EINLEITUNG.
XXV
schaltungen und Nachträge mit der Annahme, als läge eine
Copie vor, nicht vereinigen lassen. Die nächstliegenden Folge-
rungen waren also die: in der „Notizia" finden wir genau die-
selben Schriftzüge, wie in einem unzweifelhaften Originalbrief
von Marcantonio Michiel. Die „Notizia" ist ein Original und
keine Copie, also muss sie von Marcanton Michiel verfasst sein.
Von der Uebereinstimmung der Schriftzüge in den er-
wähnten Documenten mich zu überzeugen, habe ich bis heute
noch nicht Gelegenheit gefunden. Ich nehme sie also nur in
Hinblick auf D. Francesconi's und Cicogna's Urtheil an.
Es passt übrigens die ganze der Kunst geradezu gewidmete
Lebensbahn1) Michiel's vortrefflich zu der Annahme, dass er
der Verfasser der „Notizia" ist. Auch findet sich bei Cicogna
eine (wie es scheint, seither verschollene) Schrift Michiel's er-
wähnt: „Vite de' pittori e scultori antichi e moderni", auf welche
mehrere Citate in der „Notizia" gar deutlich hinweisen. Bei vielen
Künstlernamen ist ein Folio (carta) citirt, wo von dem betreffenden
Künstler die Rede sein soll. So bei Dürer, Lucas von Leyden etc.2)
Noch dazu hat Frizzoni im Vorwort zum Neudruck von 1884
darauf aufmerksam gemacht, dass sich gewisse Analogien
der Ausdrucksweise in der „Notizia" mit der in einer anderen
Arbeit3) finden, die bestimmt von Marcanton Michiel herrührt.
Die Autorschaft Marcanton Michiel's an der „Notizia" ist wohl
so gut wie bewiesen, aber bis heute noch nicht so allgemein bekannt
geworden, dass man hätte in dem Titel der vorliegenden Ausgabe
die Bezeichnung „Anonimo Morelliano" ganz fallen lassen können.
Gleichwohl ist Michiel's Name in Klammern beigesetzt, um da-
durch auch der neueren Forschung gerecht zu werden.
9 Anspielungen darauf in Sebast. Serlio's „Regole", S. III, und in
einem Briefe Pietro Aretino's von 1545 (Lettere 1609, III, fol. 245).
2) Diese Schrift hat zum mindesten i25 Blätter umfasst, da unter den
Citaten ein Hinweis auf carta iz5 vorkommt. Die niedrigste Zahl, die vor-
kommt, ist 96. Darnach wird die Vermuthung möglich, dass diese „Vite"
eine Fortsetzung der „Notizia" waren.
3) „Agri et urbis Bergomatis descriptio" i5i6. Vergl. über diese Arbeit
auch Cicogna a. a. 0. Frizzoni geht übrigens nicht näher auf diesen Punkt ein.
Wien, im November 1887.
Dr. Theodor Frimmel.
XXV
schaltungen und Nachträge mit der Annahme, als läge eine
Copie vor, nicht vereinigen lassen. Die nächstliegenden Folge-
rungen waren also die: in der „Notizia" finden wir genau die-
selben Schriftzüge, wie in einem unzweifelhaften Originalbrief
von Marcantonio Michiel. Die „Notizia" ist ein Original und
keine Copie, also muss sie von Marcanton Michiel verfasst sein.
Von der Uebereinstimmung der Schriftzüge in den er-
wähnten Documenten mich zu überzeugen, habe ich bis heute
noch nicht Gelegenheit gefunden. Ich nehme sie also nur in
Hinblick auf D. Francesconi's und Cicogna's Urtheil an.
Es passt übrigens die ganze der Kunst geradezu gewidmete
Lebensbahn1) Michiel's vortrefflich zu der Annahme, dass er
der Verfasser der „Notizia" ist. Auch findet sich bei Cicogna
eine (wie es scheint, seither verschollene) Schrift Michiel's er-
wähnt: „Vite de' pittori e scultori antichi e moderni", auf welche
mehrere Citate in der „Notizia" gar deutlich hinweisen. Bei vielen
Künstlernamen ist ein Folio (carta) citirt, wo von dem betreffenden
Künstler die Rede sein soll. So bei Dürer, Lucas von Leyden etc.2)
Noch dazu hat Frizzoni im Vorwort zum Neudruck von 1884
darauf aufmerksam gemacht, dass sich gewisse Analogien
der Ausdrucksweise in der „Notizia" mit der in einer anderen
Arbeit3) finden, die bestimmt von Marcanton Michiel herrührt.
Die Autorschaft Marcanton Michiel's an der „Notizia" ist wohl
so gut wie bewiesen, aber bis heute noch nicht so allgemein bekannt
geworden, dass man hätte in dem Titel der vorliegenden Ausgabe
die Bezeichnung „Anonimo Morelliano" ganz fallen lassen können.
Gleichwohl ist Michiel's Name in Klammern beigesetzt, um da-
durch auch der neueren Forschung gerecht zu werden.
9 Anspielungen darauf in Sebast. Serlio's „Regole", S. III, und in
einem Briefe Pietro Aretino's von 1545 (Lettere 1609, III, fol. 245).
2) Diese Schrift hat zum mindesten i25 Blätter umfasst, da unter den
Citaten ein Hinweis auf carta iz5 vorkommt. Die niedrigste Zahl, die vor-
kommt, ist 96. Darnach wird die Vermuthung möglich, dass diese „Vite"
eine Fortsetzung der „Notizia" waren.
3) „Agri et urbis Bergomatis descriptio" i5i6. Vergl. über diese Arbeit
auch Cicogna a. a. 0. Frizzoni geht übrigens nicht näher auf diesen Punkt ein.
Wien, im November 1887.
Dr. Theodor Frimmel.