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Münchner kunsttechnische Blätter — 5.1908/​1909

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Nr. 1
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Noch einmal: Makarts Maltechnik
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https://doi.org/10.11588/diglit.36593#0007

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Nr. i.

Münchner kunsttechnische Blätter.

3

mich zu Herrn Kieslings „Erwiderung" zu äussern,
komme ich nur mit grösstem Widerstreben nach,
weil mir Polemiken in Zeitschriften vom Grund
aus verhasst sind. Aber wer A sagt, muss auch
B sagen! Sie werden es aber begreifen, wenn
ich mich hier ganz kurz fasse:
In meinem Aufsatze ist es mir nicht in den
Sinn gekommen, die Maitechnik Makarts irgendwie
verteidigen oder gar gutheissen zu wolien. Ich
war vielmehr bestrebt, zu zeigen, wie die mit
Recht gerügten Uebeistände des Verbiassens und
des frühzeitigen Verderbens seiner Schöpfungen
in der Eigenart des Meisters begründet waren.
Hier giit das französische Sprichwort: Tout com-
prendre c'est tout pardonner; denn wenn man
Makarts koloristisches Schaffen begreift, dann ver-
steht man auch, warum er sich zu Farbenmischungen
von Lacken und Asphait veranlasst gesehen hat,
die vom Standpunkte einer rationeiien Maiweise
zu verwerfen wären.
Gegen das scharfe Urtei! des Herrn Kiesling
über Makarts Technik habe ich nichts eingewendet,
ich habe ihm sogar mehrfach beigestimmt; nur
gegen die Uebertreibungen glaubte ich meine
Stimme erheben zu sollen. Als Uebertreibung
erachte ich es, wenn Herr Kiesling sagt: Auf dem
Fussboden unterhalb des Bildes („Catarina Cor-
naro") lag in seiner ganzen Breite eine dicke
Asphaltschicht, die vom Bilde herunterge-
tropft war! HerrK. erklärt in seiner „Erwiderung"
den Vorgang dieses über alle Massen seltsamen
„Heruntertropfens" solcher Mengen von Asphalt
von dem Bilde selbst in plausibler Weise, aber
ob dieser Fall auch bei der „Catarina Cornaro"
stattgefunden hat, will mir sehr zweifelhaft
erscheinen. Die Jahre hindurch, die ich im Ate-
lier meines Meisters ein- und ausging, habe ich
es kein einziges Mal gesehen, dass sich „ganze
Schichten von Farben in Bewegung gesetzt hätten
und nach abwärts geflossen" wären. Und Makart
hat doch gewiss viel „gesuppt", wie der Atelier-
ausdruck lautet!
Herr Kiesling behauptet aber, die dicke
heruntergetropfte Asphaltschicht mit eigenen
Augen gesehen zu haben und ich habe gar
keinen Grund, die Richtigkeit seiner Angabe in
Zweifel zu ziehen. Deshalb suchte ich eine Er-
klärung für die auf dem Boden sichtbaren Tropfen
von Asphalt in der eilig gegebenen Schlusslasur.
Aber nach der „Erwiderung" des Herrn K. wären
es nicht „Ueberbleibsel der Schlusslasur", sondern
direkte Farbenabsonderungen des Bildes gewesen,
die aus „den wellenförmigen Erhöhungen
heraustropften, auf den Rahmen fielen und
von dort den Weg auf den Fussboden
fortsetzten"!
Nun bitte ich Sie, verehrter Herr Kollege,
folgendes zu überlegen: Um ein Gemälde von den
Dimensionen der „Catarina Cornaro" zu vollenden,

brauchte Makart zum mindesten einundeinhalb
Jahre, und während dieser Zeit sollte das Bild so
patschnass geblieben sein, dass noch während
der Ausstellung im Künstlerhause Farbenab-
sonderungen an allen Teilen des Bildes in der
geschilderten Art stattfinden konnten, so dass
diese in der ganzen Breite (!!) des Bildes den
Boden bedekten? —
Dann: Wie wäre es möglich gewesen,
das Riesenbild aufzurollen, um es vom
Atelier nach dem Ausstellungssaal zu
schaffen, wenn es in dem von Ihnen ange-
nommenenZustande sich befunden hätte?? —
Alle die Stellen der „zusammengeflossenen sack-
artigen Erhöhungen und die Ansammlungen flüssiger
Farbe" wären ganz sicherlich an der Rück-
seite der Leinwand kleben geblieben!
Nein, nein und dreimal nein! So unvorsichtig
ist nicht einmal Makart gewesen, dass er die
Arbeit vieler Monate so leichtfertig aufs Spiel ge-
setzt hätte, wie Sie es anzunehmen scheinen!
Es gibt aber noch eine andere Möglichkeit,
diese Frage zu lösen und ich möchte auf diese
Lösung hier noch hinweisen: In Makarts Atelier
waren die grossen Leinwänden an der Hauptwand
mittels Rollen so befestigt, dass sie mit Hilfe von
Kurbeln hinaufgezogen und in eine die ganze
Breite der Wand einnehmende Versenkung hinab-
gelassen werden konnten. Die beiden hoch oben
befindlichen Rollen waren aber nicht sehr stark
und man hätte es nicht wagen dürfen, das fertige
Bild mitsamt dem einige Zentner schweren
Rahmen an diesen Rollen in die Höhe zu ziehen.
Ich habe auch in der Tat niemals die grossen
Bilder nebst Rahmen im Atelier gesehen. Makart
konnte demnach die Wirkung seiner grossen
Bilder im Rahmen erst in der Ausstellung be-
urteilen. Deshalb „stimmte" er auch das fertige
Bild erst in der Ausstellung selbst, und das
„Stimmen" erstreckte sich dann nicht nur auf das
Bild, sondern wenn es nötig war auch auf den
Rahmen. Wenn bei den Dimensionen eines
Rahmens wie für die „Catarina Cornaro", der ge-
wiss einen halben Meter breit und sehr reich in
erhabener Schnitzarbeit gehalten war, eine Asphalt-
lasur gegeben wurde, dann musste die jedenfalls
sehr flüssig aufgetragene Farbe abtropfen, da die
Vergoldung bekanntlich nicht aufsaugt, und so
konnte eine dicke Asphaltschicht in der ganzen
Breite des Bildes den Boden bedecken,
aber von dem Bilde konnte sie nicht abge-
tropft sein!
Zur Zeit der Ausstellung der „Catarina Cor-
naro" war ich ein junger Bursch und noch nicht
einmal an der Akademie, in technischen Dingen
mithin ganz unerfahren. Aber es gibt gewiss
noch ältere Kollegen, die sich an die Ausstellung
im Künstlerhaus erinnern. Vielleicht meldet sich
einer dieser Herren zum Wort, um die Frage zu
 
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