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Mone, Franz Joseph [Editor]
Quellensammlung der badischen Landesgeschichte (3. Band) — Karlsruhe: Druck und Verlag von E. Macklot, 1863

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https://doi.org/10.11588/diglit.61764#0260
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vor Gericht geſtellt, ſondern als Kläger, da man zuerſt
eine Klage in ihrem Namen durch Heinrich Iſelin zuließ.
Denn nach dem Entwurfe der Carolina von 1507
(Zöpfl's Ausgabe S. 28) waren Kinder nur in Aus-
nahmefällen als Zeugen zuläſſig. Die Kinder der in
Thann Getödeten wurden von dem Gerichte deßhalb nicht
als Zeugen betrachtet, weil ſie nur ausnahmsweiſe zu-
läſſig waren und man keine Ausnahme machen wollte,
und weil ferner auch Männer, die in Thann am 3. Juli
1473 bei den Hinrichtungen gegenwärtig waren, als
Zeugen vor Gericht ſtanden, ſomit die Kinder als Zeugen
überflüſſig waren. Man folgte zwar der Anſicht des
Fürſprechen Peters v. H. des Johannes Irmi von Baſel,
welcher ſagte, die Kinder der in Thann Getödeten ſeien
nur als Kläger gegen Hagenbach anweſend, nicht als
Zeugen, aber die erſte Klage ſelbſt, welche Heinrich Iſelin
von Baſel gegen Peter v. H. im Namen der Kinder der
in Thann Getödeten erhob, verwarf man. Das Gericht
faßte bei der zweiten Klage die Sache ſo auf, als habe
Iſelin eigentlich nur die Unterſuchung gegen Hagenbach
dargelegt.

Die zweite Anklage gegen Hagenbach betraf
eigentlich nur ein einziges Verbrechen, aber es wurden
doch zwei Punkte, nämlich die Hinrichtungen in Thann und
die Erpreſſungen (man nannte e& Schätzungen) in der
Anklage hervorgehoben. Es mußte daher der Beweis ge-
führt werden, daß jene Hinrichtungen Mord und jene
Erpreſſungen Raub geweſen ſeien. Das letztere wurde
nicht einmal verſucht, weil ein ſolcher Beweis unmöglich
zu führen war. Mithin blieb nur die Anklage wegen des
Mordes übrig. Andere Vergehen und ſtrafbare Hand-
lungen Hagenbach's wurden nur aus den unten ange-
gebenen Gründen in die Anklage aufgenommen. Erſt
nachdem das Gericht den Beweis für den Mord gelten
ließ, konnte der Kläger verlangen, dieſes Verbrechen als
peinliches zu betrachten. Die Vertheidigung dagegen
mußte in Abrede ſtellen, daß jene Hinrichtungen ein
Mord geweſen ſeien und daß jene Erpreſſungen, wenn
ſie überhaupt ſtrafbar befunden wurden, nur einen pri-
vatrechtlichen Charakter hatten, und deßhalb die benach-
theiligten Perſonen ſelbſt gegen Peter v. H. klagen ſollten.
Es war nach dieſer doppelten Anklage eine Entſcheidung
des Gerichtes vor dem Endurtheile nöthig. Den Beweis,
daß jene Hinrichtungen in Thann keine Amtshandlungen
Peters v. H., ſondern ein Verbrechen geweſen ſeien,
führte Hildebrand Raſp, der herzogliche Marſchall auf
folgende Art: 1) es iſt nicht möglich, daß ein Landes-
herr (Karl von Burgund) ſo ehr- und pflichtvergeſſen
handelt, daß er unſchuldige Leute enthaupten läßt; 2) an-


genommen, aber nicht zugegeben, daß jene Hinrichtungen
Amtshandlungen geweſen, ſo hätten ſie nur nach „kaiſer-
lichem Recht“ oder nach „Gnaden“ ſtattfinden können,
beides war nicht der Fall, folglich waren es keine Amts-
handlungen, ſondern Verbrechen. Das Gericht hat beide
Argumente angenommen. Peter v. H. behauptete zwar
ſelbſt auf der Folter, jene Hinrichtungen ſeien auf Be-
fehl ſeines Herren geſchehen und verlangte „Kundſchaft“
von ſeinem Herren, d. h. man ſolle den Herzog von
Burgund ſelbſt als wichtigſten Entlaſtungszeugen ver-
nehmen. Ferner behauptete er gegenüber der Anklage auf
Mord Gap. 137, 258), daß jene Hinrichtungen am
3. Juli 1473 nach Kriegsbrauch ſtattgefunden hätten.
Er kam mit 400 Mann in eine empörte Stadt, machte
Gefangene und ließ drei (oder vier, die Quellen ſind
nicht einig) enthaupten. Die Stadt Thann und jene
ihre Bürger waren durch ihre Empörung rechtlos und


er jene Enthauptungen befahl und vollziehen ließ. Auf
der Zeugnißabgabe des Herzogs Karl beſtand beſonders
der Vertheidiger Hagenbach's, Johannes Irmi, weil es
eine Rechtsverletzung ſei, dem Angeklagten ein Ent-
laſtungszeugniß zu verſagen ap. 137, 400—410).
Das Gericht verwarf aber die Nothwendigkeit jenes Ent-
laſtungszeugniſſes aus folgenden Gründen: 1) es iſt
nicht ſtatthaft, daß Karl ein Zeugniß ablege gegen oder
für einen Mann, der ihm eine unmögliche Sache an-
ſinnet, nämlich den Befehl zu Hinrichtungen. Gerade
weil Hagenbach ſich auf einen ſolchen Befehl Karls be-
ruft, kann Karl nicht ſelbſt Zeugniß geben; 2) es iſt
unmöglich, daß Karl, der viele hundert Stunden vom
Orte des Verbrechens entfernt war, etwas für oder gegen
den Verbrecher beweiſen könne; 3) der Mord iſt durch
die Thanner Zeugenſchaft ſchon conſtatirt Kap. 137,
450—60). Der Beweis, daß die Hinrichtungen Mord
und nicht Kriegsrecht waren, machte eine weitere Ausfüh-
rung nöthig. Es wurden nämlich: 1) alle übrigen Ver-
gehen oder Handlungen H's. nur aus dem Grunde in die
Anklage aufgenommen, um zu beweiſen, daß er wiederholte
Vergehen und Verbrechen begangen habe, welche er als
Amtshandlungen hinzuſtellen ſich bemühte. Man wollte
durch Anführung jener Fälle einen üblen Leumund H's.
conſtatiren und zugleich die Wahrſcheinlichkeit beſtärken, daß
er bei den Hinrichtungen in Thann ein Verbrecher war,
kein Beamter. Durch jenen Beweis ſeines ſchlechten Leu-
mundes ſollte der fehlende Entlaſtungszeuge Karl über-
flüſſig werden. 2) Iſt H. geſtändig, daß er die drei
Männer ohne Gericht und Urtheil hinrichten ließ, und
zwar nicht aus Nothwehr, denn er hatte nach ſeiner ei-
 
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