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Münchener Punsch: humoristisches Originalblatt — 23.1870

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https://doi.org/10.11588/diglit.21529#0414

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408

Abgesehen von den Sturm- und Drangjahrcn 1848 und 1849,
in welchen selbst alten Männern zu Fuß und zu Pferd das Be-
wußtsein eines bestimmten Zieles abhanden kam, werden die Leser
des „Punsch" wissen, daß die Liebe zum engeren Vaterlande und
das Streben, dasselbe zu erhalten, allen darin niedergelegten
Ansichten und Empfindungen, ernsten und heiteren, Poetischen und
prosaischen, zu Grunde lag.

Da Baycrn keine Schweiz ist und auch durch besonders gütige
Fügung der Vorsehung nicht am schwarzen Meere liegt, also unter
dem so trefflich bewährten, beinahe wasserdichten Schutz der Groß-
mächte nicht neutralistrt werden kann, so muß es, um nur über-
haupt weiter zu existiren, in Deutschland einziehen, mag ihm nun
das Haus in seiner derzeitigen Einrichtung ganz oder theilweise
oder gar nicht gefallen.

Seit dem Jahre 1866 lebten wir in einer Art Sommer-
wohnuug, die zwar theuer, etwas luftig, aber Alles in Allem
betrachtet gar nicht unangenehm war. Der Eintritt der rauhen
politischen Jahreszeit nöthigt uns, wenigstens hinter etwas
dickere Mauern und unter ein schwereres Dach zu gehen, wollen
wir nicht der nationalen Abzehrung, der administrativen Gelenk-
krankheit, der commerziellen Schwindsucht verfallen. Wie jeder
Umzug hat auch der unsere in's neue Deutschland sein Un-
angenehmes, manches liebe Stück Möbel, das absolut nicht mehr
zu stellen ist, muß billig abgegeben werden, aber — es muß

eben sein und der wahre Philosoph sucht jeder Nothwendigkeit

eine bessere Seite abzugewinnen. Wir appelliren dabei nicht an
die Weltweisen von Profession, sondern an das Volk, an die
Bürger und Bauern, bei deuen wir überall noch die gesundeste
Philosophie getroffen haben.

Wenn nun auch künftig vieles und manches theurer wird,
so bildet doch dieses Blatt eine rühmliche Ausnahme, indem der
Preis desselben auch unterm Kaiserreich der nämliche bleibt.

Halbjährige Bestellungen effektuiren alle Postanstalten,
sowohl die unter unserer Souveränetät verbleibenden, als auch die
eventuell dazu kommenden bayrischen — denn wenn nicht Alles

trügt, werden auch wir annektiren — als auch die übrigen

deutschen, als auch deutsch-östreichischen, als auch — wer hätte
geglaubt, daß wir das erleben, die zur Zeit occupirten fran-
zösischen!

Druck der vr. Wtld'scken Buchdruckerei (Gebr. ParcuSs.
 
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