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Die Penode dcs liefsten Friedcns benützt Oestreich, insbesondere
Wien, zuin „geistigen" Kanipfe. Foit niil dern Concoi'dat, hieß es friiher,
dann sollt ihr sehen, wie sich Oesterreich niacht. Das Concordat ist fortz
aber ksiix ^ustrin bcfindet sich innner noch nicht ganz wohl. Nun
fragt nian sich, ob der Hund nicht etwa ini Coelibat begraben liegt?
Wenn die Geistlichen heirathen, so ist ein bedeutender Znwachs von
intelligenter Bevolkernng zu erwarten, die ja, wenn inan gntc Hinterlader
dazn hat, hent zn Tage Alles cntscheidet. Die Erreichung dieses Zieles
soll nnn auf dein nicht mehr ungewohnlichen Wcge der Volkstheater
angcbahnt werden. „An der Wicn" wnrde bereits niit ungehcurein
Erfolg „Der Pfarrer von Kirchfeld" gegcben, ein „ächtes Volksstück in
dcr besten Bedeutung des Wortes" wie Hansjörgel behanptet. Ein junger
katholischer Pfarrer itiinint eincm alten Aintsbrnder zn lieb eine jnnge '
Waise in's Haus; die beiden Leutchen enipsindcn endlich jenes Gcfühl,
das, wie wiedernin dcr knndige „Hansjörgel" versichert, „keine Sünd'
sein kann, iveil es Gott selbst in die Brnst eines jeden Menschen gclegt
hat". Ein böser Knecht belauscht nun znfällig ein Gespräch, welches der
„Pfarrer von Kirchfeld" init dcr Waise über dicses philosophiscke Theina
führt nnd behauptct dann — wie verläuinderisch! — die Waise sei die
Gelicbte des Pfarrers! Das Mädchen ist indeß so edel, uin den
9iuf des Pfarrers zn retten, Liebe zn cinem „andern Burschen" zu
heuchcln und setben auch wirklich zu heirathen. Der Pfarrer aber wird
zu seinem tragischcn Schmerz auch noch vom Consistorium znr Strafe
eingernfen und geht, seine Gemeinde, wohl mit Einschluß der Waisc,
segnend, der Strafe entgegen, dic das finstere Regiment sür ihn in
Bereitschaft haben mag. Ganz Wien ist entzückt von dem Siück, man
gibt cs fort nnd forl nnd die edle Waise, die an dem Prinzip des *
Coelibats so gewaltig rüttelt, wird dargestellt von — Frln. Gei stinger!
Auch Du mein Kind? ruft der sterbende Ultramontanismus und hüllt
sein Haupt in die römische Toga. Wien aber ist stolz aus seine öfsentliche
Meinung.
Die „Dresdencr Nachrichten" berichten, daß sich in Poscn Tausende
von gefangenen französischen Ofsiziercn bcsinden und möchten zugleich
wissen, „warum es den hiesigen (Dresdener) Gcwerbsleuten unmöglich
gemacht wird, aus dem Ausenthalt so vielei wohlhabenden Gefangenen
Nntzen zn ziehen?" Gewiß eine großartige Ausfassung der neuesten
Zeit- uud Weltbegebenheiten.
Europa vernimmt die sehr bezeichnende Nachricht, daß der Componist
Ofsenbach sich nunmehr in Wien niederlassen will, um dort eine
Civilisationsanstalt im Style der „Loullss sturlsisnnsZ" zu gründen.
Wenn nur nicht immer barbarische russische Nol en dazwischen kämen.
1*
Druck der vr. Wtld'schsn Buchdruckerei (Gebr. ParcuS).
Die Penode dcs liefsten Friedcns benützt Oestreich, insbesondere
Wien, zuin „geistigen" Kanipfe. Foit niil dern Concoi'dat, hieß es friiher,
dann sollt ihr sehen, wie sich Oesterreich niacht. Das Concordat ist fortz
aber ksiix ^ustrin bcfindet sich innner noch nicht ganz wohl. Nun
fragt nian sich, ob der Hund nicht etwa ini Coelibat begraben liegt?
Wenn die Geistlichen heirathen, so ist ein bedeutender Znwachs von
intelligenter Bevolkernng zu erwarten, die ja, wenn inan gntc Hinterlader
dazn hat, hent zn Tage Alles cntscheidet. Die Erreichung dieses Zieles
soll nnn auf dein nicht mehr ungewohnlichen Wcge der Volkstheater
angcbahnt werden. „An der Wicn" wnrde bereits niit ungehcurein
Erfolg „Der Pfarrer von Kirchfeld" gegcben, ein „ächtes Volksstück in
dcr besten Bedeutung des Wortes" wie Hansjörgel behanptet. Ein junger
katholischer Pfarrer itiinint eincm alten Aintsbrnder zn lieb eine jnnge '
Waise in's Haus; die beiden Leutchen enipsindcn endlich jenes Gcfühl,
das, wie wiedernin dcr knndige „Hansjörgel" versichert, „keine Sünd'
sein kann, iveil es Gott selbst in die Brnst eines jeden Menschen gclegt
hat". Ein böser Knecht belauscht nun znfällig ein Gespräch, welches der
„Pfarrer von Kirchfeld" init dcr Waise über dicses philosophiscke Theina
führt nnd behauptct dann — wie verläuinderisch! — die Waise sei die
Gelicbte des Pfarrers! Das Mädchen ist indeß so edel, uin den
9iuf des Pfarrers zn retten, Liebe zn cinem „andern Burschen" zu
heuchcln und setben auch wirklich zu heirathen. Der Pfarrer aber wird
zu seinem tragischcn Schmerz auch noch vom Consistorium znr Strafe
eingernfen und geht, seine Gemeinde, wohl mit Einschluß der Waisc,
segnend, der Strafe entgegen, dic das finstere Regiment sür ihn in
Bereitschaft haben mag. Ganz Wien ist entzückt von dem Siück, man
gibt cs fort nnd forl nnd die edle Waise, die an dem Prinzip des *
Coelibats so gewaltig rüttelt, wird dargestellt von — Frln. Gei stinger!
Auch Du mein Kind? ruft der sterbende Ultramontanismus und hüllt
sein Haupt in die römische Toga. Wien aber ist stolz aus seine öfsentliche
Meinung.
Die „Dresdencr Nachrichten" berichten, daß sich in Poscn Tausende
von gefangenen französischen Ofsiziercn bcsinden und möchten zugleich
wissen, „warum es den hiesigen (Dresdener) Gcwerbsleuten unmöglich
gemacht wird, aus dem Ausenthalt so vielei wohlhabenden Gefangenen
Nntzen zn ziehen?" Gewiß eine großartige Ausfassung der neuesten
Zeit- uud Weltbegebenheiten.
Europa vernimmt die sehr bezeichnende Nachricht, daß der Componist
Ofsenbach sich nunmehr in Wien niederlassen will, um dort eine
Civilisationsanstalt im Style der „Loullss sturlsisnnsZ" zu gründen.
Wenn nur nicht immer barbarische russische Nol en dazwischen kämen.
1*
Druck der vr. Wtld'schsn Buchdruckerei (Gebr. ParcuS).