DIE
SCHENKUNG JOSEPHS I. AN MARLBOROUGH
VON WALTER GRÄFF.
Nicht zum ersten Male beschäftigt sich die Kunstgeschichtsschreibung mit den
Gemälden, die Kaiser Joseph I. im Jahre 1706 aus den Beständen der Münchner
Kurfürstlichen Kunstkammer dem englischen Feldherrn Marlborough geschenkt
hat1); wir finden vielmehr, daß von der Familie Marlborough die Herkunft der
Bilder nie bestritten oder verschleiert worden ist und von bayrischer Seite aus
der Verlust festgestellt und als schwer empfunden worden ist2). Da aber bei
einem der wichtigsten aus München stammenden Stücke, dem Reiterbildnis König
Karls I. von England, in neuerer Zeit von Lionel Cust die bekannte, nie be-
zweifelte Herkunft bestritten worden ist3), halte ich es für ersprießlich und not-
wendig, diese Vorgänge an der Hand der Akten und der gedruckten Quellen im
Zusammenhang, als einen Beitrag zu der Geschichte der Bayrischen Gemälde-
sammlungen darzustellen.
Grund und Verlauf des spanischen Erbfolgekrieges, die Parteien, vor allem die
Stellung des Kaisers, des Kurfürsten Max Emanuel von Bayern zu Frankreich
und England usw., darf ich als bekannt voraussetzen und kann mich darauf
beschränken, die zum unmittelbaren Verständnis des kaiserlichen Dankbarkeits-
aktes erforderlichen Geschehnisse ins Gedächtnis zurückzurufen.
Nach dem verunglückten Zug Max Emanuels nach Tirol (1703), durch den er
versucht hatte, sich in der Lombardei mit Vendöme zu verbinden, schloß er
sich an das französische Heer an, das unter Villars und Tallard durch das Kin-
zigtal in Schwaben einrückte. Hier stellte sich ihnen Prinz Eugen von Savoyen
und Markgraf Ludwig von Baden entgegen, denen sich Marlborough, vom Rhein
') Zu der Darstellung sind die folgenden Quellen und gedruckten Veröffentlichungen benutzt:
Allg. Reichsarchiv in München, Fürsten Sachen Fasc. LXXI Nr. 688^2; die in diesem Akt ent-
haltenen Briefe und Briefentwürfe sind im Anhang abgedruckt. — The letters and dispaches of
John Churchill first Duke of Marlborrough, from 1702 to 1712. Ed. by G. Murray. Bd. III, 1845.
(Keine auf unsere Aufgabe sich beziehende Nachrichten fand ich in W. Coxe, Memoirs of John
Duke of Marlborough with his original correspondence, 1820). — A. Alison, das militärische Leben
des Herzogs v. M., übers, v. Boumann 1848.
2) Vergl. darüber: G. F. Waagen, Kunstwerke und Künstler in England, II. Teil 1838, S. 33—53; —
Ders. Treasures of Art in Great Britain, 1854, III. 121 ff. — I. D. Passavant, Kunstreise durch
England und Belgien, 1833, S. 173 ff. — George Scharf, Catalogue Raisonne of the Pictures at
Blenheim Palace. 1862, S. 10, 22, 27, 36.
8) L. Cust, Notes on Pictures in the Royal collections. XX. The equestrian portrait of Charles I
by van Dyck, im Burlington Magazine, Jan. 1911, Bd. XVIII, S. 202—209.
SCHENKUNG JOSEPHS I. AN MARLBOROUGH
VON WALTER GRÄFF.
Nicht zum ersten Male beschäftigt sich die Kunstgeschichtsschreibung mit den
Gemälden, die Kaiser Joseph I. im Jahre 1706 aus den Beständen der Münchner
Kurfürstlichen Kunstkammer dem englischen Feldherrn Marlborough geschenkt
hat1); wir finden vielmehr, daß von der Familie Marlborough die Herkunft der
Bilder nie bestritten oder verschleiert worden ist und von bayrischer Seite aus
der Verlust festgestellt und als schwer empfunden worden ist2). Da aber bei
einem der wichtigsten aus München stammenden Stücke, dem Reiterbildnis König
Karls I. von England, in neuerer Zeit von Lionel Cust die bekannte, nie be-
zweifelte Herkunft bestritten worden ist3), halte ich es für ersprießlich und not-
wendig, diese Vorgänge an der Hand der Akten und der gedruckten Quellen im
Zusammenhang, als einen Beitrag zu der Geschichte der Bayrischen Gemälde-
sammlungen darzustellen.
Grund und Verlauf des spanischen Erbfolgekrieges, die Parteien, vor allem die
Stellung des Kaisers, des Kurfürsten Max Emanuel von Bayern zu Frankreich
und England usw., darf ich als bekannt voraussetzen und kann mich darauf
beschränken, die zum unmittelbaren Verständnis des kaiserlichen Dankbarkeits-
aktes erforderlichen Geschehnisse ins Gedächtnis zurückzurufen.
Nach dem verunglückten Zug Max Emanuels nach Tirol (1703), durch den er
versucht hatte, sich in der Lombardei mit Vendöme zu verbinden, schloß er
sich an das französische Heer an, das unter Villars und Tallard durch das Kin-
zigtal in Schwaben einrückte. Hier stellte sich ihnen Prinz Eugen von Savoyen
und Markgraf Ludwig von Baden entgegen, denen sich Marlborough, vom Rhein
') Zu der Darstellung sind die folgenden Quellen und gedruckten Veröffentlichungen benutzt:
Allg. Reichsarchiv in München, Fürsten Sachen Fasc. LXXI Nr. 688^2; die in diesem Akt ent-
haltenen Briefe und Briefentwürfe sind im Anhang abgedruckt. — The letters and dispaches of
John Churchill first Duke of Marlborrough, from 1702 to 1712. Ed. by G. Murray. Bd. III, 1845.
(Keine auf unsere Aufgabe sich beziehende Nachrichten fand ich in W. Coxe, Memoirs of John
Duke of Marlborough with his original correspondence, 1820). — A. Alison, das militärische Leben
des Herzogs v. M., übers, v. Boumann 1848.
2) Vergl. darüber: G. F. Waagen, Kunstwerke und Künstler in England, II. Teil 1838, S. 33—53; —
Ders. Treasures of Art in Great Britain, 1854, III. 121 ff. — I. D. Passavant, Kunstreise durch
England und Belgien, 1833, S. 173 ff. — George Scharf, Catalogue Raisonne of the Pictures at
Blenheim Palace. 1862, S. 10, 22, 27, 36.
8) L. Cust, Notes on Pictures in the Royal collections. XX. The equestrian portrait of Charles I
by van Dyck, im Burlington Magazine, Jan. 1911, Bd. XVIII, S. 202—209.


