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Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur — 2.1906

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Zwölftes Heft (Dezember 1906)
DOI article:
Popp, Hermann: [Rezension von: E. Steinmann, Das Geheimnis der Medici-Gräber]
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Rosenberg, Marc: [Rezension von: O. M. Dalton, The treasure of the Oxus]
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https://doi.org/10.11588/diglit.50012#0237

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Dezember-Heft.

Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur.

229

zweier Idealtypen, in deren Bildung und Gestalt
sich je zwei Temperamente vereinigen sollten“.
Bin ich mir auch bewusst, in diesem kurzen
Referat dem ganz hervorragenden Werke Stein-
manns nach keiner Seite hin auch nur annähernd
gerecht geworden zu sein, so glaube ich doch ein
wenn auch nur äusserst skizzen- und lückenhaftes
Bild seines Gedankenganges und seiner Beweis-
führung gegeben zu haben. Ein solches Buch, in
welchem sich Geist und Wissen in einer über-
wältigenden Fülle vereinen, lässt sich nicht im
Rahmen eines Artikels würdigen und oft wirkt
das, was darüber geschrieben wird, ganz im gegen-
teiligen Sinne der Absicht.
Durch Steinmanns Werk zieht vom ersten bis
zum letzten Satze ein logisches Gebäude von
zwingendster Beweiskraft, gegen die es kein Wenn
und Aber gibt. Auf 127 Seiten kein Wort zu viel
und keines zu wenig, alles mit verblüffender Klar-
heit disponiert, und vorgetragen in einer der Schön- |
heit und Erhabenheit des Gegenstandes würdigen
Sprache.
Hermann Popp
Altertum.
O. M. Dalton, The treasure of the Oxus.
London, British Museum, 1905. 4°. XII u.
.137 SS. mit 81 Abb. im Text u. 29 Taf.
Das russische Unterrichtsministerium hat am
Schlüsse der achtziger Jahre von Tolstoi und
Kondakoff eine Reihe von Bänden über russische
Altertümer herausgeben lassen. In einem der-
selben sind die skythischen Altertümer be-
sprochen, und das Buch ist nicht nur mit
jenen merkwürdigen Stücken illustriert, welche
man schon seit Peter dem Grossen kennt, und
welche bereits im 17. und 18. Jahrhundert ein
holländischer Reisender und ein chinesischer Ge-
lehrter abgebildet haben und über die man trotz-
dem so wenig weiss, sondern auch durch eine
Reihe anderer merkwürdiger und auffallender
Fundstücke. Sie sind als Schatz von Amu-Daria
bezeichnet und werden, wenigstens in der fran-
zösischen Uebersetzung von 1892 nach Cunninghams
drei Artikeln im Journal of the Asiatic Society of
Bengal Bd. I und III, 1881 und 1883, aufgezählt,
abgebildet und datiert.
Diese Artikelserie war aber nicht nur die
einzige Quelle der Belehrung, sondern auch zu-
gleich die Ursache der Verwirrung, denn der Fund
war dort unrichtig datiert, Echtes und Falsches
war vermischt und über den Aufbewahrungsort

war man im dunkeln gelassen. Unter diesen Um-
ständen, welche durch Kondakoff durchaus nicht
verbessert worden sind, war es schwer, den Fund
trotz seiner hervorragenden Wichtigkeit für weitere
Forschungen zu benützen, und selbst ein „Schwer-
gewaffneter“ wie Alois Riegl schrieb in sein Notiz-
buch, nachdem er den Schatz, selbst nach Aus-
scheidung der Fälschungen, in London gesehen
hatte, er sei „etwas bunt zusammengesetzt“.
Die grösste Schwierigkeit, die sich dem
Forscher entgegenstellte, war die Datierung, die
Cunningham dem Funde mitgegeben hatte, die
ohne besondere Studien nicht zu ändern war, denn
sie beruhte auf „mitgefundenen“ Münzen. Diese
gehen vom 6. bis 2. Jahrh. vor Chr., und da er-
fahrungsgemäss fast immer die jüngsten Münzen
die Schatzfunde datieren, musste man den Oxus-
schatz etwa ins 2. Jahrh. vor Chr. setzen. Dalton
hat nun durch sorgfältige Abwägung der vor-
liegenden Berichte und eingehende Prüfung der
Fundumstände mutig den Faden, der die Münzen
mit den Objekten verband, durchschnitten, nach-
gewiesen, dass keine Anhaltspunkte vorhanden
sind, die Münzen als mitgefunden zu betrachten.
Ich schätze d:e hierdurch bewirkte Ausschaltung
der Münzen aus der Datierungsfrage des ganzen
Fundes als den wichtigsten Schritt zu seiner
richtigen Erklärung; jetzt besteht kein äusserer
Zwang mehr, und man kann nach allgemeiner
kunstgeschichtlicher Erfahrung vorgehen. Der
Fund ist nicht mehr ein Rätsel, sondern eine
Antwort auf eine Reihe wichtiger Fragen. —
An den Ufern des Amu-Daria, des alten Oxus,
etwa zwischen West- und Ost-Turkestan, in der
alten persischen Provinz Baktrien, hat man 1877
einen Schatz ganz eigener Art gefunden. Die
Händler, in deren Besitz er gelangte, wussten nicht
recht, ob sie ihn um den Goldwert oder um das
zehnfache verkaufen sollten. Um sich darüber
Klarheit zu verschaffen, lancierten sie ein Geschoss
nach Europa; sie verschickten an einzelne Lieb-
haber Goldreproduktionen von mehreren Gegen-
ständen aus Chalcedon und Silber und spekulierten,
dass, wenn diese trotz ihres Materialwertes ver-
käuflich wären, es in noch höherem Masse die
Originale sein müssten. Nachgüsse von den
No. 10, 24, 114 und 187 gelangten auch in die
Hände des verstorbenen A. W. Franks vom
Britischen Museum, und obgleich er eine Fälschung
erkannte, kaufte er doch die drei ersten Nummern,
um den Händlern sein Interesse an solchen Sachen
zu zeigen. Jetzt wussten sie, dass die Gegenstände
geschätzt werden, und diese Kenntnis hatten sie
erlangen wollen. Damit war aber auch der Schatz
für die Wissenschaft gerettet, denn da die Besitzer
 
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