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Moos, Henriette
Zur Soziologie des Witzblattes — Muenchen: Druck von Max Steinebach, 1915

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https://doi.org/10.11588/diglit.61381#0109
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— 99 —

scheiden zwischen seiner alten und seiner neuen
Bedeutung. — Für das alte Tendenzwitzblatt, das
rein politische Witzblatt, wie wir wissen, war es
selbstverständlich, unbedingt konsequent zu sein.
Da war es gar nicht möglich, auszuwählen, oder
auch nur zufällig Irrtümer zu begehen. Es lag da
ja keine komplexe Problematik vor, kein kompli-
ziertes Programm. Das Ziel war fest umrissen,
wie wir sahen, und man konnte nur entweder ganz
in seinem Dienste stehen oder überhaupt ver-
schwinden. Das alte politische Witzblatt war un-
bedingt frei und aufrecht. Es entstand in der Zeit,
da es eines großen Widerhalls im Volke gewiß war;
da ihm nur durch Verbote von oben Gefahr drohte.
Aber auch alle die folgenden Jahre während des
70er Krieges, während des Kulturkampfes hat sich
das Witzblatt ganz frei erhalten. Damals war der
kapitalistische Geist noch nicht so allmächtig ge-
worden wie heute, daß er überall die Idee beein-
flußte. Damals lebten die alten Gründer des Witz-
blattes noch, die sich ganz identisch fühlten mit
ihrer Sache; die sich als Kämpfer betrachteten,
und mehr auf ideelle als auf materielle Erfolge
ausgingen.
Der neue „Kladderadatsch“ konnte nicht ganz
im alten Programme verharren; andere Dinge
drängten in den Vordergrund des Interesses, be-
anspruchten das Witzblatt als Helfer und Sprach-
rohr. Ein wenig mußte das alte Blatt in die neue
Problematik hineintauchen, um neben dem neuen
sozialpolitischen, oder besser gesagt, politisch-
sozialen Witzblatte, vor einer objektiven Kritik
einigermaßen bestehen zu können. Doch sehr weit
vor in dem neuen Felde hat der „Kladderadatsch“
 
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