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Münchener Punsch: humoristisches Originalblatt — 23.1870

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https://doi.org/10.11588/diglit.21529#0152

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devor ein Luftschiffer an die Ausführung seines schwindligen
Unternehmens geht, läßt er einen sog. „Lnllou (I'sssni" aussteigen,
um zu erprobeu, woher, wohin und wie stark der Wind geht.
Ein solcher Versuchsballon — der Balg dazu wurde vielleicht von
München geliefert — war wohl auch jene Notiz der Berliner
Kreuzzeitung: unmittelbar nach dem hessischen Löwen werde sich
auch der etwas größcre bayrische dort einsinden, um vor dem
ueuen Barbarossa (touelis zu macheu. Die an diese Pseudonachricht
geknüpften nationalliberalen Betrachtungen verstiegen sich bis zu
der infamen Jnsinuation, ein süddeutscher König müße sich gegen-
über der democratisch-ultramontanen Coalition von Preußen ver-
haltnißmäßig weniger bedroht fühlen, mit andern Worten: der
König von Bayern werde dort,. wo man ihm vor 4 Jahren einen
Theil seiner Hoheitsrechte und ein Stück Land entriffen, nunmehr
Schutz sucheu gegen die MajoritLt der eigenen Volksvertretung.

Auf die Kreuzzeitungsuuverschämtheit mußte etwas Officiöses
erwidert werdeu, aber man kouute uatürlich uicht sagen: der König
von Bayern wird nie nach Berlin gehen. Das Höchste, was sich
erwarten ließ, war etwa die Erklärung: der Bayernkönig wird
unter andern Orten ganz sicher auch einmal Berlin besuchen, aber
wann, das ist die Frage, die berühmte Frage der Zeit. Und
so kam cs auch. Ein ueuer Akt der Demüthigung wäre in der
That eiue eigenthümliche Juauguration der Bray'schen Leitung
gewesen. Derlei wäre seiner Zeit dem Vicepräsidenten des Zoll-
parlaments besser augestanden.

Sollte es aber einmal sein müßen, dann bliebe uns immer
noch übrig zu sageu: Jackele, geh' du vora'!

Der Großherzog von Hessen ist von seiner Aufwartung in
Berlin im streugsten Jncognito in Dresden eingetroffen. Das
Jncognito war so streng, daß der König von Sachsen beim Anblick
des vielgeprüften Fürsten erschrocken ausrief: „Mein Gott, Herr
Vetter, Jhr seid ja gar uicht mehr zu kennen!"
 
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