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Münchner kunsttechnische Blätter — 4.1907/​1908

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Nr. 15
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Professor Philipp Fleischer: Die Kunst im Handwerk der Malerei
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Buss, Otto: Ueber Tempera, Gummi, Leim und Kasein, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.36594#0062

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Münchner kunsttechnische matter.

Nr. 15.

5S

mittein. Die zum Anreiben von Farbe I und II ge-
brauchten Bindemittei enthalten die gleichen Stoffe
wie die Maimittei. Die Entdeckung des Urstoffes und
die Hersteiiung desseiben für den praktischen Gebrauch
sind das Resuitat eines langjährigen Studiums und
eigener technischer Erfindungen. Ebenso beruht das
Anreiben der Farben — verschiedenartig für Lasur-
und Deckfarben — auf eingehenden praktischen Studien
in bezug auf gieichmässiges Auftrocknen und Unver-
änderlichkeit des Tonwertes. Die Farben sind reich
an Farbkörper; massiger Auftrag genügt schon zur
Erzieiung einer präzisen Wirkung. Das Lasieren ist
bei Farben I und II dank ihrer Festigkeit und Ge-
schmeidigkeit ein Glanzpunkt, ohne dass Qualität und
Charakter der Malerei eine Veränderung erleiden, wie
es bei der Oelfarbe der Fall ist.
Ein besonderer Vorzug der Meisterfarbe ist das
feste Eintrocknen derselben von innen nach aussen.
Technik und Haltbarkeit hängen auch lediglich vom
Auftrocknen der Farben ab. Bei den Meisterfarben
verbindet sich zuerst die unterste Farbschicht mit dem
Malgrund, dann erhärtet die übrige Farbe von innen
nach aussen, ohne Anwendung von Trockenmitteln und
ohne eine Haut an der Oberfläche zu bilden.
Ein weiterer Vorzug liegt in dem bereits er-
wähnten verschiedenartigen Anreiben der Farben.
Die Lasurfarben brauchen infolgedessen beinahe die
gleiche Zeit zum Auftrocknen wie die Erdfarben, ohne
den Ton zu verändern. Dies erleichtert die Maltechnik
und bewirkt die Haltbarkeit des Materials. Der Ur-
stoff verhindert ausserdem nach Möglichkeit die
chemischen Zersetzungen in den Farbkörpern.
Die gewöhnlichen Oelfarben trocknen von aussen
nach innen und bilden an der Oberfläche eine Haut.
Hierin ist die wichtigste Ursache des Zerspringens bei
Oelbildern zu suchen. Diese Uebelstände werden durch
Anwendung von Trockenmitteln noch erhöht, da das
Oel ein zu schwaches Bindemittel ist. Ausserdem wird
das Reissen der Oelfarben durch Anwendung falscher,
unsolider Malgründe gefördert. Die in Oel geriebenen
Lasurfarben und Erdfarben trocknen nicht gleichzeitig
auf, wodurch auch die Gefahr des Reissens bewirkt
wird; daher ist eine freie, künstlerische Technik in
der Oelmalerei nicht möglich und jede Uebermalung
mit Gefahr verbunden. Auch trocknen die Oelfarben
in einem Tage schon auf.
Ueber Tempera, Gummi, Leim und
KaSein. (Fortsetzung.)
Aus dem Nachlass von Dr. Otto Buss J.
Ferner: Jedes Schwarz wird an der Sonne
bereitet, das für Bücher bestimmte (Tinte) mit
Gummi, das zum Stuck mit Leim gemischt. Dass
die Tradition erhalten blieb, erfahren wir aus den
handschriftlichen Ueberlieferungen des Mittelalters.
So ist für Vergoldung auf Holz im Lucca-Manu-
skript eine Lösung von Mandelbaumgummi, mit
Safran gelb gefärbt, angegeben. Aehnliche An-

gaben finden wir in Mappae clavicula, wo Gummi
für Vergoldung mit pulverisiertem Golde in ver-
schiedenen Verwendungsarten, ebenso für Gold-
schrift ohne Gold angewendet wird. Auch im
dritten Buch des Heraklius finden wir, dass alle
Farben ausser anderen Mitteln mit Gummi an-
gerieben werden können. Gegenüber den oben
genannten Nachweisen über Verwendung von
Gummi, die mehr in Rezeptsammlungen bestehen,
nicht in eigentlichen Anleitungen zu einer be-
stimmten Technik, ist im dritten Buch des Hera-
klius bereits eine Gummitempera klar erkennt-
lich. Eine genaue ausgeführte Technik mit
Gummi bietet uns aber die Schädula des Theo-
philus. Ausser seiner separat entwickelten Mi-
niaturtechnik, bei der ebenfalls die Farben teil-
weise mit Gummi gerieben werden, finden wir
für Tafelmalerei eine Gummitemperatechnik bis
ins Detail beschrieben. Das Bindemittel der Theo-
philusschen Tempera ist Kirsch- oder Pflaumen-
baumgummi, in der Wärme in Wasser gelöst.
Die Gummitemperafarben (gewisse Farben dürfen
nur mit Eiweiss gemischt werden) können drei-
mal auf die Holztafel aufgesetzt werden, worauf
die trockene Malerei, d. h. jede einzelne der drei
Lagen mit Vernition gefirnisst wurden. Diese
Theophilussche Technik, d. h. dreimaliges Ueber-
malen mit Kirschgummitempera mit jeder Ueber-
malung folgender Firnisierung, ist insofern von
grosser Wichtigkeit, als diese Technik uns aus
der Handschrift klar ersichtlich ist, dieselbe weit
verbreitet war und von modernen Malern, wie
z. B. Böcklin, wieder aufgenommen wurde. Sie
bildet auch die Grundlage für neuere Emulsions-
temperatechniken, wie wir später sehen werden,
und dürfte auch der Vorläufer der van Eyktech-
nik gewesen sein.
Dass wir die Verwendung von Gummi vor
allem für Vergoldung auch in arabischen Quellen
finden, ist bei der Herkunft des arabischen Gummi
wohl verständlich.
II. Leimtempera.
Die Bindemittel der Leimtemperamethoden
sind die verschiedenen Sorten Leim.
Die Leime sind tierischen Ursprungs. Man
unterscheidet dieselben als Glutine, Knochenhaut-
leime und Chondrine, Knochenleime. Die ge-
bräuchlichen und in der Malerei seit dem Alter-
tum verwendeten Leime sind Glutine.
Die Glutine werden je nach dem Ausgangs-
material, aus dem sie dargestellt werden, unter-
schieden als Knochenleim, Hautleim und Fisch-
leim oder Hausenblase.
Die einfachste Darstellung reinen Hautleims,
wie wir sie in maltechnischen Schriften früherer
Zeiten beschrieben finden, besteht in längerem
Kochen von reinen Pergamentabfällen, Filtrieren
und Klären der warmen Lösung.
 
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