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Mitteilungen des Württembergischen Kunstgewerbevereins — 1908-1909

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Gradmann, Eugen: Schmucksachen einer Württembergischen Prinzessin aus der Zeit des Dreissigjährigen Kriegs
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https://doi.org/10.11588/diglit.7712#0201
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SCHMUCKSACHEN EINER WÜRTTEMBERGISCHEN
PRINZESSIN AUS DER ZEIT DES DREISSIGJÄHRIGEN

KRIEGS.

(Hierzu das Titelblatt und die Einlage Seite 195.)

Unter dem Chor der Stiftskirche zu Stuttgart ist eine gewölbte Gruft,
die nach dem Tode des Herzogs Friedrich (29. Januar 1608) innerhalb 17 Tagen
eingebaut und 1683 durch den Anbau eines kleineren Gewölbes unter der
Sakristei erweitert worden ist. Am Mittelpfeiler des Hauptraums steht eine
langatmige Bauinschrift auf einer Messingtafel mit vergoldeten Buchstaben;
und auf der Rückseite ein Steinmetzzeichen mit den Anfangsbuchstaben H. B.,
vermutlich Hans Braun, damals fürstlicher Werkmeister.

Die Gruft ist unzugänglich; sie soll nur betreten werden, wenn eine Bei-
setzung stattfindet; für eine solche ist aber kaum noch Raum vorhanden. Sie
enthält in einem Sammelgrab die Ueberreste, die 1321 aus der Stiftskirche zu
Beutelsbach hieher überführt und zunächst auf dem Stiftskirchhof, später (1535)
im Chor der Kirche bestattet waren. 1608 wurden sie hier niedergelegt, in
einem kleinen Behältnis im Fußboden der Gruft, das ein Stein mit ausgehauenem
Wappen bedeckte. Der Wappenstein ist heute nicht mehr zu sehen, aber die
Stelle vermerkt. Die weiteren Bestattungen sind vermerkt in der gedruckten
„Beschreibung der fürstlichen Denkmale und Grabschriften", die der Schreib-
meister Merkel in Gemeinschaft mit dem Stiftsmeßner und Hofmechanikus
Tiedemann 1798 herausgegeben hat.

Merkel hat nur die Texte abgeschrieben und die Wappen notiert, über die
Särge und ihre künstlerische Ausstattung sagt er nichts. Die sechseckigen
Zinnsärge, die einen eichenen Sarg umschließen und auf doppelten Unter-
sätzen von Holz stehen, sind meist dekoriert mit Gravierungen oder Oel-
malereien und Teilvergoldungen. Unter den Gravierungen sind vollständige
Bilder, meist Ansichten von fürstlichen Residenzen, die wie Kupferstiche be-
handelt sind und ohne Zweifel auch von Kupferstechern herrühren. Eine
davon, am Sarge des Herzogs Friedrich Karl, Administrator (f 1693), ist
signiert: J. D. Daniel sculpsit. Aehnliche Prunksärge stehen, leichter zugäng-
lich, in der Fürstengruft zu Neuenstadt a. K. In einer ehernen Kapsel, die
in einen Steinpfeiler eingelassen ist, ruhen in der Stuttgarter Gruft auch
Reliquien aus den Särgen der Herzöge Christof und Ludwig.

Tiefbauarbeiten im Schiff der Stiftskirche haben im Sommer d. J. Anlaß
gegeben, die Fürstengruft, deren Eingang verändert werden mußte, zu reinigen.
Dabei zeigte sich, daß zwei von den Fürstensärgen durch einen früher darauf-
gestellten leeren Sarg zerdrückt worden waren. Bei der Auswechslung der beiden
Holzsärge, die in schonendster Weise, ohne Berührung der Leichenreste vor-
genommen wurde, fanden sich in dem einen Sarg, dem der Prinzessin Anna,
einzelne Schmuckstücke, deren Untersuchung und Abbildung S. M. der König
gestattet hat. Sie sind wieder in den Sarg gelegt worden und nach mensch-
lichem Ermessen für immer begraben.

Anna, Herzogin von Württemberg und Teck, ist geboren zu Stuttgart am
15. März 1597 als zehntes Kind des Herzogs Friedrich und der Herzogin Sibylla
 
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