Mönchen, H.Jnni 1917.
Beütgw zar „Werkstatt dar Haast" (E. A. Seessaaa, Leipzig).
Ersohe!at!4 tägig aater Leitaag vaa Maier Prof. Erast Berger.
DH. jahrg. Nr. 19.
Inhait: Ueber das Verhältnis des echten Fresco zur Tempera-Malerei. Von Aladär Kriesch. (Fortsetzung.)
Die Farbenhbel von Wilhelm Ostwald. — Zur Frage nach der Gesetzmässigkeit der Rissbildung in
Farbschichten. Von Hugo Hillig. — Ueber Terpentine. — Die restaurierte „Nachtwache".
Ueber das Verhältnis des echten Fresco zur Tempera-Malerei.
(Fortsetzung.)
Wie weit Raffaels Stanzen mit Tempera über-
malt sind, darüber traue ich mich nicht ein ent-
schiedenes Urteil abzugeben. — Dass aberMichel-
Angelos Sixtina wenig oder gar keine Tempera-
übermalung enthält, ist für mich sicher. — Dafür
spricht vor allem ihr edler, eigentümlich grauer
Ton, der sich nur beim echten Fresco vorfindet
— und zweitens die ganze Natur Michel-Angelos
und sein aus ihr folgender Ausspruch: dass die
Frescomalerei die einzige, Männer würdige Malerei
sei!
Drittens eben der Ausspruch Vasaris, dass
Michel-Angelo nur im Sinne hatte, die Decke
zu übermalen — es aber doch nicht tat!
Welch edles, kühnes Malen mit der Farbe ohne
hinderndem Bindemittel auf die nasse, saugende
Wand — und welche mühselige, kleinliche Qual
hernach das Malen mit der schwerhaftenden Tem-
pera auf den trockenen, widerstrebenden Grund!
Und noch später: in der Barockzeit! Tiepolo
und seine Nachfolger, die kannten gewiss keine
Retouchen, noch weniger eine Uebermalung in
Tempera. Dies ist totsicher.
Nun will ich aber das technisch eigentümliche
des echten Frescos näher behandeln, vielleicht
könnte sich dadurch so manches auch bei der
von Prof. Raehlmann des öftern erwähnten Schichten-
malerei erklären. —
Das eigentümliche, charakteristische der Fresco-
malerei der Temperamalerei gegenüber besteht
gerade in der Tatsache, dass sie — um die dem
Fresco eigene, koloristische, edle Wirkung zu er-
zielen, um sehr vieles dicker, ganz emailartig auf-
getragen werden muss, und dass diese Dicke nur
durch mehrere, übereinander gelegte Schichten
zu erzielen ist, selbe durch einen einzigen Auf-
trag der Farbe zu erzielen absolut unmöglich
wird. — Dieser Dickeunterschied in der Farbe
zwischen Fresco und Tempera ist so gross,
dass man z. B. bei einem Casein-Tempera-Bild
auf der Mauer beiläufig den zehnten Teil der
Farbe wird verwenden müssen, als beim echten
Fresco — bei einem Mehr der Farbe beim Casein-
Bilde würde selbes schon sehr leicht dem Ab-
springen ausgesetzt sein. —
Diese einzelnen Schichten beim Fresco können
ganz deckend, in rahmartiger Dicke — oder auch
lasierend, ganz dünn, aufgetragen werden, es
ist aber nicht möglich, weder Fleisch, noch Dra-
perie, noch sonst etwas, mit einer einzigen Schichte,
alla prima, hinzusetzen.
Je mehr Schichten, umso edler wird die Malerei.
— Deswegen findet man auch bei guten Frescos,
dass besonders dasFleisch mit den meistenSchichten
gemalt ist. — Die Nässe der Wand ist bei einiger
Uebung hierbei garnicht hinderlich: gewöhnlich
hat in einer halben Stunde die untere Schicht so
weit angezogen, dass man die zweite Schichte
ruhig darüber legen kann. — Jeder Versuch, ein
Fresco nur zeichnerisch-lasirend vollenden zu
wollen— scheitert kläglich: — beim Auftrocknen
schaut dann die Malerei schwächlich und elend aus
— wenn sie frisch auch noch so saftig war!
Ich glaube, das Ammenmärchen einer lasur-
artigen Technik beim echten Fresco stammt noch
aus der Zeit Cornelius'; man hatte damals wenig
Sinn und Bedürfnis für Farbe — und daher be-
gnügte man sich mit dem Auftuschen der ver-
schiedenen Töne und konnte sich in die koloristische
Kraft dieser Technik nicht hineinleben. —
Es liegt ja auf der Hand: jedes Bindemittel
ist ja eigentlich ein trübendes Medium dem reinen