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Verein für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung [Hrsg.]
Nassauische Annalen: Jahrbuch des Vereins für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung — 43.1914/​1915(1915)

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Noelle, Hermann: Das Herzogtum Nassau und die deutsche Frage 1852-1875
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https://doi.org/10.11588/diglit.55189#0014
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Hermann To eile

Herrenbank aus; es war im Grunde noch einmal der Widerstand des Adels
gegen den modernen Staat, dessen Oberhaupt er sich gleichberechtigt fühlte.15)
Nach 1820 freilich ermattete das öffentliche Leben auch in Nassau. Der Streit
über den Besitz der Domänen 1831, in dessen Verlauf die Mehrheit der Landes-
deputierten bis zur Steuerverweigerung schritt, hatte nur eine Verstärkung der
Reaktion zufolge. Erst seit der Mitte der 40er Jahre nahm das öffentliche
Leben durch das Auftreten der deutschkatholischen Bewegung und durch die
Kammerneuwahlen von 1846 einigen Aufschwung.
Fragen von grösserer politischer Tragweite waren nur selten — etwa die
des Anschlusses an den Zollverein 1836 — in dem Gesichtskreise des Klein-
staates aufgetaucht; selbst nach 1846 fand im Gegensatz zu anderen Teilen
Deutschlands die schleswig-holsteinische Frage geringe Beachtung16), wobei das
Verhältnis der Nassauer zu höhern Fragen überhaupt nicht ohne Einfluss war.17)
Immerhin konnte man doch gegenüber manchem andern deutschen Staate auf
ein langes Verfassungsleben zurückblicken und in der Bewegung von 1848
wurde oft mit Stolz darauf hingewiesen, dass Nassau als erster deutscher Staat
eine Verfassung erhalten habe.18)
Freilich konnte während dieser Zeit von der Bildung politischer Parteien
nicht die Rede sein; tiefgehende Gegensätze waren nicht vorhanden. Eine Aus-
nahme ist allerdings zu machen; die Bildung einer katholischen Partei, die dem
Streben der Regierung, im Innern die Gegensätze möglichst auszugleichen, hindernd
in den Weg trat, bedingte auch eine Stellungnahme in der deutschen Frage.
Bei seiner Begründung waren dem Herzogtume vor allem auf dem Wester-
walde und im Rheingaue katholische Gebietsteile zugefallen, sodass schliesslich
eine starke Minderheit dem katholischen Bekenntnisse angehörte. Damals
stand die katholische Kirche im Zeichen der Aufklärung und setzte daher dem
Streben der Regierung, sie möglichst vom Staate abhängig zu machen, nur
gelingen Widerstand entgegen. In der Tat war das Bemühen des Staates von
Erfolg begleitet.
Doch der Rückschlag blieb nicht aus. Restauration und Romantik be-
günstigten die Konsolidierung und Konfessionalisierung der katholischen
Kirche. Schon 1820 waren in der Herrenbank Klagen über die Eingriffe
des Staates in die geistliche Verwaltung laut geworden19); doch noch
1825 glaubte der nassauische Minister von Marschall schreiben zu können:
„Gegenwärtig gibt es keine Kurialistenpartei unter unsere Katholiken und in
unserem Lande.“20) Einen natürlichen Mittelpunkt für eine solche bot sich in
dem 1827 gegründeten Bistume Limburg dar. Besonders der Bischof Blum
war eifrig bedacht, die Stellung der Kirche unabhängiger zu gestalten, wobei
15) Wie sehr dieses Gefühl noch später nachwirkte, zeigt die Äusserung des Fürsten
von Solms 1866. Die st 286.
16) Riehl 7.
17) Hierzu das Urteil Diests 341.
18) Z. B. Nass. Zeitung, 24. Mai 1848.
19) Firnhaber I. 77.
20) Hohler II. 60.
 
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