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reinere Vorstellungen über Gott und das Verhalten zu!
ihm hegte, als seine in Sinnlichkeit versunkene Umgebung,
und er mußte darum den Giftbecher trinken. Jahrhun-!
derte lang wurden die Christen, weil sie die römischen -
Götterbilder verachteten, ihnen die Opfer versagten, als
Gottesläugner von den Heiden verfolgt.
Insbesondere ist die Geschichte des Christenthums'
reich an Beispielen, wie mit dem Worte Atheismus der
traurigste Mißbrauch getrieben wurde. Wir haben schon
wiederholt in diesen Blättern ausgejprochen, daß es ein
Unfug sei, nach theoretischen Ansichten von Religiösen!
oder Irreligiösen zu reden, wie z. B. Fichte tief religiös,
gewesen, aber als Gottesleugner verschrieen wurde. Wir!
wollen nun einmal ausführlicher an drei Beispielen eine'
erhabene Religiosität zeigen, welche Unverstand und blin-
der Fanatismus für Gotteslästerung ausgab, und mits
Haß, ja mit Tod bestrafte. Wir meinen Giordanos
Bruno, Julius Cäsar Vanini und Spinoza,
welche wir in einigen Zügen schildern, die wir dem zwei-
ten Bande „der freien Aufklärung" s) S. 38 entnehmen.!
Vanini, der 1619 lebendig den Flammen des Holz-
stoßes übergeben wurde, nachdem dem edlen Unglücklichen!
vom Henker die Zunge war ausgerissen worden, weil er
mit ihr Gott gelästert und geleugnet habe, sagte-
von Gott: „Ich weiß nicht, was Gott ist. Wenn ich es !
wüßte, wäre ich selbst Gott. Denn Niemand kennt ihn, !
Niemand weiß, was er ist, als Er selbst. Nur wie der
Sonne Glanz durch die Wolken, so erkennen wir sein!
Wesen durch seine Werke. Alle concrete Benennungen
sind unstatthaft und leer. -Er ist nicht gut, sondern die
Güte, nicht weise, sondern die Weisheit u. s. w. Dies
ist alles so in ihm, daß Er es selbst ist. Er ist sein!
Anfang, sein Ende, und hat weder Anfang, noch Ende,!
bedarf auch Beides nicht und ist doch der Urheber von ,
Beidem. Er ist ohne Zeit, für ihn gibt's keine Vergan-
genheit und keine Zukunft. Er herrscht überall, ohne an
Einem Orte zu sein; er ist unbeweglich, vhne stille zu
stehen, er ist schnell, ohne sich zu bewegen. Er ist Alles
außer und in Allem, aber nicht darin eingeschlossen, und
nicht davon ausgeschlossen. Ganz, ohne Theile zu haben;
selbst unveränderlich, aber alles verändernd; sein Wollen
ist That, sein Thun ist Wollen. Er ist einfach, nichts
*) Ueber dies treffliche Buch, das unter dem Titel: „Die
freie religiöse Aufklärung, ihre Geschichte und ihre
Häupter. Für denkende Gebildete aller Stände. Bon Vr. Her-
mann vom Busche (ein fingirter Name). Eingeführt durch Paulus
in Heidelberg." so eben erschien, werden wir nächstens berichten.
Vorläufig diene diese Probe, auf das Werk aufmerksam zu wachen.
ist bei ihm bloß möglich, alles wirklich; er ist rein, der
Erste, der Mittelste, der Letzte. Alles, über Alles, außer,
in, vor, nach Allem."
Noch auf dem Richtplatze hob Vanini einen Stroh-
halm auf und sagte: „Wenn ich so unglücklich wäre,
keine andern Beweise vom Dasein Gottes zu haben, als
diesen Halm, so würde mir dieser genug sein.
Sein Gottesglaubensbekenntniß hat er, durchdrungen
von dem Gegenstände, in einem vortrefflichen lateinischen
Hymnus auf Gott hinterlassen, in welchem er den Ein-
zigen darstellt, ohne den wir Nichts, durch den wir Alles
sind, was wir sind, was wir können und wirken. Der-
selbe lautet in Kosegarten's deutscher Nachbildung also:
Durchweht vom Athem dessen, der ewig lebt,
Durchfiammt von dessen Gluthen, der nie erlischt,
Entbrennt die Seele, schwingt den Fittig,
Hebt sich.zu nimmererstog'nen Höh'n.
Der Wesen Urgrund ist er, und auch ihr Ziel,
Seist eigner Urgrund ist er, sein eignes Ziel,
Beginnt, begrenzt, beschränkt sich selber,
Grenzenlos zwar, und beginn- und endlos.
Theillos, untheilbar, dennoch vertheilt durch's All,
Erfüllt sein Wesen jegliches Wo im Naum,
Und jedes Nu der Zeit, im Ganzen
Ist er der Theil, und auch ganz im Theile.
Des Doms Gewölbe decken den Hohen nicht.
Ihn faßt die Erde, fassen die Himmel nicht.
Frei, unumschlossen, unumschließbar
Wallt er, und waltet im weiten Alle.
That ist sein Wille, was er beschlossen, bleibt .
Unwiderruflich. Groß ist und gut der Herr,
Jedoch nicht mit der Meßkunst Größen,
Nicht mit der Güte der Sittenlehren.
That ist sein Sprechen. Was er gebeut, geschieht.
In tiefem Schlummer lagen die Wesen all'.
Er sprach: Erwacht! Und sie erwachten.
Werdet! Da wurden die Weltenheere.
Sein allumfassend Auge durchschaut das All,
Durchschaut im Sonnenstaube das Weltenrund.
Was ist, was war, was sein wird, sieht er,
Sah er voraus im Beginn der Dinge.
Sein alldurchdringend Wesen erfüllt das All,
Umfaßt, umarmt es, trägt und beweget es.
Allmächtig herrscht sein Ni.ck. Allmächtig
Waltet des Schrecklichen hohe Braue.
reinere Vorstellungen über Gott und das Verhalten zu!
ihm hegte, als seine in Sinnlichkeit versunkene Umgebung,
und er mußte darum den Giftbecher trinken. Jahrhun-!
derte lang wurden die Christen, weil sie die römischen -
Götterbilder verachteten, ihnen die Opfer versagten, als
Gottesläugner von den Heiden verfolgt.
Insbesondere ist die Geschichte des Christenthums'
reich an Beispielen, wie mit dem Worte Atheismus der
traurigste Mißbrauch getrieben wurde. Wir haben schon
wiederholt in diesen Blättern ausgejprochen, daß es ein
Unfug sei, nach theoretischen Ansichten von Religiösen!
oder Irreligiösen zu reden, wie z. B. Fichte tief religiös,
gewesen, aber als Gottesleugner verschrieen wurde. Wir!
wollen nun einmal ausführlicher an drei Beispielen eine'
erhabene Religiosität zeigen, welche Unverstand und blin-
der Fanatismus für Gotteslästerung ausgab, und mits
Haß, ja mit Tod bestrafte. Wir meinen Giordanos
Bruno, Julius Cäsar Vanini und Spinoza,
welche wir in einigen Zügen schildern, die wir dem zwei-
ten Bande „der freien Aufklärung" s) S. 38 entnehmen.!
Vanini, der 1619 lebendig den Flammen des Holz-
stoßes übergeben wurde, nachdem dem edlen Unglücklichen!
vom Henker die Zunge war ausgerissen worden, weil er
mit ihr Gott gelästert und geleugnet habe, sagte-
von Gott: „Ich weiß nicht, was Gott ist. Wenn ich es !
wüßte, wäre ich selbst Gott. Denn Niemand kennt ihn, !
Niemand weiß, was er ist, als Er selbst. Nur wie der
Sonne Glanz durch die Wolken, so erkennen wir sein!
Wesen durch seine Werke. Alle concrete Benennungen
sind unstatthaft und leer. -Er ist nicht gut, sondern die
Güte, nicht weise, sondern die Weisheit u. s. w. Dies
ist alles so in ihm, daß Er es selbst ist. Er ist sein!
Anfang, sein Ende, und hat weder Anfang, noch Ende,!
bedarf auch Beides nicht und ist doch der Urheber von ,
Beidem. Er ist ohne Zeit, für ihn gibt's keine Vergan-
genheit und keine Zukunft. Er herrscht überall, ohne an
Einem Orte zu sein; er ist unbeweglich, vhne stille zu
stehen, er ist schnell, ohne sich zu bewegen. Er ist Alles
außer und in Allem, aber nicht darin eingeschlossen, und
nicht davon ausgeschlossen. Ganz, ohne Theile zu haben;
selbst unveränderlich, aber alles verändernd; sein Wollen
ist That, sein Thun ist Wollen. Er ist einfach, nichts
*) Ueber dies treffliche Buch, das unter dem Titel: „Die
freie religiöse Aufklärung, ihre Geschichte und ihre
Häupter. Für denkende Gebildete aller Stände. Bon Vr. Her-
mann vom Busche (ein fingirter Name). Eingeführt durch Paulus
in Heidelberg." so eben erschien, werden wir nächstens berichten.
Vorläufig diene diese Probe, auf das Werk aufmerksam zu wachen.
ist bei ihm bloß möglich, alles wirklich; er ist rein, der
Erste, der Mittelste, der Letzte. Alles, über Alles, außer,
in, vor, nach Allem."
Noch auf dem Richtplatze hob Vanini einen Stroh-
halm auf und sagte: „Wenn ich so unglücklich wäre,
keine andern Beweise vom Dasein Gottes zu haben, als
diesen Halm, so würde mir dieser genug sein.
Sein Gottesglaubensbekenntniß hat er, durchdrungen
von dem Gegenstände, in einem vortrefflichen lateinischen
Hymnus auf Gott hinterlassen, in welchem er den Ein-
zigen darstellt, ohne den wir Nichts, durch den wir Alles
sind, was wir sind, was wir können und wirken. Der-
selbe lautet in Kosegarten's deutscher Nachbildung also:
Durchweht vom Athem dessen, der ewig lebt,
Durchfiammt von dessen Gluthen, der nie erlischt,
Entbrennt die Seele, schwingt den Fittig,
Hebt sich.zu nimmererstog'nen Höh'n.
Der Wesen Urgrund ist er, und auch ihr Ziel,
Seist eigner Urgrund ist er, sein eignes Ziel,
Beginnt, begrenzt, beschränkt sich selber,
Grenzenlos zwar, und beginn- und endlos.
Theillos, untheilbar, dennoch vertheilt durch's All,
Erfüllt sein Wesen jegliches Wo im Naum,
Und jedes Nu der Zeit, im Ganzen
Ist er der Theil, und auch ganz im Theile.
Des Doms Gewölbe decken den Hohen nicht.
Ihn faßt die Erde, fassen die Himmel nicht.
Frei, unumschlossen, unumschließbar
Wallt er, und waltet im weiten Alle.
That ist sein Wille, was er beschlossen, bleibt .
Unwiderruflich. Groß ist und gut der Herr,
Jedoch nicht mit der Meßkunst Größen,
Nicht mit der Güte der Sittenlehren.
That ist sein Sprechen. Was er gebeut, geschieht.
In tiefem Schlummer lagen die Wesen all'.
Er sprach: Erwacht! Und sie erwachten.
Werdet! Da wurden die Weltenheere.
Sein allumfassend Auge durchschaut das All,
Durchschaut im Sonnenstaube das Weltenrund.
Was ist, was war, was sein wird, sieht er,
Sah er voraus im Beginn der Dinge.
Sein alldurchdringend Wesen erfüllt das All,
Umfaßt, umarmt es, trägt und beweget es.
Allmächtig herrscht sein Ni.ck. Allmächtig
Waltet des Schrecklichen hohe Braue.