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Münchener Punsch: humoristisches Originalblatt — 17.1864

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https://doi.org/10.11588/diglit.25835#0142

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134

Indiscret^ aber inlcrelsant.

Die Gemahlin des Herrn von Beust hat von demselben
solgenden Brief erhalten:

Liebe, Theuerste!

Jn Eile beeile ich mich, Dir Nachricht zukommen zu lassen.
Du weißt, ich bin in politischen Angelegenheiten aus den Eisen-
bahnen schon viel hin- nnd hergerutscht, aber eine solche Reiie
habe ich noch nie gemacht. Du solltest sehen, mit welchen
Augen man mich jetzt betrachtet! Jch bin der Vertreter einer
Großmacht, ebenbürtig mit einem Palmerston und Russel!
Freue Dich Weib, und sei stolz, denn Dein Mann ist groß
im Rathe Europa's. Es ist mir lieber, als wenn ich preußischer
oder östreichischer Gesandter wäre, meine Stellung ist viel in-
teressanter, ich repräsentire Dentschland, ich fühle 18 Millionen
in meinen Adern. Wahrhaftig, es ist keine Kleinigkeit z'u wissen,
daß man ein Gewicht ist in der Wagschale der Weltgeschichte;
ich kann den großen Staatsmännern und Feldherren ihren zeit-
weiligen Hochmuth gar nicht übel nehmen. Jetzt, wo ich mich
in einer ähnlichen Stellung befinde, merke ich erst, was es heißt:
zu den Spitzen eines Welttheils zu gehören. Jch bin überzeugt,
nicht nur die dentsch-dänische, sondern anch andere Fragen werden
uns beschäftigen, besonders die italienische und orientalische.
Nun, Amalie, was sagst Du dazu? Dein Mann ist einer von
Denjenigen, die darüber entscheiden, was ans Pabst und Sultan
werden soll! Du bist von nun an europäische Schieds-
richtersgattin! Ich bin überzengt, daß jeder Sachse und
jede Sächsin Deinen Stolz theilen wird, denn es ist wahrhastig
keine Kleinigkeit, wenn man sagen kann: Den Benst, der jetzt
am Londoner Conferenztisch sitzt, kenne ich ganz gut! Du wirst
sehen, man heißt mich noch den deutschen Palmerston!

Aber habe ich es Dir nicht vorhergesagt, daß es so kommen
wird? Wenn ich bei den Turnern eine Rede hielt oder mit
Liedertaflern anstieß, war es Dir oft nicht recht. Aber siehst
Du, so muß man anfangen. Auimerksamkeit erregen, die
Oeffentlichkeit in Ansprnch nehmen, das ist die Hauptsache,
dann kommen Zeiten, wo Aller Blicke auf Einen fallen, wo
man der Mann und der Herr der Sitnation ist, wo ein Anderer
überhaupt gar nicht möglich wäre Unter uns gesagt: Pfordten
hat sich die Kappe längst verschnitten. Er besitzt nicht das Ge-
schmeidige, das Unerklärliche wie ich und in der französischen
 
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