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Manchen, 11. Mai 1914.

Beitage zur „Werkstatt der Kunst" (E. A. Seemann, Leipzig).
Erscheint i4tägig unter Leitung von Maier Prof. Ernst Berger.

I. jahrg. Nr. ly.

Inhalt: Empirie oder Wissenschaft in der Maitechnik. Von Ernst Berger. — Darf man Schwefeiverbindungen,
wie Zinnober, Kadmium und Uitramarinbiau mit Bieifarben mischen? — Merkwürdige Sinnestäuschun-
gen. — Allerlei für die Werkstatt. — „Immer rein", Paiette für Oeimaierei.

Empirie oder Wissenschaft in der Maitechnik?
Von Maier Ernst Berger-München.

Das in der Natur oder Phantasie Erschaute
durch die künstlerischen Ausdrucksmittel von
Form und Farbe darzustellen, um damit als
vollendetes Ganzes auf den Beschauer zu wirken,
ist die Aufgabe der schöpferischen Tätigkeit des
Malers. Es sind vornehmlich ästhetische Rück-
sichten, die ihn dabei leiten. Durch die grossen
Anforderungen, welche heutzutage an diese rein
künstlerische Tätigkeit des Künstlers gestellt
werden, ist ihm aber nur wenig Zeit übrig, sich
mit technischen Fragen zu befassen. Die
Wichtigkeit dieser Fragen wird aber jedem ein-
leuchten, der es mit seiner Kunst ernst meint
und darauf bedacht ist, dass die mit seinem
besten Willen und Können, ich möchte sagen:
mit seinem „Herzblut", geschaffenen Kunstwerke
in ihrer ursprünglichen Frische dauernd erhalten
bleiben. In den wenigsten Fällen ist der schaffende
Künstler in der Lage, sich erst durch zeitrauben-
des und oftmals fruchtloses Experimentieren die-
jenigen Kenntnisse zu verschaffen, welche nötig
sind, um für die Zwecke der eigenen Technik
die besten Mittel herauszuhnden, und ratlos
steht er in den meisten Fällen vor der Frage
nach dem Wie der Ausführung des Gemäldes,
welche, abgesehen von der Art der Darstellung,
mit allen Schwierigkeiten der materiellen Mittel
zu rechnen haben wird.
Sind wir wirklich heutzutage so schlecht daran,
dass wir nur mit Bangen an die Ausführung
eines Werkes gehen, aus Furcht, es könnte das
Farbenmaterial unseren Erwartungen schlecht
*) Dieser Aufsatz ist schon vor etwa 20 Jahren
geschrieben und zuerst im „Atelier" erschienen. Da
neuerdings das Thema zur Diskussion steht, lassen
wir den Abdruck hier folgen. B.

entsprechen? Oder fehlt es uns an der richtigen
Erkenntnis bei der Wahl desselben? Worin be-
steht der Unterschied zwischen den haltbaren
und nicht haltbaren Farben oder den entsprechen-
den und zu verwerfenden Malmitteln, Firnissen
usw. ? Kann uns darüber die moderne Wissen-
schaft nicht Auskunft geben? Woher haben denn
die „alten Meister" ihre Kenntnis geschöpft, da
sie doch von den modernen Wissenschaften, der
Chemie, der Farbenlehre u. dgl. nichts gewusst
und dennoch rein empirisch herausgefunden haben,
was haltbar und was vergänglich ist? Diese und
viele ähnliche Fragen stehen schon lange Zeit
zur Diskussion, sowohl in der Fachliteratur als
auch in den periodischen Kunstzeitschriften.
Empirie oder Wissenschaft in der Maltechnik?
Diese beiden Theorien stehen sich gegenüber, je
nachdem der Praktiker oder der Gelehrte
sich mit der Sache beschäftigt. Der erstere kann
von dem Gedanken nicht lassen, dass nur er
allein wissen kann, was ihm für seine Zwecke
frommt, er beruft sich auf seine Erfahrungen und
seine sowie seiner Voreltern Erfolge, er mutmasst
Atelier- und Werkstättengeheimnisse, die verloren
gegangen sein müssten, wenn von den Werken
der gepriesenen „alten Meister" die Rede ist, die
doch rein empirisch die vortrefflichsten Resultate
erzielt hätten; er ärgert sich stets darüber, wenn
ihm ein Missgeschick passiert und schiebt alle
Schuld dem „bösen" Farbenfabrikanten in die
Schuhe; er greift aber dennoch mit förmlicher
Gier nach jedem ihm angebotenen (oder ange-
priesenen) neuen Mittel, in der Meinung, jetzt
endlich das langersehnte Material in der Hand
zu haben. Der Gelehrte trachtet mit Hilfe von
Physik und Chemie die Eigenschaften jeder ein-
 
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