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Münchner kunsttechnische Blätter — 9.1912/​1913

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Nr. 18
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Buchner, Georg: Malerfarben und Kolloidchemie, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.36589#0075

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Manchen, 26. Mai 1913.

Beilage zur „Werkstatt der Kunst" (E. A. Seemann, Leipzig).
Erscheint <4tägig unter Leitung von Maier Prof. Ernst Berger.

IX. Jahrg. Nr. 18.

Inhait: Maierfarben und Koiioidchemie. Von Georg Büchner-München. (Fortsetzung.) — Die Entdeckung
einer vorgeschichtiichen Biidhauerwerkstätte. — Fachiiterater. — Anfragen und Beantwortungen.

Malerfarben und Kolloidchemie.
Von Georg Büchner-München.
(Fortsetzung.)

Die Unterschiede der verschiedenen Stoffe
bezügiich des Kolloidzustandes sind im
wesentlichen nur gradueller Art. Ein jeder
Stoff durchläuft ohne Zweifel auf dem Wege
von der wahren Lösung zur Ausfällung ein
kolloidales Zwischenstadium; aber die Neigung,
im kolloidalen Zustand zu verharren, ist ver-
schieden, und von manchen Stoffen, besonders
vielen hochmolekularen organischen Stoffen, wird
dieser Zustand derart bevorzugt, dass wir diese
Stoffe, also z. B. Eiweissarten, Gummi, Leim, prak-
tisch fast nur in solcher Form kennen und in
Lösung bringen; bei anderen Stoffen wieder ist
der kolloidale Zustand ein so vorübergehendes
Stadium, dass besondere Bedingungen dazu ge-
hören, um denselben zur Erscheinung zu bringen.
Die vorher erwähnte Homogenität der den
kolloidalen Lösungen entgegengesetzten wahren
Lösungen ist in Wirklichkeit auch nur eine rela-
tive, denn sie hängt von der Grösse der Moleküle
bezw. Molekularkomplexe und von der Unzuläng-
lichkeit unserer Beobachtungsmittel ab. Dem-
gemäss finden zwischen den optisch homogenen,
den sog. wahren, und den optisch inhomogenen,
den sog. falschen oder Pseudolösungen, die ver-
schiedensten Abstufungen und Uebergänge statt.
Der Unterschied liegt in dem Grade der Zer-
teilung, der Dispersität. Eine kolloidale Lö-
sung ist demnach ein mehrphasiges System, cs
ist in ihr das Dispersionsmittel von dem Gelösten
als der dispersen Phase geschieden, in geringerem
oder höherem Grade, je nachdem kolloide Emul-
sionen flüssiger Teile oder kolloide Suspensionen
fester Partikelchen vor!'egen. Ein Kolloid im
Zustand seiner Lösung nennt man ein Sol bezw.
Hydrosol; die Grösse der Teilchen kolloidaler
Lösungen ist sehr verschieden, stets aber liegt

sie unter der Sichtbarkeitsgrenze des gewöhnlichen
Mikroskopes (Submikronen), und ihre Durchmesser
betragen meist einige Millionstel Millimeter (Milli-
mikron). Die Oberflächenentfaltung solcher Systeme
ist daher eine ungeheure; in einem Reagenzglas
kann eine kolloidale Lösung eine Oberflächen-
entfaltung von vielen Tausenden Quadratmetern
aufweisen.
Eine der wichtigsten Merkmale kolloidalen
Zustandes ist die Erscheinung der Ober-
flächenenergie und eine der wichtigsten Aeusse-
rungen derselben die Adsorption. In kolloidalen
Lösungen gehen, im Gegensatz zu elektrolytischen
Lösungen, alle Reaktionen, also stofflichen Ver-
änderungen, verhältnismässig langsam vor sich.
Von ganz besonderem Interesse ist nun für das
von uns angeschnittene Thema die Beschaffenheit
der aus den kolloidalen Lösungen sich abscheiden-
den Gebilde, der sog. Gele. Während sich aus
den wahren Lösungen lediglich Abscheidungen in
kristallinischer oder amorph körniger Form zeigen,
tritt bei der Umbildung kolloidaler Lösungen die
sog. Gel form auf; je nach der Art der Be-
dingungen entstehen homogene Gallerten, bald
tropfen-, bald netzförmige Strukturen, bald faserig
gewachsene Gebilde, bald häutige Membranen,
und bei gleichzeitiger Anwesenheit von Kristal-
loiden starke Modifikationen der kristallinischen
Formen. Die Gele haben eine starke Zähigkeit;
gewisse unter ihnen sind (z. B. Seifen) um so
zäher, je vollkommener, je durchsichtiger das Gel
ist, d. h. je mehr die sichtbaren kolloiden Körn-
chen ihre Grösse vermindern. Wenn die Gele
gefallt werden, bilden sie klumpige Massen, die
viel Flüssigkeit einschliessen. Sie zeigen die
Eigenschaft beständiger Kolloide; die typischsten
sind z. B. Gummi, Gelatine usw. Die kolloidalen
 
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