M. 3,—.
Dülberg hat seine Aufsätze über die Jahr-
hundertausstellung, die kürzlich in der „Zeitschrift
für bildende Kunst“ erschienen sind, hier noch
einmal, zu einem Sonderabdruck vereinigt, vorge-
legt. Ob hierfür ein Bedürfnis vorlag, mag dahin-
gestellt bleiben, den Eachbibliotheken wird es
jedenfalls sehr erwünscht sein, eine derartige
grössere Arbeit im Zusammenhang ihren Beständen
einordnen zu können.
Dülbergs Aufsätze sind reich an eigenen Ur-
teilen und zeugen von einem feinen, sicheren Ge-
schmack. Insofern werden sie demjenigen, der die
Jahrhundertausstellung nicht gesehen hat, einen
willkommenen Ersatz bieten, aber auch fleissige
Besucher der schönen Ausstellung werden von
ihnen Anregungen empfangen. Solange sich Diil-
berg auf Geschmacksurteile beschränkt, kann man
zwar hier und dar seinen Subjektivitäten wider-
sprechen, aber man wird sie nie als unbegründet
abweisen können. Dagegen konnte er doch nicht
zu einer derartigen Beherrschung des seinem
eigentlichen Arbeitsgebiete so fern liegenden Stoffes
gelangen, um nicht einige Unrichtigkeiten mit
unterlaufen zu lassen. Er spricht z. B. von der
„märkischen Unverfrorenheit“ Catels, obwohl dieser
einer französischen Eamilie entstammt, nennt den
Düsseldorfer Landschafter Wilhelm Schirmer, weiss
nicht ob die Staffage auf Blechens Bild Germanen
odei’ Wenden sind, obwohl sie doch als Semnonen
benannt wurden, und entzieht Dreber seinen
Beinamen Franz. Doch das sind ja nur Kleinig-
keiten. Im allgemeinen muss man bewundern,
dass Dülberg in dem knappen Rahmen weit mehr
als 100 Künstler zu behandeln versteht. Einige für
die Entwickelung wichtige Künstler vermisst man
aber doch nur ungern, so z. B. Reinhold, Oswald
Achenbach, Bennewitz v. Loefen, Henneberg, Kalk-
reuth, Knaus, Koller, Rottmann, Schleich, Vautier,
wenn sich über die Bedeutung des einzelnen auch
streiten lässt. Auch über Rayski hätte man
gern mehr gehört. Einige Seltsamkeiten, die
man gerade einem so begabten Stilisten wie Dül-
berg nicht zutrauen sollte, hätte er bei dem Sonder-
abdruck ausmerzen sollen, z. B. den Satz: Ist
Marees die Ekstase, so ist Hans Thoma das Sana-
torium. Derartiger „Reize“ bedürfte es nicht, um

das Dülberg’sche Essay auch dem Kunstlaien ge-
nussreich erscheinen zu lassen.
Ernst Jaffe
P. Ansgar Pöllmann O. S. B. Vom Wesen
der hieratischen Kunst. Ein Vorwort zur
Ausstellung der Beuroner Kunstschule in
der Wiener Sezession. Beuron, Verlag der
Kunstschule 1905.
Mit den geistigen Waffen, die aus den Rüst-
kammern der Theologie und der formalen Aesthe-
tik herstammen, sucht hier ein Benediktiner den
Satz zu begründen, dass die hieratische Kunst der
Beuroner Schule „ein wirkliches Plus der Gesamt-
kunst“ sei. Nicht allzuvielen wird dieses San Marco
der Gegenwart bekannt sein, denn vor der Wiener Aus-
stellung ist jene streng ans Architektonische ge-
bundene Kunst nie an die Oeffentlichkeit getreten.
Die St. Mauruskapelle im Donautal, nicht weit
von Sigmaringen, das Kloster Emaus und St. Gabriel
in Prag, das Beuroner Kloster selbst und das in
Montecassino sind die Stätten der mönchischen
Kunstübung. Die Abbildungen zeigen einen feier-
lichen Stilismus, an dem das Trecento und die
Nazarener gleich stark beteiligt sind, streng linear
empfunden, meist süssliche, ausdruckslose Köpfe,
ägyptisierende Ornamentik — eine nicht würdelose,
aber in der ganzen Haltung schwächliche Epigonen-
kunst. Der Bau der Maurus-Kapelle selbst, die
1870 beendet wurde, ist von wohltuender Einfach-
heit und feiner Melodik. Wer sind die Meister?
Den individuellen Anteil herauszuschälen, dürfte
schwer’ gelingen und liegt auch nicht in der Ab-
sicht der Schule selbst. Meier-Gräfe bringt, im
Anschluss an das Kapitel der Schule von Pont-
Aven, einige Notizen, die recht wenig zuverlässig
sind. So berichtet er von dem Führer der Schar,
dem früheren Nürnberger Professor, Architekten
Lang, und meint den ehemaligen Tiroler Bildhauer
Peter Lenz, der als P. Desiderius in Beuron
wirkt. Der Holländer Verkade, der aus dem
Gauguin-Kreis kam, hat sich dort der Tradition
des Desiderius angeschlossen, ohne dass der Verf.
diese eigentümliche Deszendenz erwähnte. Man
sieht, die Kunstgeschichte ist über dies Gebiet noch
wenig orientiert. Und ich fürchte, auch die be-
geisterte und überzeugte Pro-domo-Schrift des
Ordensbruders wird nicht viele auf den Weg in
dies stille Reich locken. Dazu steht der Verf. vor
allem der zeitgenössischen Kunst zu verständnislos
gegenüber, dazu verirrt sich seine Sprache zu oft
in eine polemische Dialektik, die mit Begriffen
statt mit Anschauungen arbeitet. Seine Definition
des Wesens hieratischer Kunst läuft im Wesent-
lichen auf eine Verherrlichung der ägyptischen
 
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