138 Koetschau, Die Generalkommission der Kunstsammlungen des bayerischen Staates
dem die volle Verantwortlichkeit zugewiesen wird, der für sie zu sorgen hat. Zum
Teil liegt es darin, daß jeder in Kunstdingen sachverständig mitreden zu können
glaubt, der einen eigenen Geschmack und deshalb die Überzeugung hat, daß es
nur darauf und nicht auch noch auf eine Reihe anderer Dinge, z. B. ein wenig
Wissen, ankäme. Dann aber sind auch die ersten Entwicklungsjahre des Museums-
wesens und der Kunstpflege für die Einrichtung der Kommissionen von Bedeutung-
gewesen. Denn in einer Zeit, wo es eine wirklich fachmäßig betriebene Kunst-
wissenschaft überhaupt noch nicht gab, mußten die Ansichten mehrerer oder vieler
helfen, wenigstens einen halbwegs brauchbaren Maßstab zu schaffen. Jetzt aber,
wo die Kunstwissenschaft immer weiter ausgebaut, wo reiche Erfahrungen im
Museumswesen gesammelt worden sind, bedarf man dieser Krücken nicht mehr.
Es heißt heutigen Tages geflissentlich die ernste Arbeit eines emsig
und erfolgreich tätigen Faches verachten, wenn man seinen Vertretern
nicht die volle Verantwortlichkeit für ihr Tun überläßt. Wir wollen
nicht davon enthoben sein. Wir fordern sie als unser gutes Recht.
Glücklicherweise gibt es ja nicht überall Kommissionen, und nicht gerade
selten führen sie da, wo sie früher eingerichtet worden sind, nur ein Scheinleben.
Haben sich aber diese Museen etwa schlechter entwickelt als jene, die von den
schützenden Flügeln einer tätigen Kommission überschattet werden? Ich glaube,
eine Zusammenstellung würde gerade sie in der ersten Reihe als führende An-
stalten zeigen. Denn der Grund des Erfolges liegt in der Kraft des Persönlichen.
Die Schlingpflanzen der Kommissionen aber hemmen das Wachstum des Baumes
oder ersticken es gar. Zudem werden durch die Kommissionen, deren Beschlüsse
in der Mehrzahl der Fälle matte Ausgleiche widerstrebender Ansichten sind,
häufig genug unerträgliche Halbheiten geschaffen. Soll mit ihnen sich die Öffent-
lichkeit abspeisen lassen? Nicht vielmehr etwas Ganzes verlangen, selbst wenn
dieses Ganze herber schmeckt und auch einmal dem oder jenem gar nicht mundet?
Und ist wirklich die Gefahr zu irren bei den Kommissionen mit ihren ausgleichenden
Bestrebungen weniger groß als bei dem einzelnen? Iliacos intra muros peccatur
et extra. — —
Bayern hat also seine Kunstkommission. Eine Generalkommission und für
jede Sammlung noch eine besondere. Und es ist mit diesem reichen Segen in
einem Augenblick bedacht worden, wo allein ein einziger starker Wille die Un-
klarheiten hätte beseitigen und eine Reform hätte durchführen können. So wenig
gern das in Bayern gehört werden wird: die Organisation hätte nach dem Berliner
Muster, wenn auch natürlich mit steter Rücksichtnahme auf die örtlichen Besonder-
heiten, durchgeführt werden müssen. Nun ist man überall darauf gespannt zu
erfahren, mit welchen Mitteln die Generalkommission gerade das in das
bayerische Museumswesen hineinbringen wird, was ihm fehlt, den einheitlichen
großen Zug.
dem die volle Verantwortlichkeit zugewiesen wird, der für sie zu sorgen hat. Zum
Teil liegt es darin, daß jeder in Kunstdingen sachverständig mitreden zu können
glaubt, der einen eigenen Geschmack und deshalb die Überzeugung hat, daß es
nur darauf und nicht auch noch auf eine Reihe anderer Dinge, z. B. ein wenig
Wissen, ankäme. Dann aber sind auch die ersten Entwicklungsjahre des Museums-
wesens und der Kunstpflege für die Einrichtung der Kommissionen von Bedeutung-
gewesen. Denn in einer Zeit, wo es eine wirklich fachmäßig betriebene Kunst-
wissenschaft überhaupt noch nicht gab, mußten die Ansichten mehrerer oder vieler
helfen, wenigstens einen halbwegs brauchbaren Maßstab zu schaffen. Jetzt aber,
wo die Kunstwissenschaft immer weiter ausgebaut, wo reiche Erfahrungen im
Museumswesen gesammelt worden sind, bedarf man dieser Krücken nicht mehr.
Es heißt heutigen Tages geflissentlich die ernste Arbeit eines emsig
und erfolgreich tätigen Faches verachten, wenn man seinen Vertretern
nicht die volle Verantwortlichkeit für ihr Tun überläßt. Wir wollen
nicht davon enthoben sein. Wir fordern sie als unser gutes Recht.
Glücklicherweise gibt es ja nicht überall Kommissionen, und nicht gerade
selten führen sie da, wo sie früher eingerichtet worden sind, nur ein Scheinleben.
Haben sich aber diese Museen etwa schlechter entwickelt als jene, die von den
schützenden Flügeln einer tätigen Kommission überschattet werden? Ich glaube,
eine Zusammenstellung würde gerade sie in der ersten Reihe als führende An-
stalten zeigen. Denn der Grund des Erfolges liegt in der Kraft des Persönlichen.
Die Schlingpflanzen der Kommissionen aber hemmen das Wachstum des Baumes
oder ersticken es gar. Zudem werden durch die Kommissionen, deren Beschlüsse
in der Mehrzahl der Fälle matte Ausgleiche widerstrebender Ansichten sind,
häufig genug unerträgliche Halbheiten geschaffen. Soll mit ihnen sich die Öffent-
lichkeit abspeisen lassen? Nicht vielmehr etwas Ganzes verlangen, selbst wenn
dieses Ganze herber schmeckt und auch einmal dem oder jenem gar nicht mundet?
Und ist wirklich die Gefahr zu irren bei den Kommissionen mit ihren ausgleichenden
Bestrebungen weniger groß als bei dem einzelnen? Iliacos intra muros peccatur
et extra. — —
Bayern hat also seine Kunstkommission. Eine Generalkommission und für
jede Sammlung noch eine besondere. Und es ist mit diesem reichen Segen in
einem Augenblick bedacht worden, wo allein ein einziger starker Wille die Un-
klarheiten hätte beseitigen und eine Reform hätte durchführen können. So wenig
gern das in Bayern gehört werden wird: die Organisation hätte nach dem Berliner
Muster, wenn auch natürlich mit steter Rücksichtnahme auf die örtlichen Besonder-
heiten, durchgeführt werden müssen. Nun ist man überall darauf gespannt zu
erfahren, mit welchen Mitteln die Generalkommission gerade das in das
bayerische Museumswesen hineinbringen wird, was ihm fehlt, den einheitlichen
großen Zug.