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Mitteilungen des Württembergischen Kunstgewerbevereins — 1908-1909

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Einen lebhaften Appell zugunsten der Kgl. Staatssammlung vaterländischer Altertümer
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https://doi.org/10.11588/diglit.7712#0146
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Einen lebhaften Appell zugunsten der Kgl. Staatssammlung

vaterländischer Altertümer

richtete Professor Dr. Gradmann im „Schwäbischen Merkur'" vom 11. März an die
Oeffentlichkeit. "Wir entnehmen den beachtenswerten Ausführungen folgendes:

„Im Jahre 1862 ist die genannte Sammlung gegründet worden. Bis 1886 war sie in
gemieteten Räumen untergebracht, in "Wohnräumen von Privathäusern, erst im Pflaum-
schen Hause an der Lindenstraße, dann im Hause Kronenstrafie 20. Sie wird ihr
halbhundertjähriges Jubiläum feiern, ohne es zu einem eigenen Heim gebracht
zu haben. Denn auch jetzt ist sie nur provisorisch untergebracht, in Räumen, die
für einen anderen Zweck bestimmt sind und auch schon lange von der Landes-
bibliothek dafür begehrt werden. Vier Säle im Erdgeschoß des Bücherhauses und
ein Achtel des Kellergeschosses, dazu ein Schuppen im Garten — das sind die Aus-
stellungsräume für ein Museum, das die Kulturgeschichte des Landes von
der Urzeit bis zur Schwelle der Gegenwart in ihren Realien, in vielen Tausenden
von Gegenständen gut sichtbar und doch geschützt vorführen soll. Dazu
kommt eine Münzsammlung von rund 25 000 Stücken. Die Sammlung der römischen
Steindenkmäler ist kaum mehr zugänglich vor Ueberfüllung; Ordnung zu halten ist
unmöglich. Das Magazin ist nicht nur so überfüllt, daß ein Teil der Bestände, die
nicht ausgestellt werden können, aus dem Hause weg an weit entfernte, provisorische
Aufbewahrungsorte verlegt werden muß; sondern es hängt räumlich zusammen mit
einem Kohlenmagazin und ist dem Kohlenstaub ausgesetzt! In den Hauptaus-
stellungsräumen fehlt es ebenso sehr an Licht wie an Raum, namentlich an "Wand-
flächen. Kostbare Gobelins sind von Anfang an an der Decke aufgehängt worden,
andere an freistehenden Schirmwänden. Die altdeutschen Altarwerke stehen und
hängen im Dunkel; Holzfiguren müssen so aufgestellt werden, daß die Besucher in
Gefahr sind, darüber zu stolpern. Alle besseren altdeutschen Gemälde, die Zeitblom,
Strigel, Schaffner, darunter der Heerberger Altar, mußten an die Staatsgalerie ab-
gegeben werden, die es früher verschmäht hatte, altschwäbische Bilder zu erwerben.
Die Waffen und Rüstungen aus der Kunstkammer kamen ins Armeemuseum, dessen
Sammelgebiet eigentlich auf die Zeit des stehenden Heeres beschränkt ist. Für
bäuerliche Altertümer ist durchaus kein Raum vorhanden; und so muß man die schwä-
bischen Volkstrachten jetzt im Kunstgewerbemuseum suchen. Aus demselben Grunde
ist versäumt worden, ganze Stilzimmer zu erwerben. Das Vorhandene ist über-
einandergehäuft in Schränken, die zum Teil im Dunkeln stehen oder, offen aufgestellt,
dem Staube, dem Anstoßen und sogar dem Stehlen ausgesetzt sind. Es fehlt einfach
an Raum für weitere Schränke. Umso größer ist der Aufwand für das Aufsichts-
personal. Der Aufwand für die Dampfheizung verlohnt sich nicht, da die "Wärme
den oberen Räumen, dem Büchermagazin der Landesbibliothek im Uebermaß zuströmt,
in den Museumsräumen aber von den Besuchern vermißt wird."

Jeder Patriot, ja jeder einsichtsvolle Mensch, insbesondere jeder Fachmann, der
die gänzlich unhaltbaren Verhältnisse schmerzlich mitempfindet, wird unserem Landes-
konservator nur aufrichtig beipflichten können und den sehnlichsten "Wunsch aus-
sprechen, daß ein solcher Hilfeschrei nach Befreiung und Erlösung ein lebhaftes
Echo finde.

Eine Animosität gegen das noch ältere, aber anderen Aufgaben zugewandte Landes-
Gewerbemuseum ist in Gradmanns Aufruf nicht enthalten, das sagt er ja selbst mit
folgenden "Worten:

„Es muß offen zugestanden werden, daß die Altertümersammlung ein Kunstgewerbe-
museum im modernen Sinne nicht ersetzen kann, und sogar, daß es bis jetzt seiner
eigensten Aufgabe nicht vollauf gerecht geworden ist. Es hat sich nicht, wie es
sollte, aus einer Sammlung von Altertümern zu einem Museum der vater-
ländischen Geschichte und Kulturgeschichte entwickelt. Schuld daran ist
 
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