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https://doi.org/10.11588/diglit.21529#0048
42
Die bayrischen Parteien.
Baycrn schcint dazn bestimmt, dem europäischen Publiknm sast
in jedeni Jahrzehend auf andere Weise Unterhaltung zn verschafsen.
Achtzig Ultramontane — so flog's ja „wie telegraphirt" in
alle Welt — sind in die bayrische Kammer gewählt, und vier
und siebenzig Liberale! Unter einem rechtschaffenen Ultramon-
tanen versteht man nach Döllinger einen Schwärmer auf eigene
Kosten, der den Papst zum Ehren-Despoten von ganz Europa
erneuneu will, der die assertorische Fassung des Syllabus kaum
erwarteu kann, um sie gcgen die Gesetze sciner Heimat einzu-
tauschen, — und dritthalb Millionen wohlabgerundeter bayrischer
Seelen sollen derlei Käuze als ihre Repräsentanten proklamirt
haben? Es ist in der That nüt Worten und Begriffen vielleicht
noch nirgend so viel Schwindel getrieben worden, als dermalen in
unserm armen Lande. Brünstige Anbetnng der preußischen Waffen-
erfolge gehört zwar in vielen Gegenden zn den überwundenen
Standpunkten; aber wir sind ja bekanntlich in Allem znrück.
Da nun das nationalliberale Treiben an der maßgebenden und
eigentlich am meisten bedrohten Stelle keiuer Beachtung gewürdigt
eder vielleicht auch von höchst ergebenen nnd um deu bayerischen
Thron liebenswürdig besorgten Freunden geschickt verschleiert wird,
so kommt der anderwärts schon gebeugte Muth bei uns wieder
in's Wachsen und wenn es gilt, in Nationalliberalismus zu macheu,
bleibt Justus von Liebig so wenig bei seincr Retorte wie sein
Eidam Carriore bei seinen Theaterrecensionen. Zahlreiche vom
Norden berufene Lehrkräste, welche dahier, hübsch weit vom Müh-
ler'schen Regiment, die Dinge gemüthlich abwarten können, ver-
leihen dem preußischen Chauvinismus einen geistreichen Glanz
und so bekommt Graf Bismark eine Anhängerschaar, von der nur
zu bedauern ist, daß sie so weit südlich vom Main abliegt. Wie
unbezahlbar wäre unsere Fortschrittspartei in Frankfurt uud Hau-
uover! So aber wuchern die schönsten rechnungtragenden Cha-
raktere auf verlornen Posten, wo sie beim großen Abschluß wahr-
scheinlich doch Nichts nützen.
Die bayrischen Parteien.
Baycrn schcint dazn bestimmt, dem europäischen Publiknm sast
in jedeni Jahrzehend auf andere Weise Unterhaltung zn verschafsen.
Achtzig Ultramontane — so flog's ja „wie telegraphirt" in
alle Welt — sind in die bayrische Kammer gewählt, und vier
und siebenzig Liberale! Unter einem rechtschaffenen Ultramon-
tanen versteht man nach Döllinger einen Schwärmer auf eigene
Kosten, der den Papst zum Ehren-Despoten von ganz Europa
erneuneu will, der die assertorische Fassung des Syllabus kaum
erwarteu kann, um sie gcgen die Gesetze sciner Heimat einzu-
tauschen, — und dritthalb Millionen wohlabgerundeter bayrischer
Seelen sollen derlei Käuze als ihre Repräsentanten proklamirt
haben? Es ist in der That nüt Worten und Begriffen vielleicht
noch nirgend so viel Schwindel getrieben worden, als dermalen in
unserm armen Lande. Brünstige Anbetnng der preußischen Waffen-
erfolge gehört zwar in vielen Gegenden zn den überwundenen
Standpunkten; aber wir sind ja bekanntlich in Allem znrück.
Da nun das nationalliberale Treiben an der maßgebenden und
eigentlich am meisten bedrohten Stelle keiuer Beachtung gewürdigt
eder vielleicht auch von höchst ergebenen nnd um deu bayerischen
Thron liebenswürdig besorgten Freunden geschickt verschleiert wird,
so kommt der anderwärts schon gebeugte Muth bei uns wieder
in's Wachsen und wenn es gilt, in Nationalliberalismus zu macheu,
bleibt Justus von Liebig so wenig bei seincr Retorte wie sein
Eidam Carriore bei seinen Theaterrecensionen. Zahlreiche vom
Norden berufene Lehrkräste, welche dahier, hübsch weit vom Müh-
ler'schen Regiment, die Dinge gemüthlich abwarten können, ver-
leihen dem preußischen Chauvinismus einen geistreichen Glanz
und so bekommt Graf Bismark eine Anhängerschaar, von der nur
zu bedauern ist, daß sie so weit südlich vom Main abliegt. Wie
unbezahlbar wäre unsere Fortschrittspartei in Frankfurt uud Hau-
uover! So aber wuchern die schönsten rechnungtragenden Cha-
raktere auf verlornen Posten, wo sie beim großen Abschluß wahr-
scheinlich doch Nichts nützen.